Corona und die Olympischen Sommerspiele: Wut über Verzögerungstaktik
Die Olympischen Spiele verschieben? Lange wollte das IOC nicht mal darüber reden. Durch den Verzicht Kanadas kommt nun Schwung in die Debatte.
Diese Hinhaltetaktik produziere „einen massiven Vertrauensverlust“ und zeige „ein eklatantes Führungsversagen“, sagte die SPD-Politikern. „Herrn Bach laufen die Athleten davon. Das Produkt Olympia steht auf dem Spiel.“ Es werde höchste Zeit, dass IOC-Präsident Thomas Bach das begreife. Freitag: „Das IOC muss wissen: Wer nicht entscheidet, über den wird entschieden.“
Sie plädiert für eine Verlegung der Tokio-Spiele. „Ich bin für eine Verschiebung um ein Jahr“, sagte Freitag. Eine Olympia-Absage hält sie nicht für richtig: „Wir müssen sehen, dass Lebensträume bei den Athleten zerplatzen, die vier Jahre für die Olympischen Spiele trainiert haben.“
Sollte das IOC entscheiden, die Sommerspiele in Japan wie geplant zu veranstalten, könne der Bund im schlimmsten Fall die Zahlung der Entsendungskosten verweigern. „Ich glaube nicht, dass es so weit kommen wird. Das regeln die Athleten schon selbst“, sagte Freitag
Das IOC hatte am Sonntag mitgeteilt, binnen einer Frist von vier Wochen eine Entscheidung über Austragungsoptionen der Tokio-Spiele treffen zu wollen.
Speerwurf-Olympiasieger Thomas Röhler hat sich für Olympische Spiele im nächsten Jahr ausgesprochen. „Wir Athleten – international kann ich da für die Leichtathletik sprechen – sind der Meinung, dass 2021 aktuell die maximale Sicherheit bietet“, sagte der 28-Jährige aus Jena am Montag im „Morgenmagazin“ der ARD und des ZDF. Man werde diese Meinung in einer Telefonkonferenz am Montagabend mit dem Weltverbandschef Sebastian Coe (Großbritannien) vortragen. Röhler ist Athletensprecher des Leichtathletik-Weltverbandes.
Kanadas Olympisches Komitee erhöht Druck
Vier Wochen sind für Röhler „ein sehr, sehr langer Zeitraum“, wie er sagte. „Vier Wochen, die wir fit bleiben müssen, obwohl wir gar nicht wissen, wohin wir trainieren. Wir arbeiten aktuell daran, dass noch schnellere, noch präzisere Entscheidungen getroffen werden.“
Am Sonntag hatte das Internationale Olympische Komitee (IOC) erstmals Gedankenspiele dieser Art zugelassen und sich selbst einen Vier-Wochen-Zeitraum für die Entscheidung gegeben. Auch Japans Premierminister Shinzo Abe sprach von einer Verschiebung der Sommerspiele in seinem Land. Vor dem Parlament in Tokio sagte er am Montag, dass damit gerechnet werden müsse. Von einer Absage könne aber keine Rede sein.
„Es ist schwierig, Spiele unter diesen Umständen abzuhalten, wir müssen über eine Verschiebung entscheiden, wobei die Gesundheit der Athleten oberste Priorität hat“, sagte Premierminister Abe. Die endgültige Entscheidung aber liege beim IOC.
Kanadas Olympisches Komitee (COC) erhöhte den Druck auf das IOC weiter und gab als erstes Land bekannt, dass man in diesem Sommer wegen der Corona-Krise auf eine Entsendung von Sportlern verzichten werde. Die „schwierige Entscheidung“ sei mit Zustimmung von Sportverbänden und der kanadischen Regierung getroffen worden, hieß es. „Das ist kein Boykott“, sagte Kommunikationsdirektor Photi Sotiropoulos der Deutschen Presse-Agentur. Das Paralympische Komitee Kanadas entschied gleichermaßen für die Paralympics.
Im kommenden Jahr sei man gern dabei, sollte dies mit Rücksicht auf die Entwicklung der Pandemie und die Gesundheit der Weltbevölkerung möglich sein, teilte das COC mit. Zudem unterstütze man das IOC bei der Lösung aller Probleme, die eine Verschiebung mit sich bringe.
Derzeit sind die Spiele eingeplant für den Zeitraum vom 24. Juli bis 9. August 2020. Eine Verschiebung wäre eine monumentale Entscheidung und ein massiver Eingriff in den komplexen Kalender des Weltsports. Denkbar ist eine Verlegung in den Herbst, auf Sommer 2021 oder gar auf 2022. Am wahrscheinlichsten dürfte die Verlegung um ein Jahr sein. Im Sommer 2021 sind aber zum Beispiel die Weltmeisterschaften der Schwimmer in Fukuoka/Japan und die der Leichtathleten in Eugene/USA vorgesehen. Gegen 2022 spricht, dass in dem Jahr im Februar die Olympischen Winterspiele in Peking und im November und Dezember die Fußball-Weltmeisterschaf in Katar stattfinden.
Die selbst gesetzte Deadline von vier Wochen gab das Internationale Olympische Komitee nach einer Telefonkonferenz der Exekutive bekannt und schloss gleichzeitig eine Komplett-Absage der Sommerspiele aus. Der Druck bezüglich einer Entscheidung war zuvor immer größer geworden. Neben vielen Athleten aus Deutschland und weltweit hatten sich auch der Schwimm- und der Leichtathletikverband der USA für eine Verlegung ausgesprochen. Die USA haben großes Gewicht, weil der dort übertragende Sender NBC so viel Geld für die Übertragungsrechte an das IOC bezahlt wie sonst keine Fernsehstation der Welt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Angriffe auf Neonazis in Budapest
Ungarn liefert weiteres Mitglied um Lina E. aus
Mangelnde Wirtschaftlichkeit
Pumpspeicher kommt doch nicht