piwik no script img

Corona und der Müll in BerlinNicht gut, wie voll die Körbe sind

Kommentar von Claudius Prößer

Ganz entgegen der „Zero Waste“-Strategie sorgt die Coronapandemie für mehr Einwegmüll in der Stadt.

Coffee and Cigarettes: Der Müll to go Foto: dpa

V iel war in der taz in den vergangenen Wochen von Müll die Rede – aber eher metaphorisch. An dieser Stelle soll es mal wieder um the real thing gehen, den Abfall, den die Stadt Tag für Tag und tausendtonnenfach produziert.

Wie Stephanie Otto, die Chefin der Berliner Stadtreinigung (BSR), vor wenigen Tagen bilanzierte, haben Pandemie und Lockdown die Menge an Hausmüll nicht beeinflusst – aber neue Hotspots erzeugt. Es bildeten sich regelrechte Verschmutzungs-Cluster aus Einweggeschirr, sobald die Restaurants Speisen zum Mitnehmen anbieten durften – die dann gerne auch unter freiem Himmel verzehrt wurden.

Immerhin: Die Papierkörbe im öffentlichen Raum seien gleichzeitig zehn Prozent leerer gewesen, so die BSR-Chefin, die natürlich auch weiß, dass all das ­kurzlebige Phänomene sind.

Grundsätzlich gilt: Arm mag Berlin noch immer sein, aber ganz sicher nicht an Müll. Der klangvollen „Zero-Waste-Strategie“ des Senats zum Trotz werden die Kehrichtberge nicht kleiner, 2019 gingen im Müllheizkraftwerk Ruhleben 567.000 Tonnen in Flammen auf, die genehmigte Kapazität war erst kurz vorher erhöht worden.

Aber auch die Recyclingquoten stagnieren. Gerade bei den Leichtverpackungen aus Kunststoff oder Metall liegen sie bedrückend niedrig, irgendwo um die 20 oder 25 Prozent, wie gerade erst der Präsident des Verbands der privaten Entsorgungsbetriebe Peter Kurth bestätigte (die Älteren werden sich erinnern: Berlins vorläufig letzter CDU-Finanzsenator). Der Rest, hauptsächlich aus Erdöl hergestelltes Plastik, wird größtenteils auch verbrannt, etwa im Rüdersdorfer Zementwerk.

Dabei ist die ganze Verbrennerei nicht grundsätzlich von Übel – schließlich erzeugt man damit Strom oder Beton. Aber je weniger fossile Brennstoffe im Kontext der Energiewende benötigt werden, umso schlechter wird die Klimabilanz des Plastiks.Ein paar Tonnen extra durch Corona machen dabei den Kohl nicht fett.

Wir erzeugen ­Unmengen von ­ver­meidbarem Müll, die ganze Zeit, überall

Die deprimierende Wahrheit lautet: Wir erzeugen Unmengen von vermeidbarem Müll, die ganze Zeit, überall. Die Handvoll Unverpackt-Läden in der Stadt oder alle jene, die immer Stoffbeutel oder Kaffeebecher dabeihaben, spielen aufs große Ganze bezogen weiterhin überhaupt keine Rolle. Traurig, aber wahr

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Redakteur taz.Berlin
Jahrgang 1969, lebt seit 1991 in Berlin. Seit 2001 arbeitet er mit Unterbrechungen bei der taz Berlin, mittlerweile als Redakteur für die Themen Umwelt, Mobilität, Natur- und Klimaschutz.
Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!