Corona in der Flüchtlingsunterkunft: Pauschale Massenquarantäne
Weggesperrt: In Celle dürfen sich 160 Geflüchtete nicht mehr frei bewegen.
Am vergangenen Montag hatte es in der Einrichtung einen laborbestätigten Covid-19-Fall gegeben. Der Betroffene wurde isoliert, auch acht Kontaktpersonen kamen in Quarantäne. Am Mittwoch ergaben Tests, dass sich sieben dieser Menschen angesteckt hatten. Schon am Dienstag allerdings riegelte der Sicherheitsdienst das Gelände ab.
Auf wessen Anordnung hin, ist unklar: Eine Sprecherin der Landesaufnahmebehörde (LAB) erklärte auf taz-Anfrage, es habe da möglicherweise Missverständnisse gegeben. Die Behörde will schon am Montag mündlich eine Anweisung des Landkreises erhalten haben, die Unterkunft unter Quarantäne zu stellen. Dies soll dann im Laufe der Woche schriftlich bestätigt worden sein.
Die Anweisung sei überraschend gekommen, sagte die LAB-Sprecherin am Freitag, an anderen Standorten hätten weniger drastische Mitteln ausgereicht. Gleichwohl sei die Anweisung dem Heimbetreiber, die Celler Zuwanderungsagentur, weitergegeben worden.
Zweifel an der Rechtmäßigkeit
Offiziell die Quarantäne verhängt hat das Gesundheitsamt des Kreises Celle erst am Freitag. „Da nicht vollständig ausgeschlossen ist, dass es unter den Bewohnern weitere Kontakte gegeben hat“, heißt es zur Begründung.
Die Quarantäne soll für 14 Tage gelten, insgesamt werden die Bewohner:innen dann für fast drei Wochen eingesperrt sein. „Das ist ein tiefer Eingriff in die Grundrechte“, sagt Muzaffer Öztürkyilmaz vom Flüchtlingsrat Niedersachsen. „Ich habe Zweifel daran, dass dies – auch unter den Bedingungen des Infektionsschutzgesetzes – in dieser Form rechtens ist.“
Normalerweise wird eine Quarantäne bei „engem Kontakt“ mit einem nachweislich Infizierten verhängt. „Eng“ wird hierbei definiert als: 15 Minuten im selben Raum, im Gespräch, ohne Sicherheitsabstand und Maske.
Um eine solche pauschale Massenquarantäne zu vermeiden, hätten die Einrichtungen längst Vorsorge treffen sollen – dazu gibt es auch entsprechende Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts. Dazu gehört, die Bewohner:innen in Kohorten aufzuteilen, wie es etwa an Schulen passiert; die Nutzung der Gemeinschaftsräume einzuschränken; die Geflüchteten soweit möglich auf dezentrale Unterkünfte und Einzel- oder Zweibettzimmer zu verteilen.
Für den Infektionsfall schließlich soll es einen Plan geben, wie sich bestätigte Krankheits-, Kontakt- und Verdachtsfälle räumlich möglichst rasch von Nicht-Infizierten trennen lassen. So einen Plan hat der Flüchtlingsrat immer wieder angemahnt – passiert sei aber wenig, beklagt die Organisation.
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