piwik no script img

Corona in FrankreichStubenarrest zu Silvester

Anstatt zu lockern, verschärft die Regierung die Anticoronamaßnahmen. Der Grund ist, dass die Infektionszahlen nicht wie erhofft sinken.

Überbringer schlechter Nachrichten: Frankreichs Premierminister Jean Castex Foto: reuters/AP

Paris taz | Das offiziell angekündigte Ende der zweiten Lockdown-Periode hat in Frankreich bereits einen bitteren Nebengeschmack. Zwar fallen die lästigen, aber für Polizeikontrollen notwendigen, Formulare mit den Ausnahmebewilligungen für das Einkaufen, Spazieren oder Joggen sowie für berufliche oder gemeinnützige Aufgaben weg. Doch ab Dienstag wird über das ganze Land ein Ausgehverbot von abends 20 Uhr bis 6 Uhr früh verhängt.

Logischerweise dürfen auch die Theater, Kinos und Museen nicht wie ursprünglich versprochen öffnen. Sie bleiben zu, wie ohnehin die Restaurants, Cafés, Bars und auch Sportklubs und Fitnesszentren, die auf Mitte Januar vertröstet werden.

Doch was den Franzosen und Französinnen nun buchstäblich jegliche Festfreude verderben dürfte, ist die Ankündigung von Premierminister Jean Castex, dass die abendliche Ausgangssperre zwar nicht Weihnachten, hingegen aber am Silvesterabend ab 20 Uhr gelten werde.

Bereits klar war allen, dass der Jahreswechsel dieses Mal nicht mit Champagner und Küsschen auf den Champs-Elysées gefeiert werden darf, doch dass nun mit einem von der Obrigkeit befohlenen Stubenarrest auch die private Party de facto verboten wird, kommt verständlicherweise sehr schlecht an.

Undankbare Aufgabe

Regierungschef Castex hatte die undankbare Aufgabe, am Donnerstagabend auf einer Pressekonferenz diese deprimierende Botschaft zu überbringen, die für viele eine kalte Dusche ist. Denn am 15. Dezember sollte in Frankreich die zweite Lockdown-Phase dank einer deutlich verminderten Zahl von Corona-Neuinfektionen und deutlich weniger Patient:innen in den Intensivstationen enden.

Das hatte Staatspräsident Emmanuel Macron seinen Landsleuten versprochen. Nun kann er sein Wort nicht (ganz) halten, weil die Bedingungen, mit denen er die Aussicht auf weitgehende Lockerungen verknüpft hatte, nicht gegeben sind.

Denn statt wie erhofft unter die Grenze von täglich 5.000 durch PCR-Tests bestätigten Fällen zu sinken, stagniert in der Corona-Statistik die Zahl der täglichen Neuinfektionen bei durchschnittlich 10.000.

Weil das Ziel von weniger als 5.000 nicht erreicht werden kann, beschließt die Regierung striktere Vorschriften. Sie hat es nach langen Diskussionen vorgezogen, den Silvesterabend statt des eher im Familienkreis gefeierten Weihnachtsabends der Covid-Prävention zu opfern.

Kontraproduktive Folgen

Dass die Ausgangssperre an diesem speziellen Abend sogar kontraproduktive Folgen haben könnte, weil die Leute auf Silvesterpartys nach Mitternacht bis 6 Uhr früh bleiben müssen, konnte auch Castex nicht ausschließen.

Je nachdem, wie die Reaktionen ausfallen oder falls sich die Statistik der Epidemie rapide bessern sollte, könnte der Staatspräsident jedoch wie ein Deus ex machina den heute verärgerten Bürger:innen mit einer frohen Botschaft aufwarten und ihnen doch noch grünes Licht für ein fröhliches Zusammensein (im kleineren Kreis von maximal sechs Personen wie Heiligabend ) zum Jahreswechsel geben.

Die Regierungspolitik in Sachen Bekämpfung der Corona-Epidemie wird fast von Beginn weg von allen Seiten heftig kritisiert. Nach einer parlamentarischen Kommission der Nationalversammlung hat am Donnerstag auch ein Untersuchungsausschuss des Senats eine „ungenügende Vorbereitung“, „Mängel in der Strategie“ und „Fehler in der Kommunikation“ angeprangert.

Zudem beschuldigen die Senator:innen die Regierungsverantwortlichen, sie hätten unter anderem das Fiasko der verpatzten Beschaffung von Schutzmasken „wissentlich vertuscht“.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 /