Corona in Deutschland: Mehr Delta-Fälle, weniger Impfungen
Während die Zahl der Delta-Infektionen steigt, wird gleichzeitig weniger geimpft. Und die Regierung lockert Reisebeschränkungen.
Grund dafür ist die sogenannte Delta-Variante, jene Coronamutation, die zuerst in Indien gefunden wurde und in vielen Ländern wieder zu steigenden Zahlen führt. Ihr Anteil an der Gesamtinfektionszahl steigt auch in Deutschland schon länger, doch in absoluten Zahlen schien sie zunächst eher zu stagnieren. Seit zwei Wochen ist nun aber auch bei der absoluten Zahl der Delta-Infektionen ein Anstieg zu sehen, wenn auch deutlich geringer als beim Anteil.
Laut dem jüngsten Virusvariantenbericht des Robert-Koch-Instituts, der am Mittwochabend veröffentlicht wurde, hat sich der Delta-Anteil an den Gesamtinfektionen in der vorletzten Kalenderwoche (14. bis 20. Juni) im Vergleich zur Vorwoche auf rund 37 Prozent mehr als verdoppelt. In absoluten Zahlen entspricht das im Vergleich zur Vorwoche einem Anstieg um etwa 10 Prozent; über einen Zeitraum von zwei Wochen liegt das Wachstum bei 60 Prozent.
„Delta wird bald auch in Deutschland die dominierende Variante sein“, kommentierte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Donnerstag diese Entwicklung. Tatsächlich spricht viel dafür, dass das bereits der Fall ist und schon jetzt mehr als 50 Prozent der Infektionen auf das Konto von Delta gehen; der RKI-Bericht gibt schließlich den Stand von vor zehn Tagen wider. Setzt sich die Entwicklung fort wie bisher, dürfte die Gesamtzahl der Infektionen darum spätestens ab übernächste Woche wieder steigen.
Beim Impftempo stockt es
Die wichtigste Maßnahme, um das zu verhindern, ist laut Spahn, das Tempo beim Impfen weiterhin hoch zu halten. „Eine vollständige Impfung schützt auch gegen Delta“, sagte er. „Es liegt an uns, ob Delta eine Chance hat.“ Was Spahn nicht sagte: Genau dabei hapert es derzeit. Die Zahl der Corona-Impfungen lag in Deutschland im 7-Tage-Mittel zuletzt wieder bei unter 750.000 pro Tag; vor zwei Wochen waren es noch 100.000 mehr am Tag.
Anders als in der Vergangenheit liegt das stockende Tempo kaum noch an der Verfügbarkeit des Impfstoffes – im Gegenteil: In der laufenden Woche sollte mit über 10 Millionen Dosen so viel geliefert werden wie nie zuvor; auch von den besonders beliebten mRNA-Impfstoffen von Biontech und Moderna war mit 6,5 Millionen Dosen eine Rekordlieferung angekündigt.
Der Grund für die zurückgehenden Impfzahlen ist nicht wirklich klar. Zum einen dürften inzwischen viele, die es unbedingt wollen, ihre Erstimpfung erhalten haben: Am Donnerstag waren knapp 46 Millionen Menschen mindestens ein Mal geimpft, was 55 Prozent der Gesamtbevölkerung und 62 Prozent der Menschen über zwölf entspricht, die theoretisch impffähig sind.
Zudem könnte es eine Rolle spielen, dass aufgrund der Ferien, die in mehreren Bundesländern begonnen haben, sowohl Impfende als auch potenziell Impfwillige im Urlaub sind. Regional scheint es dabei aber deutliche Unterschiede zu geben: Während in manchen Bundesländern Impftermine völlig oder fast ohne Wartezeit verfügbar sind, ist es in Hamburg und Nordrhein-Westfalen offenbar teilweise noch schwierig, kurzfristig Termine zu bekommen.
Die Zahl der in Deutschland gemeldeten Coronatoten ist unterdessen im 7-Tage-Mittel auf unter 50 Tote pro Tag gesunken; vor zwei Monaten lag dieser Wert noch fünfmal so hoch. Und anders als bei den Neuinfektionen dürfte die Zahl der Toten weitersinken. Denn anstecken werden sich absehbar vor allem Kinder und Jugendliche, die derzeit noch ungeimpft sind, bei denen aber das Risiko eines schweren Verlaufes oder des Todes sehr gering ist.
Warnendes Beispiel Großbritannien
Zudem wird es auch bei vollständig Geimpften Infektionen geben, doch schwere Verläufe und vor allem Tod sind bei Geimpften ebenfalls selten. In Großbritannien etwa hat sich die Zahl der Neuinfektionen im Juni mehr als versechsfacht; die Zahl der Hospitalisierungen und Todesfälle im Zusammenhang mit Corona hat sich dagegen im gleichen Zeitraum nur auf niedrigem Niveau verdoppelt.
Weil sich die Delta-Variante in Deutschland ausbreitet, werden die Reisebeschränkungen für Länder, in denen sie bereits dominiert, demnächst abgeschwächt werden. Derzeit ist eine Einreise aus Ländern mit hohem Delta-Anteil, darunter Großbritannien, Portugal und Russland, stark eingeschränkt.
Deutsche, die dort Urlaub machen, müssen anschließend zwei Wochen in Quarantäne, auch wenn sie vollständig geimpft sind. Das werde angesichts des demnächst vergleichbaren Delta-Anteils und der guten Wirksamkeit der Impfungen auch gegen Delta in Kürze geändert, so Spahn; einen genauen Termin nannte er nicht. Aus Ländern, die nur als einfaches Risikogebiet gelten, entfallen Einreisebeschränkungen ab sofort.
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