Corona entlarvt das Abtreibungsrecht: Die Wahrheit über den §218

Jetzt rächt sich, dass Gesellschaft und Politik zu lange die Augen verschlossen haben vor den Problemen, die der Paragraf 218 mit sich bringt.

Frau mit einem Plakat: "§ 218 abschaffen"

Eine Demonstration in Berlin. Doch an den Paragraf 218 traut sich niemand heran Foto: Paul Zinken / dpa

Die Coronakrise zeigt wie in einem Spiegel der Wahrheit Stärken und Schwächen von Individuen und ganzen Systemen. Auf der einen Seite gibt es schnelle und kluge Reaktionen auf die neue Situation. Ein Beispiel ist die Erlaubnis, die gesetzlich vorgeschriebenen Schwangerschaftskonfliktberatungen vor Abtreibungen per Mail oder am Telefon durchzuführen. Nordrhein-Westfalen hat dies vor einer Woche getan, jetzt ziehen unter anderem Bremen, Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein nach.

Die Krise offenbart aber auch, wie sträflich Gesellschaft und Politik das Thema Abtreibungen ignoriert haben. Da ist zum einen die Beratungspflicht. Die Beratung hat laut Schwangerschaftskonfliktgesetz nicht das Ziel, einer ratlosen oder verzweifelten Frau möglichst gut zu helfen, wie es auch eine freiwillige Beratung könnte. Sondern sie „dient dem Schutz des ungeborenen Lebens“. So steht es im Gesetz.

Wenn jetzt Frauen mit Beratungsstellen telefonieren oder chatten, sollte auch dem Letzten klar werden: Das ist eine Pro-Forma-Angelegenheit. Die Frau braucht den Beratungsschein, die Beraterin stellt ihn aus. Mit Glück trifft eine Unentschlossene auf eine Beraterin, die sie weder in die eine oder andere Richtung drängt. Oder ihr einen Hinweis auf staatliche Unterstützung gibt, die sie vorher nicht kannte. Ansonsten, das wird jetzt deutlich, dient die Beratung der Beruhigung einer Gesellschaft, die nicht damit klar kommt, dass Schwangerschaften abgebrochen werden.

Zum anderen wird sich jetzt das Problem verschärfen, dass in Deutschland zu wenige Ärzt*innen und Kliniken Abtreibungen durchführen – und Landesregierungen untätig zugesehen haben. Weil sie sonst hätten zugeben müssen, dass das Abtreibungsgesetz geändert werden muss, um eine wohnortnahe Versorgung zu sichern. In den nächsten Wochen werden Frauen in einigen Regionen vor der Frage stehen, ob sie ein ungewolltes Kind bekommen – oder versuchen, es selbst abzutreiben. Wer das auf die Ausnahmesituation „Coronakrise“ schiebt, kann genau so behaupten, die Erde sei eine Scheibe.

Es ist die CDU, die eine Reform des Abtreibungsrechts verhindert – kein Wunder, dass in Niedersachsen, wo die Partei mitregiert, Frauen die Beratung per Videotelefonie durchführen müssen, über Skype und Co. Das hat mit einem verantwortungsbewussten Umgang mit sensiblen­ Daten nichts zu tun. Man könnte auch T-Shirts verteilen mit dem Aufdruck „Sie hat abgetrieben“.­

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Seit 2003 bei der taz als Redakteurin. Themenschwerpunkte: Soziales, Gender, Gesundheit. M.A. Kulturwissenschaft (Univ. Bremen), MSc Women's Studies (Univ. of Bristol); Alumna Heinrich-Böll-Stiftung; Ausbildung an der Evangelischen Journalistenschule in Berlin; Lehrbeauftragte an der Univ. Bremen; in Weiterbildung zur systemischen Beraterin.

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