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Corona enthemmt das FußballgeschäftSchwindel mit der Demut

Im deutschen Fußball gibt man sich neuerdings bescheiden. Dabei deutet sich die Entfesselung des Wettbewerbs an.

Beobachtet mehr Demut in der Liga: FC Bayern-Präsident Hainer beklatscht den Meistertitel Foto: Poolfoto/imago

A uf das Unwort des Jahres im deutschen Profifußball kann man sich schon jetzt festlegen. Demut, Demut und noch einmal Demut. Es ist seit Beginn der Coronakrise schier unmöglich, ein Interview mit einem Funktionär zur allgemeinen Lage auszugraben, in dem nicht davon die Rede ist. Und der Tonfall ist stets so gesetzt, als ob Reue und Umkehr ganz vorne stünden auf der Agenda aller Gremiensitzungen.

Als ob man sich überall den Kopf zermartern würde, wie man solidarischer und weniger exzessiv wirtschaften und sich aus der Abhängigkeit unseriöser Spekulanten befreien kann. Für diejenigen, die überhaupt nichts checken, hat es Herbert Hainer, der Präsident des FC Bayern, Anfang dieser Woche noch einmal zusammengefasst: „Ich denke, dass schon in den vergangenen Monaten mehr Demut zu erkennen war.“

Das alles ist in etwa so bizarr, wie wenn sich Karl-Heinz Rummenigge, Martin Kind und Christian Seifert auf einer illegalen DFL-Verkleidungsparty als Bettelmönche die Bäuche am erlesenen Buffet vollschlagen würden. Klar muss auch der Profifußball aufgrund der immensen Verluste durch die Coronakrise die Weichen neu stellen. Es deutet aber einiges daraufhin, dass die verzweifelte Suche nach neuen Geldquellen eher zu einem entfesselten als zu einem sich selbst beschränkenden Wettbewerb führen wird.

Im Frühjahr bereits, als der Fußball das Wort Demut für sich entdeckte, begannen bereits einige an der geschäftsbeschränkenden 50+1-Regel zu sägen, nach der die Stimmmehrheit immer beim Verein und nicht beim Investor liegen muss. Herbert Hainer etwa befand, angesichts der großen Einbußen durch die Pandemie sollten die Vereine doch künftig selbst entscheiden, wie viel Stimmrechte sie den Investoren gewähren.

Investoren in Italien

In dieser Woche wurde bekannt, dass die 20 Erstligisten der Serie A in Italien in der Saison 2019/20 etwa 770 Millionen Euro Verluste gemacht hätten. Und kurz darauf verkündete der Ligaverband, man habe eine zehnprozentige Beteiligung an einer kürzlich gegründeten Vermarktungsgesellschaft einem Bündnis internationaler Investmentfonds für 1,7 Milliarden Euro verkauft. Diskutiert wurde dort darüber schon lange, die Coronakrise machte den Deal erst möglich.

Und auch bei den deutschen Vereinen werden die Hemmungen zwangsläufig fallen, sich fremd bestimmen zu lassen und Anteile zu verkaufen, solange sie noch etwas wert sind. Die Zeichen der Zeit seien anders, bemerkte etwa Jonas Boldt, der Sportvorstand des Hamburger SV. Man müsse auch über das prekäre Thema Anteilsverkäufe sprechen. Für die Abschaffung der 50+1-Regel warb er zwar nicht, aber die Grenzen dahin werden weiter ausgelotet. Es werden sich die Stimmen mehren, die dafür plädieren, sich von dieser Fessel zu befreien.

Diejenigen Vereine, die dem Bundesligageschäft neue Fesseln anlegen wollen durch eine solidarischere Verteilung der TV-Gelder, werden speziell behandelt. Karl-Heinz Rummenigge hat die vier Klubs kürzlich abgestraft, indem er sie nicht zu der von ihm initiierten Versammlung der Erstligisten einlud, bei der gar noch der Zweitligist Hamburger SV zugegen war. Bei dem Geheimtreffen ist das Wort Demut vermutlich eher nicht gefallen.

Widerständig ist auch die Fanszene in Deutschland, die mit der Initiative „Unser Fußball“ detaillierte Vorschläge für eine Reform „des kaputten Systems“ Profifußball vorgebracht hat. Sie werden im Dialog mit den Funktionären wahrscheinlich noch oft von der „Demut“ zu hören bekommen.

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taz-Sportredakteur
Jahrgang 1971, bis Ende März 2014 frei journalistisch tätig. Seither fest mit dem Leibesübungen-Ressort verbunden.
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