Corona-Maßnahmen: Weiter streiten!
Die Zahl der Neuinfektionen sinken, trotzdem sterben weiter viele Menschen. Corona wird zum Dauerzustand und so auch die Debatte um die Maßnahmen.
D ie gute Nachricht gleich vorweg. Diese Woche wurden so wenig Corona-Infektionen wie seit über einem Jahr nicht mehr registriert. Das ist doppelt gut. Denn in den ersten beiden Pandemiejahren zeigten die Kurven im November stets steil nach oben – was zu annähernd 6.000 Toten ausgerechnet in der Weihnachtswoche vor zwei Jahren führte. Von solchen Extremwerten sind wir zum Glück in diesem Advent weit entfernt. Eine neue, schlimmere Coronavariante ist zwar nicht auszuschließen, aktuell aber auch nicht in Sicht.
Haben die vier Bundesländer, die jüngst die Isolationspflicht ausgesetzt haben, recht? Ist es nicht überfällig, die Maskenpflicht im Nahverkehr aufzuheben, wie es Bayern und Schleswig-Holstein vorschlagen? Nun, ganz so einfach ist es leider nicht.
Denn die schlechte Nachricht lautet: Die Zahlen von heute sind mit denen der ersten beiden Pandemiejahre nicht eins zu eins vergleichbar. Weil in diesem Herbst deutlich weniger getestet wird, werden auch weniger Infektionen gefunden. Die Dunkelziffer wächst. Dummerweise verschwindet die Pandemie nicht, bloß weil man nicht mehr so genau hinschaut. Aktuell werden in unschöner Beständigkeit Woche für Woche rund 1.000 weitere Coronatote vom Robert-Koch-Institut gezählt.
Also liegt Gesundheitsminister Karl Lauterbach richtig, der nicht müde wird, vor bald schnell wieder steigenden Zahlen zu warnen? Nur wie passt das dann mit Christian Drosten zusammen? Der Virologe von der Berliner Charité hat gerade in einem Zeit-Interview vom Ende der Pandemie gesprochen. Wenn nicht mal mehr die populärsten Vertreter vom Team Wissenschaft auf einer Linie liegen, wem soll man dann noch folgen?
Tatsächlich liegen Lauterbach und Drosten nicht weit auseinander. Auch der Virologe rechnet mit steigenden Zahlen im Winter. Er blickt nur weiter, erkennt im schnelleren Auf und Ab der Wellen ein Anzeichen dafür, dass Corona endemisch wird.
Die Spitzen der Coronawellen sind nicht mehr so hoch. Aber auch die Täler sind nicht mehr so tief. In einer Endemie ist Corona nicht weg. Es wird nur normal. Ein Dauerzustand. Das muss kein Drama sein. Vor allem dank der Impfungen wurde in Deutschland ein hoher Grad an Immunität erreicht, der weite Teile der Bevölkerung vor schwerer Erkrankung oder gar Tod schützt.
Aber was ist mit Long Covid? Was mit dem Schutz besonders gefährdeter Menschen und dem Risiko, dass aus weniger geimpften Teilen der Welt doch eine Supervariante auftaucht? Auch am Ende des dritten Pandemiejahres stehen wir vor vielen Unbekannten. Ganz klar ist gerade nur eins: Der Streit um politische Antworten auf die Pandemie bleibt nötig.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Wahlverhalten junger Menschen
Misstrauensvotum gegen die Alten
Polarisierung im Wahlkampf
„Gut“ und „böse“ sind frei erfunden
Donald Trump zu Ukraine
Trump bezeichnet Selenskyj als Diktator
Berlinale-Rückblick
Verleugnung der Gegenwart
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt