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Corona-MaßnahmenWeiter streiten!

Gereon Asmuth
Kommentar von Gereon Asmuth

Die Zahl der Neuinfektionen sinken, trotzdem sterben weiter viele Menschen. Corona wird zum Dauerzustand und so auch die Debatte um die Maßnahmen.

Was denn jetzt – Maske ja oder nein? Foto: Peter Kneffel/dpa

D ie gute Nachricht gleich vorweg. Diese Woche wurden so wenig Corona-Infektionen wie seit über einem Jahr nicht mehr registriert. Das ist doppelt gut. Denn in den ersten beiden Pandemiejahren zeigten die Kurven im November stets steil nach oben – was zu annähernd 6.000 Toten ausgerechnet in der Weihnachtswoche vor zwei Jahren führte. Von solchen Extremwerten sind wir zum Glück in diesem Advent weit entfernt. Eine neue, schlimmere Coronavariante ist zwar nicht auszuschließen, aktuell aber auch nicht in Sicht.

Haben die vier Bundesländer, die jüngst die Isolationspflicht ausgesetzt haben, recht? Ist es nicht überfällig, die Maskenpflicht im Nahverkehr aufzuheben, wie es Bayern und Schleswig-Holstein vorschlagen? Nun, ganz so einfach ist es leider nicht.

Denn die schlechte Nachricht lautet: Die Zahlen von heute sind mit denen der ersten beiden Pandemiejahre nicht eins zu eins vergleichbar. Weil in diesem Herbst deutlich weniger getestet wird, werden auch weniger Infektionen gefunden. Die Dunkelziffer wächst. Dummerweise verschwindet die Pandemie nicht, bloß weil man nicht mehr so genau hinschaut. Aktuell werden in unschöner Beständigkeit Woche für Woche rund 1.000 weitere Coronatote vom Robert-Koch-Institut gezählt.

Also liegt Gesundheitsminister Karl Lauterbach richtig, der nicht müde wird, vor bald schnell wieder steigenden Zahlen zu warnen? Nur wie passt das dann mit Christian Drosten zusammen? Der Virologe von der Berliner Charité hat gerade in einem Zeit-Interview vom Ende der Pandemie gesprochen. Wenn nicht mal mehr die populärsten Vertreter vom Team Wissenschaft auf einer Linie liegen, wem soll man dann noch folgen?

Tatsächlich liegen Lauterbach und Drosten nicht weit auseinander. Auch der Virologe rechnet mit steigenden Zahlen im Winter. Er blickt nur weiter, erkennt im schnelleren Auf und Ab der Wellen ein Anzeichen dafür, dass Corona endemisch wird.

Die Spitzen der Coronawellen sind nicht mehr so hoch. Aber auch die Täler sind nicht mehr so tief. In einer Endemie ist Corona nicht weg. Es wird nur normal. Ein Dauerzustand. Das muss kein Drama sein. Vor allem dank der Impfungen wurde in Deutschland ein hoher Grad an Immunität erreicht, der weite Teile der Bevölkerung vor schwerer Erkrankung oder gar Tod schützt.

Aber was ist mit Long Covid? Was mit dem Schutz besonders gefährdeter Menschen und dem Risiko, dass aus weniger geimpften Teilen der Welt doch eine Supervariante auftaucht? Auch am Ende des dritten Pandemiejahres stehen wir vor vielen Unbekannten. Ganz klar ist gerade nur eins: Der Streit um politische Antworten auf die Pandemie bleibt nötig.

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Gereon Asmuth
Ressortleiter taz-Regie
Leiter des Regie-Ressorts, das die zentrale Planung der taz-Themen für Online und Print koordiniert. Seit 1995 bei der taz als Autor, CvD und ab 2005 Leiter der Berlin-Redaktion. 2012 bis 2019 Leiter der taz.eins-Redaktion, die die ersten fünf Seiten der gedruckten taz produziert. Hat in Bochum, Berlin und Barcelona Wirtschaft, Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation und ein wenig Kunst studiert. Mehr unter gereonasmuth.de. Twitter: @gereonas Mastodon: @gereonas@social.anoxinon.de Foto: Anke Phoebe Peters
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10 Kommentare

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  • Unschöne Beständigkeiten

    Zitat: „Aktuell werden in unschöner Beständigkeit Woche für Woche rund 1.000 weitere Coronatote vom Robert-Koch-Institut gezählt.“

    Permanent wird mit unschöner Beständigkeit bei diesem Bodycounting offengelassen, in welchem Maße eine vorausgegangene Sars-Cov-2 Infektion die zweifelsfrei diagnostizierte primordiale Todesursache war, d. h. ob es sich um Todesfälle handelt, die ohne eine solche Infektion nicht aufgetreten wären. Geren Asmuth selbst hat in diesen Spalten daher zu Recht die geringe Aussagekraft dieser Zahl beklagt, denn es bleibe unklar, wie viele davon wirklich pandemiebedingt seien. Ähnliches gelte für die zunehmende Zahl von Intensivpatienten, bei denen Covid-19 nicht die Hauptdiagnose und folglich den Einlieferungsgrund darstellt. So verliere auch diese Zahl „als Gradmesser für die Schwere der Erkrankungen durch Corona ohne diese Unterscheidung an Aussagekraft.“ (Taz, 13.10.)

    Mit gleicher „unschöner Beständigkeit“ bleibt auch eine weitere Merkwürdigkeit unerklärt: Aus welchem Grunde ist die Sars-Cov-2 zugeschriebene Letalitätstsrate seit Jahresbeginn ausgerechnet in Deutschland mit 0,04 % viermal so hoch wie im globalen Durchschnitt (0,01%)? (Quelle: Tagesspiegel)

    Es bleibt also in der Tat eine Menge zu streiten.

    • @Reinhardt Gutsche:

      Wenn man einfach alle Todesfälle "im Zusammenhang mit dem Coronavirus" zur Berechnung der Letalität heranzieht, dann kommt man vermutlich zu diesem Ergebnis.

      • @Co-Bold:

        Kreative Zählweisen?

        Zitat @Co-Bold: „Wenn man einfach alle Todesfälle "im Zusammenhang mit dem Coronavirus" zur Berechnung der Letalität heranzieht, dann kommt man vermutlich zu diesem Ergebnis.“

        Eine solch kreative Zählweise darf man auch allen anderen Ländern unterstellen. Daran kann es folglich nicht liegen, daß die Letalitätsrate seit Jahresbeginn in Deutschland viermal so hoch ist wie im globalen Durchschnitt. Aber woran dann?

  • Ja sterben sie denn wirklich? Bzw. woran? Ich meine mich zu erinnern, dass es in den vergangenen en Jahren zwischenzeitlich mal eine Lösung für diese "Gretchenfrage" gab, dass zumindest in einigen Bundesländern nach "an" und "mit" unterschieden wurde. Hier in Bremen auf jeden Fall. Aber aufgrund irgendwelcher neuen Zählweisen findet das nun nicht mehr statt. Da hat man sich mal wieder nen Bärendienst mit erwiesen.

  • Streiten ist immer gut. Wir müssen trotzdem von der Dominanz des Coronathemas loskommen. Zu tief sitzen die einstudierten Schemata.



    Reine Inzidenzzahlen zu bewerten ist jetzt nutzlos - siehe geringe Zahl der Testungen.



    Die Todeszahlen alleine helfen uns aber auch nicht weiter, entscheidend sind die Details:



    - interessant ist nicht die absolute Zahl, sondern der Anteil der Todesfälle mit Corona an der Gesamtzahl der Todesfälle pro Woche



    - um diese Zahl dann genauer zu interpretieren, müssen wir sie mit anderen Zahlen korrelieren, v.a. mit den Inzidenzen in komplett getesteten Kollektiven, also z.B. die sog. Hospitalisierungsinzidenz, oder auch die Positivenrate unter Ärzt*innen in Kliniken.



    Wenn die Inzidenz der "Coronatodesfälle" bezogen auf alle Todesfälle gleich, oder nur wenig höher ist, als die Inzidenz von Coronainfektionen im komplett getesteten Kollektiv, dann wäre die Schlussfolgerung, dass es eigentlich gar keine Coronatodesfälle mehr gäbe, bzw. einfach ein gewisser Anteil derjenigen, die gerade sterben halt auch Corona hat.

    Zu Beginn der Pandemie wurde von Querdenkerseite immer das Argument gebracht - an oder mit Corona gestorben? Was damals eine Verhöhnung der Opfer war, ist heute eine sehr angebrachte Frage!

    Menschen, die schwerkrank sind, sterben z.B. auch an vermeintlich harmlosen Erkältungsviren - es ist der Tropfen, der das Fass zum überlaufen bringt. Da diese Menschen mittlerweile alle geimpft/genesen sind, ist die Auswirkung von COVID nicht mehr so dramatisch und es ist fraglich, in wie vielen Fällen tatsächlich COVID selbst noch eine schwere todbringende Erkrankung ist.

    Schauen wir uns die Sentinelpraxen an (RKI Grippeweb): Welche Erkrankung wird wie häufig festgestellt, wenn Menschen wegen Atemwegserkrankungen den Arzt konsultieren?



    1. Platz Influenza,



    2. Platz Rhinoviren



    Corona: unter ferner liefen...

    Meine Message: lasst euch gegen Grippe impfen und vergesst Corona (erstmal)!

    • @Ringsle:

      Framing-Mätzchen

      Zitat @Ringsle: „Welche Erkrankung wird wie häufig festgestellt, wenn Menschen wegen Atemwegserkrankungen den Arzt konsultieren?“

      Dies wäre in der Tat wohl der wichtigste Parameter für die gesundheitspolitische Beurteilung des Infektionsgeschehens und dessen momentane Gefährdung der medizinischen Infrastruktur. Um so merkwürdiger ist seit geraumer Zeit im Corona-Dashboard des "Tagesspiegel" die Praxis, unter „Arztbesuchen“ und „Krankenhausbehandlungen“ jeweils die Zahlen „mit Atemwegsinfekt und (sic!) Covid“ zusammen aufzuführen, als ob es sich bei beidem um zwei distinktive, gleichrangige Diagnosen handele und das zweite nicht eine Teilmenge des ersteren wäre. Diese semantisch-statistische Kreativität, beides gemixt in einen Topf zu werfen, hat den Vorteil, die Corona-Zahlen hochzuföhnen und damit ungebrochen gewaltig aussehen zu lassen.

      Aber solche Framing-Mätzchen sind ja in der amtlichen Beschreibung des Ausmaßes der Corona-Pandemie wahrlich nichts Neues.

      • @Reinhardt Gutsche:

        Ich bin bzgl. Corona wahrlich kein Tagesspiegel Fan, aber was Sie hier sagen stimmt nicht. Im TSP Dashboard sind die Zahlen der Atemwegserkrankungen, die Corona haben aufgeführt. Quasi als Indikator, wie der Corona-Trend ist, dafür auch geeignet. Die Atemwegserkrankungen ohne Corona sind nicht inkludiert.

        Aus Public Health Sicht ist aber zunehmend interessanter, wie die anderen Erkrankungen im Vergleich dazu dastehen, und zwar vor allem bei SARI/schweren Atemwegserkrankungen. Dort ist Covid momentan gleichauf mit Influenza, nur dass Influenza stark ansteigt und Covid stark abfällt.

        • @Ringsle:

          Zitat @Ringsle: „@Reinhardt Gutsche Ich bin bzgl. Corona wahrlich kein Tagesspiegel Fan, aber was Sie hier sagen stimmt nicht. Im TSP Dashboard sind die Zahlen der Atemwegserkrankungen, die Corona haben aufgeführt. Quasi als Indikator, wie der Corona-Trend ist, dafür auch geeignet. Die Atemwegserkrankungen ohne Corona sind nicht inkludiert.“

          Pardon, aber trotz abermaliger Betrachtung des betreffenden Abschnittes des täglichen Corona-Dashboards vom „Tagesspiegel“ sind unter der Rubrik „Arztbesuche mit Atemwegsinfekt und Covid“ sowie „Krankenhausbehandlungen mit schwerem Atemwegs­infekt und Covid“ keine Differenzierung beider Parameter nach Atemwegsinfekte insgesamt und Corona im besonderen erkennbar. Beides wird jeweils zusammengerührt. Andernfalls müßte es heißen: „Arztbesuche resp. Krankenhausaufenbthalte mit Atemwegsinfekt wegen einer Corona-Infektion“ und nicht „und“. Danach ist die Zahl der „Arztbesuche mit Atemwegsinfekt und Covid“ von 557/100 T. in der KW 40 auf aktuell 133 KW gesunken. Bei den diesbzüglichen Krankenhausbehandlungen ist eine Absenkung für den Vergleichszeitraum von 10,3/100 T. zu 2,3 /100 T. ausgewiesen. Wieviel Patienten mit exklusiv einem der Covid-Diagnoseschlüssel darunter sind, geht aus diesen beiden Grafiken eben nicht hervor. Andere sind nicht zu finden, jedenfalls hier nicht. Danke für nähere Hinweise.

          Übrigens gehöre auch ich nicht zum Fan-Club des „Tagesspiegels“. Aber das täglich aktualisierte Corona-Dashboard ist ausgezeichnet.

          • @Reinhardt Gutsche:

            Die gesuchten Daten finden sich hier:



            influenza.rki.de/W...2_2023/2022-46.pdf

            Es ist ungeschickt formuliert im TSP.

            • @Ringsle:

              Alles Corona oder was?

              Zitat @Ringsle: „Die gesuchten Daten finden sich hier: influenza.rki.de/W...2_2023/2022-46.pdf



              Es ist ungeschickt formuliert im TSP.“

              Danke für diesen Tip. Jetzt wird es wirklich klarer. Aber wer liest schon die ARE-Wochenberichte? Darin ist immerhin Erstaunliches zu finden: „Im Rahmen der ICD-10-Code basierten Krankenhaussurveillance (ICOSARI) ist die Zahl schwerer akuter respiratorischer Infektionen (SARI) insgesamt leicht gestiegen. Der Anteil der mit einer schweren Atemwegserkrankung hospitalisierten Patientinnen und Patienten mit einer COVID-19-Diagnose ist erneut gesunken und lag in der 46. KW bei insgesamt 10 %.“ Dies würde bedeuten, daß von den im TSP verzeichneten „Krankenhausbehandlungen mit schwerem Atemwegsinfekt und Covid“, aktuell 2,3 /100 T, nur jede Zehnte mit einer Covid-Diagnose erfolgt, d. h. laum mehr als 2 Patienten /1 Million. Genau diese Teilmenge der originär Covid-Patienten von der Gesamtzahl der ARE-Patienten wird in der TSP-Grafik wissentlich verschleiert. Die Formulierung dazu ist nicht „ungeschickt“, sondern nachgerade eine Täuschung, denn sie insinuiert eine Identität von der Teilmenge und dem Ganzen.

              Aber es kommt noch schöner: „Die ARE-Aktivität ist in der 46. KW 2022 auf die Ko-Zirkulation verschiedener Atemwegserreger zurückzuführen, dabei verursachten hauptsächlich Influenzaviren und RSV akute Atemwegserkrankungen... Sowohl RSV als auch Influenzaviren sollten im stationären Bereich differentialdiagnostisch zu SARS- CoV-2 berücksichtigt werden.“ (RKI, Arbeitsgemeinschaft Influenza, ARE-Wochenbericht KW 46)

              In der Evidenz der „Ko-Zirkulation verschiedener Atemwegserreger“ liegt wohl der statistische Hund beim Perception-Management begraben: Jedes kleine Erkältungssyndrom wird nach per PCR-Test detektiertem Coronaschnipsel seit Beginn der Zählerei umstandslos unter „Covid“ rubriziert, ohne nach möglichen anderen der ko-zirkulierenden Erregern zu suchen und differentialdiagnostisch kausal zuzuordnen.