piwik no script img

Corona-Lockerungen in DeutschlandRiskanter Wettstreit gestoppt

Malte Kreutzfeldt
Kommentar von Malte Kreutzfeldt

Bundeskanzlerin Merkel setzt auf ein einheitliches Vorgehen gegen Corona. Eine schnelle Rückkehr zur Normalität lehnt sie ab. Das ist richtig.

Merkel setzt auf Bedacht und mahnt zur Einheit Foto: reuters

E s war ein merkwürdiger Wettlauf, der in den letzten Tagen zu beobachten war: Wer ruft am lautesten nach einem Exit aus den Coronabeschränkungen? Wo öffnen die Schulen zuerst wieder? Sachliche Argumente standen dabei selten im Mittelpunkt. Eher schien es darum zu gehen, als Kandidat für den CDU-Vorsitz oder Chef einer derzeit kaum gefragten Oppositionspartei nicht völlig in Vergessenheit zu geraten.

Doch diesem gefährlichen Profilierungswettkampf hat Angela Merkel nun zum Glück Einhalt geboten. In einer Videokonferenz mit den MinisterpräsidentInnen hat die Kanzlerin die Bundesländer auf ein einheitliches Vorgehen eingeschworen und einem überstürzten Ausstieg aus den Anti-Corona-Maßnahmen eine Absage erteilt. Insgesamt scheint dabei ein guter Kompromiss herausgekommen zu sein:

Geschäfte und manche öffentlichen Einrichtungen dürfen schrittweise wieder öffnen, was vertretbar erscheint. Wenn Drogerien und Bäckereien mit Trennwänden und Abstandsregeln einen sicheren Einkauf gewährleisten können, müsste das auch in Kleidungsgeschäften und Bibliotheken möglich sein. Großveranstaltungen bleiben dagegen bis mindestens Ende August verboten, Restaurants und Clubs müssen zunächst ebenfalls dicht bleiben.

Und auch die Schulen, wo im Unterricht und vor allem in den Schulbussen der nötige Sicherheitsabstand derzeit überhaupt nicht zu gewährleisten wäre, bleiben noch mindestens zwei weitere Wochen geschlossen. Das Verbot, sich in Gruppen zu treffen, bleibt ebenfalls erst mal bestehen. Gerade jenen, die unter den Beschränkungen wirtschaftlich oder psychologisch stark leiden, mag das alles zu langsam gehen. Aber es ist richtig. Denn die Coronagefahr ist keineswegs gebannt.

Zwar ist die Zahl der Neuinfektionen zuletzt deutlich gesunken, aber sie ist immer noch viel zu hoch, um die Fälle einzeln rückverfolgen zu können. Ohne die Beschränkungen würden die Infektionen – und damit auch die schweren Verläufe und die Todesfälle – schnell wieder steigen. Außerdem wurden die vergangenen Wochen leider nicht genutzt, um die Testkapazität wie versprochen so zu steigern, wie es für eine Kontrolle der Epidemie notwendig wäre.

Und auch Masken sind weiterhin so knapp, dass die Regierung sich bisher nicht traut, das Tragen in Geschäften oder öffentlichen Verkehrsmitteln zur Pflicht zu machen, sondern es nur dringend empfiehlt. Das alles zeigt: Wenn es schon einen Wettbewerb geben soll, dann bitte nicht darum, wer zuerst die Beschränkungen aufhebt. Sondern darum, wie sich am besten die Voraussetzungen dafür schaffen lassen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Malte Kreutzfeldt
ehemaliger Redakteur
Jahrgang 1971, war bis September 2022 Korrespondent für Wirtschaft und Umwelt im Parlamentsbüro der taz. Er hat in Göttingen und Berkeley Biologie, Politik und Englisch studiert, sich dabei umweltpolitisch und globalisierungskritisch engagiert und später bei der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen in Kassel volontiert.   Für seine Aufdeckung der Rechenfehler von Lungenarzt Dr. Dieter Köhler wurde er 2019 vom Medium Magazin als Journalist des Jahres in der Kategorie Wissenschaft ausgezeichnet. Zudem erhielt er 2019 den Umwelt-Medienpreis der DUH in der Kategorie Print.
Mehr zum Thema

11 Kommentare

 / 
  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Der Kommentar enthält bereits in der Unterüberschrift einen dicken Lapsus:

    eine Rückkehr zu NORMALITÄT kann es schon deswegen nicht geben, weil es bereits vor Corona keine Normalität mehr gab.

    Die fälschlicherweise bezeichnete Normalität zeichnete sich nicht dadurch aus, dass sie normal gewesen sei - sondern nur weit verbreitet.

    Zur Vertiefung seien die beiden Bücher von Reza Madjderey empfohlen:

    - Normopathen, Die eingebildeten Gesunden

    - Normopathen, Gibt es ein Leben vor dem Tod?

  • Ich bin etwas erleichtert, dass Laschet etwas ausgebremst wurde.



    Insbesondere für die Wiederaufnahme eines Teils des Unterrichtsbetriebes fehlen an sehr vielen Schulen die sanitären Voraussetzungen. Außerdem wäre es unverantwortlich, den Betroffenen nicht die notwendigen Schutzmasken kostenlos zur Verfügung zu stellen.



    Selbst gebastelte Masken jetzt aufgrund eines Mangels schon der einfachen OP Masken grundsätzlich als nützlich zu betrachten, ist fahrlässig. Das Motto "Besser als garnichts" ist denkbar ungünstig für einen Exit.

  • Zu der Coronakrise die ja abzuwarten war kann man nur versuchen nicht so versteift an die Sache ranzugehen. KINDER werden ja nicht dumm, wenn die Schule vorübergehend geschlossen bleibt..

    • @Dennis Brümmer:

      Mein ironischer Gedanke dazu:

      Am Beispiel der Kinder der Kelly Familie könnte man u.U. den Nachweis erbringen, dass der Bildungsstand dieser Kinder besser ist als der von Absolventen öffentlicher Bildungseinrichtungen.

  • baby-trump!!!:

    das beste kam ganz am anfang vor den reden: söder: "doch anders gemacht" (damit meinte er dei sitzordnung in der pressekonferenz) merkel: "ne,nee, falsch gemacht, wir machen es mal so, du gehtst da nach hinter".

    söder ist jetzt sehr oft mit merkel in presseterminen. wird es söder als kanzlerkanditaten geben ????

  • Aus diesen Gründen stellen sich vier Forscher gegen den schnellen Exit

    www.tagesspiegel.d...exit/25738772.html

  • Je länger der Lockdown dauert, desto mehr können wir diese Ruhe genießen. Jetzt im Frühling ist es wichtiger, tagsüber durch die Wälder zu streifen, als abends in Kneipen zu hocken.

  • 9G
    90118 (Profil gelöscht)

    erfreulicherweise wird deutschland nicht von einem baby-trump regiert.



    im moment ist das wirklich beruhigend.



    selbst der shrek lässt nach und macht konstruktive arbeit.

  • Also, im Grunde heißt das: Alles geht, nur die Menschen selber sollen darauf achten, dass sie Abstand halten, ob sie das können oder nicht. Wie macht das eigentlich die Mindestlohn-Minijobberin im Laden? Warum gilt eigentlich nicht wenigstens für Angestellte im Einzelhandel eine Maskenpflicht? Da gibt es ja auch eine Feuerlöscherpflicht etc., warum also keine Maskenpflicht?

    Ich werde weiterhin meine Kommerzkontakte zu Fremden minimieren, gerade zu Fremden, die jeden Tag mit tausend anderen Fremden in 80 Zentimetern Abstand Geld kassieren. Ich bin doch nicht blöd! Mit den vier Leuten, die ich fast täglich sehe, kann ich infektionswahrscheinlichkeitsmäßig leben, aber mit Leuten, die jeden Tag von 1000 Leuten ins Gesicht gespuckt wird, möchte ich gerade möglichst wenig zu tun haben, wenn sie nicht wenigstens eine Maske tragen.

    Dieses Abwälzen des Problems auf den Einzelnen hat schon was zynisches. Aber Ok, kann ich machen. Wundert euch dann aber nicht über Umsatzprobleme, da bestelle ich das lieber online und lasse es mir vor die Tür legen, das ist gesünder für alle. Dass Amazon sich gerade eine goldene Nase verdient, wundert mich überhaupt nicht. Zum Glück gibt es hier viele asiatische Läden, wo alle eine Maske tragen, da kaufe ich dann gerne ein.

    • @Mustardman:

      Nicht "die anderen" sollen Maske tragen. Sie sollen dafür sorgen, dass Sie nicht einer dieser "1000 Leuten" sind, die den Menschen an der Kasse "ins Gesicht spucken".

      Es geht zwar nicht aus Ihrem Text hervor, aber ich hoffe, Sie tun es.

      Ich hatte eine olle Staubschutzmaske aus dem Baumarkt herumliegen (FFP1, ein Erinnerungsstück). Die ziehe ich schon lange auf, wenn ich einkaufen gehe. Das gebietet die Solidarität.

      Pflicht? Ich fände es gut, wenn's ohne klappt.

      • @tomás zerolo:

        Ich gehe schon seit Wochen ohne Maske nirgendwo rein...