Corona-Impfpflicht, Wahlen in Ungarn: FDP zwischen Promille und Kubicki
Die EU zahlt Russland jeden Tag 1 Milliarde Euro für gelieferte Energie. In Deutschland fordert man mehr Waffen für die Ukraine.
taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?
Friedrich Küppersbusch: Mario Barth fliegt ohne Maske aus der Bundesbahn.
Und was wird besser in dieser?
Helmut Schmidt grüßt rauchend aus der ewigen Ersten Klasse.
Nach monatelanger Vorbereitungszeit sind alle Anträge für und auch gegen eine Impfpflicht am Donnerstag im Bundestag gescheitert. Woran hat es gelegen?
An der Mehrheit. FDP und Grüne hatten Merkel harsch getadelt, als sie übers Parlament hinweg mit den MinisterpräsidentInnen regierte. Konsequent ging’s nun diesmal ab durch die Mitte, geradeaus vor die Wand. Schade, damit entsteht der Eindruck, Parlamentarismus sei auch nicht besser als die Kungeljunta der GroKo. Bei der FDP muss man zudem immer abwägen, „sind es noch Promille oder ist es schon Kubicki“. Bei tatsächlicher Gewissensfreiheit und etwas mehr Regierungsregie hätte es eine Mehrheit geben können.
Vergangenen Sonntag gingen die Bilder der Leichen auf den Straßen von Butscha in der Ukraine um die Welt. Und was macht Deutschland?
Deutschland ist traditionell zweitgrößter Geldgeber der Ukraine, nimmt vergleichsweise herzlich Flüchtlinge auf und bricht gerade alle Zurückhaltung bei Waffenlieferungen. Unter der moralischen Wucht der Bilder und Worte aus der Ukraine bedauert das Staatsoberhaupt seine Politik der letzten 20, FDP-Veteran Kubicki gleich die letzten 50 Jahre. Die öffentliche Debatte ist eskalatorisch: Mehr und schwerere Waffen, mehr Sanktionen, mehr Drohungen. Wir können das nicht, es hilft auch nicht, aber wir haben kein anderes Deutschland im Schrank.
Die EU-Staaten zahlen Russland jeden Tag 1 Milliarde Euro für die gelieferte Energie. Nun soll erst mal über ein Sanktionspaket gegen Russland abgestimmt werden, das ein Einfuhrverbot unter anderem für Steinkohle, Holz und Wodka fordert. Wäre Gas statt Wodka nicht die bessere Alternative?
Klar. Es wäre auch logisch, die deutsche Wirtschaft abrauchen zu lassen, um höhere Verteidigungszahlungen leisten zu können. Gut, dass die Grünen aus dem Wahlkampf nicht in die Regierung gekommen sind, sondern irgendwie andere. Die hätten einander viel zu erzählen.
Viktor Orbán hat zum vierten Mal in Folge die Wahlen in Ungarn gewonnen. Im Parlament holte seine Partei Fidesz eine Zweidrittelmehrheit. Was können wir von Ungarn lernen?
Dass 53 Prozent zwei Drittel sind. Und dass man als Putin-Kumpel einen Anti-Putin-Wahlkampf führen und gewinnen kann. Lauter Dinge, die man gar nicht wissen will. Die EU steht vor der heiklen Wende, nicht mehr wie eine Drückerkolonne jedem noch ein Abo anzuschwindeln, der gerade kein Geld hat – hin zu einem womöglich exklusiven Kreis derer, die Werte teilen. Andere als den Euro.
Mittwochmorgen hat die Polizei bei einer Großrazzia bundesweit 61 Wohnungen von Rechtsextremen durchsucht. Unter anderem planten einige von ihnen, in Eisenach einen „Nazi-Kiez“ zu etablieren. Vier Neonazis wurden festgenommen. Ein Erfolg für den demokratischen Rechtsstaat?
Dann wäre Horst Seehofer ein toller Innenminister gewesen. Der bayerische Verbietbär hat reichlich NS-Sekten eingesammelt, sich in der Eigenfunzel des starken Mannes gesonnt und zugleich den Graswurzelkampf gegen rechts vernachlässigt, aus ideologischen Motiven. Hier will Faeser ansetzen.
Dem FC Bayern wird der zwischenzeitliche Einsatz von zwölf Spielern vom Sportgericht nicht angelastet, es sei der Fehler der Referees gewesen. Erheben Sie Einspruch?
Die „Teammanagerin“ des FC Bayern hat eine falsche Rückennummer angezeigt, der nicht angezeigte Spieler ging auch nicht vom Platz. Das wäre auch komplett ohne Schiri so gewesen. Als Teammanagerin der Bayern würde ich nun öfters mal ’ne falsche Nummer hochhalten.
Eine Woche Urlaub auf Mallorca soll NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) gemacht haben. Wenige Tage nach der Flutkatastrophe im Juli 2021. Nun hat sie am Donnerstag ihren Rücktritt erklärt. Wer folgt als nächstes?
Ministerpräsidenten-Azubi Wüst will nach innen Angriffsfläche abräumen. Und nach oben „Feuer frei“ auf die rheinland-pfälzische Ex-Ministerin Anne Spiegel unterstützen. NRW ist gerade Hort der Kunstaktion „Komplett Unbekannte auf grellen Farben“, das Land ist mit Wahlkampf tapeziert und jede Schlagzeile zählt.
Und was machen die Borussen?
Immer wenn ich im Freundeskreis eine stabile Mehrheit für den Verkauf von Julian „Wanderdüne“ Brandt zusammenhabe, macht er zwei Buden.
Fragen: Ruth Fuentes, Alina Schwermer
Leser*innenkommentare
Fail Again
"Die öffentliche Debatte ist eskalatorisch: Mehr und schwerere Waffen, mehr Sanktionen, mehr Drohungen. Wir können das nicht, es hilft auch nicht, aber wir haben kein anderes Deutschland im Schrank."
... und die taz ist dabei ...
Lowandorder
@Fail Again indeed •