piwik no script img

Corona-Ausbrüche in SchlachthöfenSchluss mit Subunternehmen

Die Bundesregierung will große Schlachtbetriebe zum Einsatz eigener Arbeiter verpflichten. Es ist eine späte Reaktion auf alte Missstände.

Organisierte Verantwortungslosigkeit: Subunternehmen werden mit dem schlachten beauftragt Foto: Armin Weigel/dpa

Berlin taz | Tönnies, Westfleisch oder Vion müssen sich sich umstellen. Ab dem kommenden Jahr dürfen Fleischkonzerne, deren Kerngeschäft das Schlachten ist, keine Subunternehmen mehr mit den Arbeiten betrauen. Das hat das Bundeskabinett auf Betreiben von Sozialminister Hubertus Heil (SPD) nun beschlossen. „Besonders wichtig ist mir, dass wir die organisierte Verantwortungslosigkeit in Subunternehmerkonstruktionen beenden“, sagte der Minister anschließend.

Anlass sind die jüngsten Ausbrüche von Coronainfektionen bei ausländische Arbeitern in einigen Zerlegebetrieben. Dabei gerieten die seit langem bekannten Defizite in den Wohnheimen und an den Arbeitsplätzen selbst wieder ans Licht. „Diese Missstände sind unwürdig und gefährlich“, betont Heil, der sein Vorhaben in einem Zehn-Punkte-Plan zusammengefasst hat.

Demnach wird das Arbeitsschutzgesetz dahingehend novelliert, dass Risikobranchen künftig stärker kontrolliert werden. Der Minister will den dafür zuständigen Ländern eine verbindliche Kontrollquote vorgeben. Noch unklar ist, wie die Unterbringung der Werksarbeiter verbessert werden kann. Die Bundesregierung will prüfen, wie die Unternehmen zur Einhaltung von Mindeststandards in den Wohnheimen verpflichtet werden können. Die Unternehmen werden darüber hinaus dazu verpflichtet, die Behörden über die Wohn- oder Einsatzorte ausländischer Arbeiter zu informieren.

Kernpunkt ist das Verbot von Werkvertragsgestaltungen. Ab dem 1. Januar 2021 ist das Schlachten und Verarbeiten von Fleisch nur noch Betriebsangehörigen, also eigenen Arbeitern erlaubt. Das gilt für große Betriebe, deren Kerngeschäft dies ist. Handwerkliche Schlachtbetriebe sind davon ausgenommen.

Höhere Strafen für Verstöße

Weitere Vorschriften ergänzen den Schutz der Arbeitnehmer. Unter dem Namen „Faire Mobilität“ will Heil sicherstellen, dass Unternehmen diese in ihrer Heimatsprache über die hier geltenden rechtlichen Vorschriften informieren. Auch sollen die Arbeitszeit digital erfasst und Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz mit künftig 30.000 Euro statt bisher mit 15.000 Euro bestraft werden. Schließlich werden ausländische Botschaften durch das Arbeits- und das Landwirtschaftsministerium zeitnah über Krankheitsausbrüche bei Arbeitern aus deren Ländern informiert.

Das Paket will Heil schnell umsetzten. Dazu braucht er eine Mehrheit im Bundesrat. Die CDU unterstützt das Vorhaben. „Es gibt Zustände in der Fleischindustrie, die sind nicht haltbar“, räumt Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner ein. Der Einsatz von Subunternehmen gehe zulasten der Arbeiter. Rückendeckung gibt es auch von den Grünen, die allerdings weitergehende Forderungen erheben. „Die brutale Preistreiberei zulasten von Tieren, Bauern, Umwelt und Arbeitnehmern muss beendet werden“, verlangt Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter und erneuerte die Forderung nach einer Tierschutzabgabe. Diese könne artgerechte Haltung finanzieren.

Die Missstände in den Zerlegebetrieben großer Konzerne sind seit Jahren bekannt. Getan wurde dagegen zu wenig, wie sich jetzt zeigt. Dominiert wird dieses Geschäft von wenigen Fleischkonzernen. An die Spitze steht das Unternehmen Tönnies, dessen Besitzer vielen auch als Präsident von Schalke 04 bekannt ist. Auf dem zweiten Platz steht Westfleisch, dessen Name den meisten Menschen erst durch den heftigen Ausbruch von Corona-Infektionen in der vergangenen Woche geläufig geworden ist. Der Handlungsdruck steigt mit den Ausbrüchen auch, weil damit die Lockerung der Beschränkungen für die Bevölkerung in der Umgebung zurückgefahren werden muss.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
  • Ja wo waren denn unsere gewählten Volksvertreter während der 1. 2. 3. Lesung ?



    Jetzt so zu tun als ob das alles Neu wäre ist eine bodenlose Frechheit.



    Das sind ja schließlich keine Hinterbänkler die sich da jetzt zu Wort melden.

    Also wirklich !



    Das kann man sich doch nur so erklären, dass diese Leute bei den Gesetzeslesungen gefehlt haben.



    Vermutlich hat man geschlossen im Hinterzimmer die Parteispenden gezählt.

  • Scheinheilig ist die Empörung der Bundesregenten im Falle von Westfleisch. Getreu der obersten Maxime des Neoliberalismus ist es Aufgabe des Staates aktiv die Profite der Unternehmer zu mehren und dagegen die Arbeitnehmer ausbeuten zu lassen. Dieses Modell funktioniert doch bereits seit über einem Jahrzehnt. Jetzt, wo die Coronverbreitung die Biodeutschen beeinträchtigt, wird darüber nachgedacht, wie man eine typische Bundesbetrugslösung finden kann. Die SPD-Regelung wird am Ende für die Fleischvermarkter noch zu höheren Profiten führen und das dumme Wahlvolk wird wieder zugenebelt - SPD eben.

    Ein konsequentes Verbot des Werkvertrages für Menschen als Vertragsgegenstand ist juristisch sauber und hinterlässt keine Lücken mehr. Dann gehen eben diese Unternehmen pleite. Seit wann ist es Aufgabe eines grundgesetzlich verankerten Sozialstaates Privatprofite zu subventionieren? Das mag in den perversen Denkstrukturen eines CDU/CSU-Mitglieds vorkommen, ist aber pathologischer Natur.

    Ein Unternehmen, was sich nicht rechnet, geht eben in die Insolvenz, so einfach ist das, was viele Kleinunternehmer durch die Politik der Bundesregierung bestätigen werden.

    Aber bei Parteispendern ist das natürlich eine andere Sache. Man nennt dies auch Korruption.

  • Die Werkvertrags- und Leiharbeitsbranche in Deutschland sollte sich am französischen Modell orientieren: kann man als Unternehmer machen, die Betroffenen erhalten aber eklatant mehr Lohn als Festangestellte. Hier in Deutschland wurden die Unternehmen wieder doppelt bedacht: Werkverträge, Leiharbeit UND geringerer Lohn für die Betroffenen. Dass Politiker sich nun über den Missbrauch echauffieren ist ein Witz. Mit der Verpflichtung mehr Lohn gegen weniger Sicherheit wäre hier ein ganz anderes Spielfeld aufgemacht worden. Aber ist halt Deutschland.....

  • gibt es dann auch eine mindestmiete ? die die herstellkosten von wohnraum zu fairen herstellkosten für die bauarbeiter und unter der aktuellen energiesparverordnung wiederspiegelt ? kleiner tip die miete wäre über dem berliner mietendeckel......... von profit für den vermieter bzw der baufirma ist da noch nicht die rede......

  • Ausbeutung als Geschäftsmodell.

    Sie wollen nur ihr Ausbeuter- und Dividenden-Paradies behalten!

    Mein Verwandter berichte vor Jahren vom Rauswurf der gelernten Fleischer aus Großbetrieben für Fleisch- und Wurstwaren.

    Er selbst sprach als Schichtleiter mit dem Eigentümer über die schlechte Verarbeitung der Fleischwaren beim Einsatz von osteuropäischen Billigarbeitern. Außerhalb des Betriebes würden sich gut qualifizierte Fachkräfte mit einem Gesellenbrief befinden, bei deren Einstellung und Beschäftigung könnte auch die Qualität der Waren gesichert werden. Aber der Inhaber lehnte diesen Vorschlag ab, auch mit dem Verweis auf die geringen Lohnkosten der osteuropäischen Billigarbeiter. Selbst wenn man den Verschnitt gelegentlich auch noch wegwerfen müsste, wäre für ihn die Gewinnspanne immer noch deutlich höher, als wenn er qualifiziertes, aber teures Personal beschäftigen und bezahlen müsste.

    PS: Geradezu sprichwörtlich befanden sich die Qualifizierten vor dem Werktor in Arbeitslosigkeit und die Billigarbeitskräfte bei einer Schicht von 10 bis 14 Stunden am Stück am Band im Betrieb.

  • Dabei wird natürlich vergessen, dass sich dadurch die Kostenstruktur dieser Unternehmen verschlechtert. Das hagt zur Folge, dass sie weniger Arbeitnehmer einstellen bzw. nicht alle Subunternehmer als echte Arbeitnehmer übernehmen. Arbeitslosigkeit ist die Folge sowie höhere heimische Fleischpreise und weniger Fleischproduktion in Deutschland. Nebenbei wird dann vermutlich mehr Fleisch importiert.

    Das kann ja vielleicht noch sinnvoll sein, wenn man das im wirtschaftlichen Aufschwung macht - dann finden die Menschen andere Arbeit und die Preissteigerungen fallen nicht so sehr ins Gewicht. Schließlich will man ja auch langfristig Fleischkonsum zugunsten von Vegetarischem senken. Eine Krise, in der Unternehmen ohnehin Probleme haben, ist aber so ziemlich der schlechteste Zeitpunkt für solche Maßnahmen. Man bedenke, dass neben der Corona-Hygiene-Maßnahmen jetzt auch noch arbeitsrechtliche Restrukturierungen notwendig sind, die das Management dieser Unternehmen möglicherweise überfordern werden.

    • @Elodin:

      Stimmt. Dann doch lieber weiter wie bisher.

  • es wäre eine gute idee, wenn leiharbeit und outsourcing abgeschafft wird. aber bitte nicht nur in der fleischindustrie. schauen sie sich an woher arbeiter auf großbaustellen kommen. und unter welchen bedingungen sie arbeiten müssen. und haben sie mal an abend auf autobahn-parkplätze geschaut, wie dort arbeiter aus fernen ländern, hausen müssen.



    also nachdenken und für alle eine lösung finden.