Comic-Legende Stan Lee ist tot: Superheld der Comicautoren
Er galt als „Shakespeare des 20. Jahrhunderts“. Stan Lee, der Erfinder der Marvel-Superhelden, ist mit 95 Jahren verstorben.
Er war das Gesicht des Marvel-Comic-Imperiums. Als Erfinder von unzähligen – einer jüngsten Schätzung nach rund 600 – Superhelden hatte er den Verlag und das „Marvel-Universum“ maßgeblich geprägt. In den letzten Dekaden hatte er in jeder Marvel-Verfilmung seinen Star-Gastauftritt, zuletzt in „Venom“. Nun starb Stan Lee im Alter von 95 Jahren.
Geboren 1922 als Stanley Lieber, begann er als Laufbursche beim Pulp-Verlag Timely, der von seinem Onkel Martin Goodman geführt wurde. Lee stieg bald in der Hierarchie auf, wurde zum Chefredakteur der Comicabteilung des Verlags, der – mehrfach umbenannt – 1962 zu Marvel wurde. Timely hatte schon 1941 mit „Captain America“ einen der beliebtesten Superhelden geschaffen.
Nach dem Krieg wurden die realen Feindbilder wie Adolf Hitler oder Josef Stalin jedoch rar, und die Begeisterung für übermenschliche Helden in wallenden Umhängen ebbte schnell ab, zumal das Fernsehen sich durchsetzte. Der Tiefpunkt für die Kunstform war mit der Schmähung der Comics durch Fredric Werthams zweifelhafte Studie „Seduction of the Innocent“ und die Einführung des „Comic Codes“ 1954 erreicht, einer Selbstzensur der Verlage.
In diese Zeit des Niedergangs vieler Comicverlage fällt der Aufstieg des Stan Lee. Ihm gelang es, zusammen mit zwei hochbegabten Zeichnern, Jack Kirby und Steve Ditko, das Superheldengenre nachhaltig wiederzubeleben.
Kosmische Strahlung
„Fantastic Four“ startete im November 1961 und gilt als Geburt des Silver Age der Superheldencomics. Zusammen mit „Captain America“-Zeichner Jack Kirby brachte Lee ein Team von Superhelden zusammen (Mr. Fantastic, The Thing, Invisible Girl/Woman, Human Torch). Auffallend war der menschliche Hintergrund der Superhelden, die durch kosmische Strahlung ihre Superkräfte erhalten.
Bald darauf folgte ein noch größerer Schub für das totgesagte Genre: Die Geburtsstunde von Peter Parker alias Spider-Man war eigentlich dem Untergang geweiht, denn dessen erste Geschichte erschien 1962 als Lückenfüller in der 15. und letzten Ausgabe des Hefts Amazing Fantasy, das wegen schlechter Verkaufszahlen eingestellt wurde. Doch dank der originellen Story um einen durchschnittlichen Jungen, der von einer radioaktiv verseuchten Spinne gebissen wird und so Superkräfte entwickelt, verkaufte sich das Heft massenhaft.
Schnell wurde ein neues Heft namens The Amazing Spider-Man aus der Taufe gehoben. Spider Man ist sichtlich beeinflusst vom 50er Jahre-Sci-Fi-Subgenre der Bug Movies („Tarantula“, „Formicula“), das Atomkriegsängste mit Insektenhorror verband. Neuartig war die Bodenständigkeit seines Helden, der als unbeliebter High-School-Teenager ganz normale Sorgen durchlebt und zugleich als Superheld seine Träume verwirklichen kann.
Stan Lee beschrieb sein Erfolgsrezept unter anderem so: „Ich sorgte dafür, dass dem Netzschwinger nie die witzigen Bemerkungen ausgingen. Junge Leute haben eine lockere Sprache, sie reden nicht so gestochen wie die anderen Helden damals.“ Steve Ditkos Zeichnungen trafen in ihrer Mischung aus Realismus und grafischer Frische den Nerv der Zeit, sodass Spider-Man zum Prototyp eines neuen, jugendlichen Helden wurde, der mit seinen Gummigelenken direkt der Zielgruppe entsprungen zu sein schien.
Stan Lee kreierte Helden wie Dr. Strange, Iron Man, The Hulk, Black Panther oder X-Men, die stets auf der Höhe des Zeitgeists waren und zusammen ein komplexes Universum ergaben. Als kreativer Autor und Redakteur krempelte er das Genre immer wieder um. Die nicht weniger an den Schöpfungen beteiligten Zeichner standen jedoch oft im Schatten der lebenden Legende, und Lee tat wenig dafür, auch deren Leistung angemessen zu würdigen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Fußball-WM 2034
FIFA für Saudi-Arabien
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen