Film über außerirdischen Venom: Das Andere in sich respektieren

Alien mit Empathie: Die Superheldenkomödie „Venom: Let There Be Carnage“ von Andy Serkis ist wieder da. Und spielt timingsicher mit Genderstereotypen.

Das mit doppelten Zahnreihen bewehrte, weit aufgerissene Maul eines schlangenhäutigen, schleimigen Ungeheuers

Toxische Männlichkeit kann echt nerven, besonders bei Venom Foto: Sony

„Wenn ich hier herauskomme – und ich komme hier raus! –, dann gibt es ein Blutbad …“ Yikes. Kein schönes Versprechen, mit dem der hinter Gittern sitzende Serienmörder Cletus Kasady (Woody Harrelson) sich in der ersten „Venom“-Adaption vor drei Jahren von dem Journalisten Eddie Brock (Tom Hardy) verabschiedete. Aber „Carnage“, das Blutbad, ist einfach ein zu schönes Wort, um es nicht als sprechenden Namen für einen anständigen Antihelden zu nutzen.

Zunächst muss dieser Antiheld jedoch erst einmal entstehen. In der Fortsetzung des Marvel-Abenteuers um den außerirdischen Symbionten Venom, der sich ausgerechnet den permanent schwitzenden, nervösen, irgendwie trotteligen Investigativreporter Eddie als Wirtskörper ausgesucht hat, ist das schizophrene Gemeinschaftsleben von Venom und Eddie in einer klassischen Buddysituation aufgegangen.

Der eine Buddy, Eddie, versucht die Fassade (Job, Wohnung, menschliches Benehmen) aufrechtzuerhalten, der andere, sein nach Menschenhirn geiferndes, außerirdisches, toxisches Macho-Alter-Ego Venom dagegen torpediert in schöner Regelmäßigkeit diese Versuche.

Aber irgendwie mögen sich die beiden ungleichen Kumpels. Und irgendwie hat Venom, dessen tiefer gepitchte, voluminöse Stimme ebenfalls zum versatilen Schauspieler Hardy gehört, sogar inzwischen eine Ahnung von den Gefühlen jenes schwachen Menschen bekommen, dessen fleischliche Hülle er nach Belieben bewohnen, bewegen und verlassen kann: Venom entwickelt Empathie.

Eifersucht zwischen Hülle und Alien

So gestaltet sich die dritte Regiearbeit des sachkundigen Schauspielers Andy Serkis, die er für Sonys „Spider-Man Universe“ inszenierte, zunächst als humorig-tumbes, mit Sprüchen garniertes Freundschaftsporträt zweier diametral entgegengesetzter Typen, die lernen, den anderen, besser: das Andere in sich zu respektieren. „This is a me thing, not a we thing!“, schnappt Eddie sein zweites Ich an, als es um ein Treffen mit Eddies altem Schwarm Anne (Michelle Williams) geht. Und Venom erweist sich trotz schleimiger Alien-Erscheinung, Phrasendrescherei und Raubtiergebiss dann doch als ein ganz Netter.

„Venom: Let There Be Carnage“. Regie: Andy Serkis. Mit Tom Hardy, Woody Harrelson u. a. USA 2021, 97 Min.

Vor allem, weil es jenes new kid on the block gibt, das es zu bekämpfen gilt: Durch einen dummen Zufall kann ihm in Cletus, der nebenbei seiner mutierten Freundin Francis (Naomie Harris) nachweint, ein diesmal wirklich ernstzunehmender Gegenspieler erwachsen. Denn mit der DNA Venoms infiziert, erwacht der blutgierige Symbiontenmutant „Carnage“ zum Leben – und der ist tatsächlich richtig böse.

Timingfester und präziser als der erste Teil, spielt „Venom: Let There Be Carnage“ zudem lange Zeit mit Gender­stereo­typen. Wenn Eddie immer wieder seine innere Machostimme zum Schweigen zu bringen versucht, schwingt die Verunsicherung von Männern mit, die glauben, Hau­drauf­verhalten à la Venom gehöre einfach zu ihrem Rollenbild.

Unterhaltsamer Tanz um ernste Themen

Und die im ersten Teil prominenten Prügelchoreografien, in denen Venom als schwarzer Schleim aus Eddies Körper wächst, sind rarer gesät, überhaupt steckt weniger die titelgebende Blutbad-Action, sondern eher verschrobener Sitcom-Humor in dem ab 12 Jahren freigegebenen Film.

„Venom: Let There Be Carnage“ ist dennoch keine seriöse Auseinandersetzung mit Gewalt oder Gender. Aber Serkis und seine Drehbuchautorin Kelly Marcel, die auch den ersten Teil verantwortete, tanzen unterhaltsam um die Komplexität herum, die in diesen Themen steckt.

Tom Hardy spielt mit Körpereinsatz und Verve; und dass man von Carnages Freundin Francis als echte Marvel-Heldin noch einiges hören wird, und zwar im wahrsten Wortsinn, ist klar: Ihr Superheldinnentitel lautet Shriek, wieder so ein sprechender Name. In diesem Fall schreit er sogar.

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