Clubsterben im Bundestag: Auf einer Stufe mit Bordellen
Erstmals wurde das Clubsterben im Bundestag diskutiert. Die Oppositionsanträge werden wohl nicht angenommen, könnten aber viel bewirken.
Das MMA in München, der Farbfernseher in Berlin und das White Rabbit in Freiburg. Nur ein kleiner Auszug aus der langen Liste an Clubs, die in den vergangenen Jahren hierzulande schließen mussten. Die Gründe sind immer die gleichen: befristete Mietverträge, Beschwerden wegen Lärm und Immobilieninvestoren, für die Musikspielstätten auf ihren Grundstücken ein Investitionsrisiko darstellen.
Dass mittlerweile selbst die Bundespolitik das Phänomen Clubsterben ernst nimmt, zeigt ein Hearing, das am Mittwoch „Clubkultur“ im Bundestag auf die Agenda gesetzt hat. Wohlgemerkt zum ersten Mal in der Geschichte des Landes. Initiiert haben das Fachgespräch im Bauaussschuss Anträge der Linken, Grünen und FDP.
Dort wurden Sachverständige und Clubbetreiber:innen angehört: Pamela Schobeß, Betreiberin des Berliner Clubs Gretchen und Vorsitzende des Berliner Verbandes Clubcommission, Steffen Kache von der Leipziger Distillery und Vorstand des Verbands für Livemusikspielstätten sowie Jakob Turtur, der als Mitbetreiber des ehemaligen Berliner Szeneladens Jonny Knüppel den Kampf gegen die Verdrängung bereits verloren hat.
Als Kulturorte anerkennen
Die Parteien fordern nun, Clubs und Konzerthallen rechtlich mit Theatern und Kinos gleichzusetzen, sie als Kulturorte anzuerkennen. Aktuell stehen sie als Vergnügungsstätten rechtlich auf einer Stufe mit Spielotheken und Bordellen. Das hat schwerwiegende Folgen: Eine Baugenehmigung für solche Gewerbe zu bekommen ist kaum möglich. Schutz vor Verdrängung? Fehlanzeige. Für Pamela Schobeß stehen nicht allein die baurechtlichen Konsequenzen einer Gleichstellung im Vordergrund: „Mit Bordellen verglichen zu werden“ sei für ihre Arbeit „immer ein Schlag ins Gesicht“.
Darüber hinaus fordern alle drei Parteien, dass zukünftig nicht die Clubs selbst für Lärmschutz aufkommen, wenn in der Nähe Wohnhäuser gebaut werden, sondern die Investoren der Neubauten. Dieses „Agent of Change“-Prinzip hat sich in London bewährt. Geht es nach den Grünen und Linken, sollen Spielstätten beim Ausbau von Lärmschutzmaßnahmen zukünftig finanziell unterstützt werden.
Schalldämmung kann schnell fünf- bis sechsstellige Beträge verschlingen. Gerade für kleine Spielstätten bedeuten Lärmbeschwerden also oft das finanzielle Aus. Mit entsprechenden Schallschutzfonds habe man in Berlin und Hamburg bereits gute Erfahrungen gemacht. Die Bürokratie- und Steuererleichterungen, die die FDP fodert, würden ebenfalls besonders kleineren Betrieben zugutekommen.
Zusätzlich wollen alle Parteien den Bestandsschutz für bereits existierende Orte verbessern: Entweder durch spezielle Clubkataster (Grüne, FDP), um Konflikte zwischen bestehenden Spielstätten und neuen Bauvorhaben frühzeitig erkennen zu können, oder durch die Ausweisung spezieller Kulturgebiete, in denen anerkannte Orte besonderen Schutz erfahren sollen. Linke und Grüne fordern zusätzlich einen Kündigungsschutz und Mieterhöhungsbegrenzung für bereits bestehende Spielstätten.
AfD kann Buch- und Musikclubs nicht unterscheiden
Oppositionsanträge haben in der Regel kaum Chancen, angenommen zu werden. Trotzdem verbuchen die Parteien solche Anträge als Erfolg. Das öffentliche Interesse ist groß: Bereits eine Woche vor der Sitzung waren im Bundestag dafür keine Besucheranmeldungen mehr möglich. Am Mittwoch sind die Zuschauerränge voll besetzt. Bei einer Sitzung des Bauausschusses!
Auch der breite Konsens der Parteien ist ungewöhnlich. Bis auf die AfD, die bisweilen den Unterschied zwischen Buch- und Musikclubs nicht versteht, sind sich alle Fraktionen einig: Es besteht Handlungsbedarf, das sehen selbst die Regierungsparteien. Karsten Möring von der CDU: „Die meisten, die hier sitzen, müssen nicht katholisch gemacht werden. Wir sind der Überzeugung, dass eine Clubszene für eine Stadt bereichernd ist und man Möglichkeiten schaffen soll, damit diese sich auch dort entfalten kann.“
Dass einzelne Vorschläge tatsächlich umgesetzt werden, ist also nicht ausgeschlossen. CDU und SPD haben sich eine Novelle des Baugesetzbuches in den Koalitionsvertrag geschrieben. So könnten einige der Forderungen der Opposition über die Hintertür von den Regierungsparteien angenommen werden.
In einer früheren Version wirkte es, als hätten Linke, Grüne und FDP die Anträge gemeinsam gestellt. Richtig ist: Das Fachgespräch wurde auf seperate Anträge der drei Parteien hin initiiert.
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