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Christen im Heiligen LandDialogisch bis fanatisch

Die Kirchen in Jerusalem protestieren gegen die Attacken von national-religiösen Jugendlichen. Die israelische Öffentlichkeit reagiert darauf kaum.

Vor der Tür der Grabeskirche in Jerusalem Foto: ap

D ie Oberhäupter der christlichen Gemeinden in Jerusalem haben jüngst eine Kampagne begonnen, um auf die gefährdete Situation der Christen in der Stadt aufmerksam zu machen. Sie berichten über feindselige Aktionen seitens frommer jüdischer Jugendlicher und über Einmischungsversuche von Siedlerorganisationen. Priester werden von religiösen Gruppen, die die Judaisierung Jerusalems vorantreiben, verbal und physisch attackiert.

Nach Auskunft der Kirchenleute geht es um ein organisiertes Vorgehen mit dem Ziel, die Christen aus der Stadt zu vertreiben. Die Kirchenoberhäupter veröffentlichten eine gemeinsame Erklärung und warnten vor der Zerstörung heiliger christlicher Stätten. Im Verlauf meiner Promotion verbrachte ich ein Jahr an der Theologischen Fakultät in Freiburg.

Einige meiner Dozenten zeigten großes Interesse am Judentum, allerdings stellte ich sehr schnell fest, dass sie große Anstrengungen unternehmen, das Judentum als dialogisches, humanistisches und tolerantes Denken zu „lesen“. Auch jüdische Philosophen wie Hermann Cohen bemühten sich darum, das Judentum so darzustellen. Tatsächlich gibt es im Judentum auch diese Tendenzen.

Daneben existieren aber nicht wenige Texte, die mit Feindseligkeit, Ablehnung und Abscheu auf andere religiöse oder ethnische Gruppen Bezug nehmen. Sobald ich davon in den Foren an der Uni Freiburg sprach, bewegten sich die Leute mit großem Unwohlsein auf ihren Stühlen. Sie sagten mir: Du als Jude kannst so etwas sagen, aber wir nicht.

Bild: privat
Hagai Dagan

ist Autor mehrerer Romane und populär­wissen­schaft­licher Schriften zu jüdischem Denken. Er leitet die Abteilung für Jüdische Kultur an der Sapir-Hoch­schule in Sderot.

Was soll’s. Diese Texte füllen tausende Seiten, von der Bibel bis hin zu den Rabbinern, die die Banden anführen, die in Jerusalem heutzutage ihr Unwesen treiben. Solange die Juden im Exil lebten und auf das Wohlwollen anderer angewiesen waren, kam diesen Texten keine größere Bedeutung zu. Das änderte sich, als die Juden Herren ihrer selbst wurden. In Israel gibt es eine breite liberale, überwiegend weltliche Öffentlichkeit, die diese Phänomene verabscheut.

Doch die vielen Jahre der rechts-konservativen Regierung haben ihnen Legitimation verschafft. Als Omer Bar-Lev, der Minister für öffentliche Sicherheit, kürzlich die Gewalt von Siedlern gegen Palästinenser verurteilte, erntete er viel Kritik. Die Gewalt gegen Palästinenser und die gegen Priester in Jerusalem sind zwei Seiten derselben Medaille. Hier geht es um Menschen, die aufgewachsen sind mit einer giftigen Mischung aus Opferrolle und Gewalt gegen Angehörige anderer Religionen.

Für sie ist es ein andauernder Krieg zwischen den Juden (und ihrem Gott) und allen anderen. Der Krieg mag erst am Ende aller Tage entschieden werden, aber vielleicht lässt sich die Sache ja ein wenig beschleunigen? Ihre Schlussfolgerung aus der jahrtausendelangen Judenverfolgung ist nicht, dass die Juden bessere Menschen sein sollen, sondern, dass sie „offene Rechnungen begleichen“ sollten. Sie lassen sich von den ­biblischen Helden wie Simon oder Pinchas inspirieren, die die Kanaaniter blutig nieder­metzelten.

Ich wünschte mir eine linke, weltliche und liberale Regierung, die gegen diese religiösen Fanatiker vorgeht. Die Trennung von Staat und Religion und die Beseitigung dieser Wespennester, aus denen diese Halunken hervorgehen. Aber ich mache mir keine Illusionen. Die Mehrheit der israelischen Gesellschaft akzeptiert diese Gewalt halbherzig oder wenigstens passiv.

Grund dafür ist die langjährige national-religiöse Indoktrination der verschiedenen Regierungen. Den Kirchen­ober­häuptern in Jerusalem würde ich raten, die Verteidigungsanlagen zu befestigen und das Öl zu erhitzen. Die Barbaren kommen.

Aus dem Hebräischen Susanne Knaul

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5 Kommentare

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  • Bei uns empört man sich immer darüber, wenn im heiligen Land dasselbe passiert wie überall auf der Welt.



    Das "neue Testament" hat uns seit dem Erste Clemensbrief und spätestens seit Martin Luther in den Wahn getrieben, das Land zwischen dem Meer und dem Jordan als "unsere Kirche zu betrachten". Und wenn diejenigen, die dort mit dem Aufwachen auch unserer Kultur vor 6000 Jahren (trotz allen Verderbens von 132 bis 1945) immer noch zu Hause sind, ebenso unvollkommen sind wie wir, zeigen wir "mahnend" auf den Gekreuzigten......Wie sagte es ein kluger Mann, - sinngemäß -....Die Juden sind die einzigen, von denen man unerbittlich verlangt gute Christen zu sein. Die Kreuzritter und ihre moderne Version unsere NGO's wachen darüber.

  • Interessante Bericht aus dem israelischen Alltag; leider ein internationales Problem!



    Bei dem Versuch radikaler Gruppen die Mehrheitsgesellschaft für ihre Ziele zu vereinnahmen, spielt immer wieder die sukzessive Verschiebung dessen, was als normal angesehen wird, eine Rolle. Es sollen neue gesellschaftliche Standards etabliert werden, um einer radikalen nationalischen und autoritären Politik den Boden zu bereiten.



    Heitmeyer sieht es als größte Bedrohung für den demokratischen Staat an und schon Adorno beschrieb diese Normalitätsverschiebung als Salami-Taktik der rechten Propaganda.



    Bei uns heißen die Leute, die das bisher Unsagbare sagen, z.B.



    Zarrazin, Sloterdijk, Höcke, ...

  • Ein ethnisch und religiös homogenes Grossisrael … das ist das politische Ziel der Nationalreligiösen, welches diese konsequent und systematisch vorantreiben, ohne auf nennenswerten Widerstand in der israelischen Zivilgesellschaft zu treffen.



    So entsteht der Eindruck, dass diese ultrarechten Gruppierungen weiter die israelische Innenpolitik dominieren, auch wenn ihr Förderer Netanyahu nicht mehr die politischen Geschicke in Israel bestimmt … aber die neue Mehrparteienkoalition erscheint kraftlos und nicht gewillt, die Dominanz der ultranationalistischen Siedlerbewegung einzudämmen, die ganz Israel in politische Geiselhaft genommen hat.



    Das ist nicht mehr das Israel der zionistischen Gründergeneration um David Ben-Gurion.

  • "Den Kirchenoberhäuptern in Jerusalem würde ich raten, die Verteidigungsanlagen zu befestigen und das Öl zu erhitzen. Die Barbaren kommen."



    Aha. Soll das lustig sein?



    B...s...!

  • Tja, was soll man dazu schreiben, Intoleranz und Fanatismus sind eben International. Man könnte meinen ein Volk, daß als Minderheit viele Jahrhunderte unterdrückt wurde, mit eigenen Minderheiten besser umgeht, leider ist es nicht so. Das ist Wasser für die Mühlen der Judenhasser.