Chinesischer Milliardär über Bildung: „Die Zukunft verändern“

Der chinesische Internetmilliardär Charles Chen Yidan will Bildungs­preise im Wert von 7,6 Millionen US-Dollar vergeben – für Projekte in der ganzen Welt. Wieso?

Ein Mann, Charles Chen Yidan

Preisstifter Chen: „Philantropen erkennen ein Problem, analysieren es und versuchen Lösungen zu finden“ Foto: Karsten Thielker

taz: Herr Chen, Sie vergeben im September erstmals zwei Bildungspreise über insgesamt 7,6 Millionen US-Dollar. Nennen Sie uns ein Projekt, das sich Hoffnung machen darf?

Charles Chen Yidan: Ich habe den Preis mit dem Ziel ausgerufen, Bildung in der ganzen Welt zu fördern. Welche Projekte Chancen auf den Preis haben, kann ich Ihnen nicht sagen. Es gibt viele gute Ideen. Welche gut genug für uns sind, entscheidet eine unabhängige Jury. Die Sieger werden ausgewählt nach vier Gesichtspunkten: Wie könnte das Projekt die Zukunft verändern, worin besteht die Innovation, welche Reformvorschläge bietet es an, und wie nachhaltig sind diese.

Könnte der Preis auch an ein Projekt in China gehen, das Kinder von rechtlosen Wanderarbeitern fördert?

Wir haben bei dem Preis keinerlei Einschränkung. Das Entscheidende ist: Die Idee soll innovativ sein und weltweit kopiert werden können.

Sie haben öffentlich gesagt, der Yidan Prize soll Bildung für alle ermöglichen und so zu mehr Gerechtigkeit führen. Haben Sie das Bildungssystem in Ihrer Heimat als ungerecht erlebt?

In den vergangenen 30 Jahren hat die chinesische Regierung von der Grundschule bis zur Hochschule eine große Zahl an jungen Menschen ausgebildet. Diese Leistung respektiere ich. Die bestehenden Herausforderungen betreffen aber nicht nur China allein. Die anderen Länder stellen genau dieselben Fragen: Wie wählen wir an den Schulen die Besten für ein Universitätsstudium aus? Sind zu viele schwere Prüfungen wirklich gut? Wie stark personalisiert sollte das Bildungssystem sein? Wenn wir diese Herausforderungen schaffen, haben Kinder aus bildungsfernen Familien oder aus ländlichen Gebieten gleiche Chancen.

In Deutschland vertrauen die meisten BürgerInnen auf öffentliche Schulen und Universitäten. Warum, glauben Sie, können Sie das Geld besser verteilen als der chinesische Staat?

Private Hochschulen in Europa und China unterscheiden sich sehr stark. In Großbritannien oder in Deutschland werden sie in der Regel von einer Stiftung getragen und sind nicht gewinnorientiert. In China hingegen müssen sie an einer staatlichen Hochschule angedockt sein, etwa als externes Institut. Diese Institute sollen Gewinne einfahren. Das heißt nicht, dass das Angebot schlecht ist …

Wer? Der 45jährige, der im Kontakt mit dem Ausland den zusätzlichen Vornamen "Charles" gewählt hat, ist mit seinem Internet-Portal Tencent reich geworden.

Wie? 1998 gründete er Tencent gemeinsam mit seinem Partner Pony Ma. Zuvor hatte Chen in Shenzhen und Nanjing Chemie und Wirtschaftsrecht studiert.

Wann? Im Jahr 2013 verließ er die Geschäftsführung von Tencent. Schon zuvor, 2006, gründete er die Tencent Charity Foundation, die sich auf Jugendbildung konzentrierte. Seither fördert er auch andere Vorhaben, unter anderem gründete er ein privates College in der Stadt Wuhan. Im Mai 2016 gründete er die Yidan-Stiftung mit einem Kapital von rund 320 Millionen US-Dollar.

Aber?

Ich wollte schon 2009 eine private Hochschule gründen, die wie im Ausland nicht gewinn­orientiert ist. Damals ließen das die Gesetze nicht zu. Heute ist die chinesische Regierung entschlossen, neben der staatlichen auch die private Bildung zu ermöglichen. Da können wir von den exzellenten privaten Hochschulen in Europa lernen. Die sind auch in China notwendig, weil immer mehr junge Leute einen Abschluss an der Universität machen wollen.

In das dann gegründete Wuhan College haben Sie 306 Millionen US-Dollar investiert. Nun loben Sie den Yidan-Preis aus. Warum machen Sie das?

Dass Unternehmer große Geldmengen für wohltätige Projekte spenden, ist in China eine Entwicklung der letzten zehn Jahre. Und diese Philantropen wollen nicht einfach Geld spenden. Sie erkennen ein Problem, analysieren es und versuchen, Lösungen dafür zu finden.

Was treibt Sie persönlich an?

Meine Großmutter war Analphabetin. Sie konnte nicht lesen und schreiben. Aber ihr war bewusst, dass sie ihren Kindern eine gute Ausbildung ermöglichen muss. So hat mein Vater in der Stadt studieren können. Und nur deshalb wurde ich selbst in der Stadt geboren und nicht als Bauernjunge. Diesem Umstand habe ich meinen ganzen Erfolg zu verdanken. Als ich schon ein erfolgreicher Geschäftsmann war, habe ich mich den Schriften von Konfuzius und dem Daoismus gewidmet. In der chinesischen Philosophie spielt Bildung eine sehr große Rolle. Der Mensch bringt die Gesellschaft voran. Aber die Bildung entscheidet über das Leben eines Menschen. Indem man die Menschen gut bildet, kann man die Gesellschaft verbessern.

Über bestimmte politische Themen können auch gut gebildete Chinesen nicht offen sprechen. Können Sie den Preis unabhängig vergeben?

Im Jahr 2013 habe ich in meinem Tagebuch notiert: Ich will einen Bildungspreis ausschreiben und unabhängig vergeben, ohne Berücksichtigung von nationalen, ethnischen oder politischen Grenzen. Ich weiß, jedes Land befindet sich in einer unterschiedlichen Situation. Aber viele Probleme sind global. So wie der CO2-Ausstoß: Man muss ihn zu Hause vermindern, aber wenn ein anderes Land nicht mitmacht, löst man das Problem nicht. Deshalb braucht es Kooperation. Ich will mit dem Preis Ideen fördern, die helfen, Bildung in armen Ländern zu verbessern.

Manche Ideen werden in China zensiert. Ist Ihre Heimat politisch reif für Ihre Vision?

Jedes Land befindet sich in seiner eigenen Entwicklungsphase. Es ist wichtig, dass wir uns austauschen, so wie wir jetzt. Man lernt dabei: Was wird im Ausland von deinem Land erwartet, wie wird es bewertet? Wenn wir nur darauf schauen, was uns trennt, können wir diese Grenzen nicht durchbrechen. Mich interessieren der gesellschaftliche und technologische Fortschritt unseres Landes. Und dazu braucht es Bildung (schlägt mit der Faust auf den Tisch) und noch mal Bildung.

China bemüht sich seit einigen Jahren um Kulturexport – vom Ausbau des Chinesischen Auslandssenders CCTV in Afrika und Lateinamerika bis zur Gründung Hunderter Konfuzius-Institute auf allen Kontinenten. Welche Rolle spielt die chinesische Kultur in der Welt?

Die chinesische Kultur ist Tausende Jahre alt. Im letzten Jahrhundert haben viele Chinesen sie durch Kriege und politische Unruhe sie verloren. Der wirtschaftliche Aufschwung in den vergangenen Jahrzehnten hat dazu geführt, dass viele Chinesen sagen: Wir wollen wieder zurück zu unserer Kultur, wollen, dass sie wieder aufblüht.

Mitarbeit: S. Hansen, J. Lietsch

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.