Chinas neue Metropole: Auf dem Weg zur Megacity
In einem Landkreis vor den Toren Pekings herrscht Goldgräberstimmung. Die chinesische Führung hat ihn zur Sonderwirtschaftszone erklärt.
Was es mit Xiong’an auf sich hat: Es handelt sich um ein ländliches Gebiet in der chinesischen Provinz Hebei, rund hundert Kilometer südwestlich des Stadtzentrums von Peking entfernt. Die Luft riecht nach verbrannter Kohle. Abgesehen von einem Dorf namens Dawang und jeder Menge Fabriken ist noch nicht allzu viel zu sehen.
Das soll sich ändern. Chinas Staatspräsident Xi Jinping höchstpersönlich hat den Landkreis kürzlich zu einer neuen Sonderwirtschaftszone erklärt. Seitdem schießen die Preise für Immobilien und Grundstücke durch die Decke. Noch vor zwei Wochen lag der Quadratmeterpreis bei umgerechnet unter 1.000 Euro. Am Wochenende darauf stiegen die Preise binnen wenigen Stunden auf fast doppelt so viel. Und inzwischen werden durchschnittlich über 3.000 Euro verlangt – und das in einer staubtrockenen Region, die zudem die meiste Zeit des Jahres unter einer dichten Smogdecke eingehüllt ist.
Die Lokalverwaltung sah sich gezwungen, ein vorübergehendes Kaufverbot für Immobilien zu verhängen. Makler müssen seitdem ihre Geschäfte schließen. Beamte warnen auf der Straße mit Megafonen die vielen Zugereisten aus Peking vor „illegalen Immobilienspekulationen“.
Megametropole für 110 Millionen Einwohner
Nach den Plänen der chinesischen Führung soll die gesamte Region in den kommenden zehn Jahren zu einer Megametropole zusammenwachsen. Jingjinji (von Beijing, Tianjin und Ji, dem traditionellen Namen der Provinz Hebei) soll mal auf einer Fläche von über 215.000 Quadratkilometer rund 110 Millionen Einwohner zählen. Das entspricht der Bevölkerung von Deutschland, Schweiz, Österreich und Polen zusammen.
Xiong’An soll zugleich die Hauptstadt Peking mit seinen rund 23 Millionen Einwohnern entlasten. Schon jetzt ist die Pekinger Stadtverwaltung dabei, Behörden, Geschäfte und Unternehmen aus dem überlasteten Stadtgebiet in die Außenbezirke zu verlegen. Xi sprach in seiner Ansage von einem „1.000-jährigen Projekt“. Ökologie und das Wohlergehen der Menschen würden Priorität haben, versprach er und kündigte an, dass Xiong’An das nächste Pudong oder Shenzhen werde. Er bezieht sich damit auf die reichen Sonderwirtschaftszonen im Ostteil der Stadt Schanghai sowie der Zehnmillionenmetropole vor den Toren Hongkongs am Perlflussdelta in Südchina.
Zweifel am Erfolgsmodell
Tatsächlich hat China gute Erfahrung mit seinen Sonderwirtschaftszonen gemacht. Shenzhen, direkt an der Grenze zur damaligen britischen Kronkolonie Hongkong, war zu Beginn der achtziger Jahre noch ein Fischerdorf. Mit Steuersenkungen, gezielter Wirtschaftsförderung und niedrigen Arbeitslöhnen lockte die chinesische Führung gezielt ausländische Unternehmen in diese Sonderwirtschaftszonen, die ihre Fabriken dort errichteten. Heute ist die Zehnmillionenmetropole Shenzhen eine der wohlhabendsten Städte Chinas. Auch Pudong in Schanghai hat sich nach einem ähnlichen Konzept entwickelt.
Doch es gibt Zweifel, ob sich diese Erfolge wiederholen lassen. In den achtziger Jahren wurde China noch streng kommunistisch regiert, weite Teile des Landes waren unterentwickelt. Shenzhen und Pudong waren erste Schritte der Volksrepublik, sich in Marktwirtschaft auszuprobieren. Heute ist China weitgehend erschlossen. „Halb China ist eine Sonderwirtschaftszone“, sagt der Pekinger Ökonom Hu Xingdou. Fast jede größere Provinzstadt hat Zonen ausgewiesen, in denen niedrigere Steuersätze gelten und Unternehmen mit Subventionen gelockt werden.
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