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China und die seltenen ErdenEuropa hat den Trend verschlafen

Heike Holdinghausen

Kommentar von

Heike Holdinghausen

China hat schon vor 15 Jahren seltene Erden monopolisiert und kauft jetzt Elektroschrott aus Europa auf. Neue Partnerschaften sind bitter nötig.

Nancheng, Provinz Jiangxi, China, Oktober 2010: Arbeiter in einer Mine, in der seltene Erden abgebaut werden Foto: reuters

W ie beruhigend, Katherina Reiche ist es jetzt auch aufgefallen. Die Ära der liberalen Weltwirtschaftsordnung sei beendet, teilte die CDU-Wirtschaftsministerin am Dienstag in einer „Grundsatzrede“ mit. Globale Märkte würden nicht mehr vorrangig von ökonomischen, sondern von geopolitischen Interessen bestimmt. Das merke man daran, dass China die Metalle der seltenen Erden monopolisiert habe, um sie als politisches Machtinstrument zu nutzen. Gemein, diese Chinesen! Noch gemeiner: Das machen die schon seit 15 Jahren.

Seit die lange bekannten, ökonomisch aber einst uninteressanten seltenen Erden mit ihrem zum Teil starken Magnetismus oder ungewöhnlichen optischen Eigenschaften in moderner Hochtechnologie unverzichtbar wurden, setzte China sie politisch ein. Regierungen und Unternehmen in Europa haben dabei zugesehen, wie China Wettbewerber aus den USA oder Australien systematisch aus dem Markt drängte. Und sie haben sich gefreut, dass der zum Teil radioaktive Dreck, der bei der Produktion seltener Erden entsteht, in China blieb, während die Metalle billig nach Europa gingen.

Heute lassen sie es zu, dass China massenhaft in Europa Elektroschrott aufkauft, um sich die darin enthaltenen Rohstoffe zu sichern, anstatt eigene Lager aufzubauen und wenigstens einen Teil der heimischen Nachfrage aus Recycling zu bedienen. Das war kein Glaube an den freien Markt, der die Verantwortlichen angetrieben hat, sondern grobe Fahrlässigkeit.

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Sei’s drum. Wichtiger als das, was einst nicht gemacht wurde, ist, was jetzt möglich wird: eine gemeinsame Anstrengung von Wirtschaft, Wissenschaft und Politik, Forschung und Entwicklung zu Substitution und Recycling kritischer Rohstoffe schnell und nachhaltig in die Praxis zu bringen. Auch wenn sich im nächsten Jahr die Marktbedingungen wieder ändern. Dazu gehören auch Partnerschaften mit rohstoffreichen Ländern in Afrika, um gemeinsam faire Lieferketten aufzubauen. Mit den Lieferketten darf der Staat die Unternehmen nicht allein lassen – die Misere der Versorgung mit seltenen Erden zeigt das einmal mehr deutlich.

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Heike Holdinghausen
Redakteurin für Wirtschaft und Umwelt
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5 Kommentare

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  • Ja AFD CDU FDP Bildzeitung und schlafmützige deutsche verhindern gern den Fortschritt. Es gibt aber deutsche Unternehmen die bauen Elektromotoren ohne seltene Erden genauso Batterien mit keinen oder wenig seltenen (altech Australien Lausitz). Lithium wird bereits im Rheingraben Sachsen-Anhalt Erzgebirge gewonnen und Batterierecycling gibt es laut Suchanfrage im Netz über 10

  • Es heißt Seltenerdmetalle. Erden sind due Erze, aus denen diese gewonnen werden. Und so selten sind diese gar nicht.

  • Die Maßnahme mit den seltenen Erden ist eine Retourkutsche für Export- und Importbeschränkungen, die zuvor von den USA und der EU vorgenommen wurden. Als besonders krasses Beispiel sei hier nur mal am Rande die Enteignung von NEXPERIA in den Niederlanden, äh, sorry für das falsche wording, ich meinte natürlich die Anwendung des "Warenverfügbarkeitsgesetzes" erwähnt werden.

  • Wenn die Regierung nur aus einer Partei besteht, kann man länger als in 4-Jahres-Zeitrumen planen.



    Weiterhin kann man PLANEN und MACHEN, da Kleinkriege und Sandkastengerangel zumindest nach außen nicht oder kaum stattfinden.



    Ob ich das jetzt als Ironie kennzeichnen soll, weiß ich im Moment noch nicht. Bei DENEN blicke ich trotz langjähriger Kontakte und Aufenthalte nicht mal ansatzweise durch.

    • @Erfahrungssammler:

      Die westliche Wirtschaft krankt meist daran, möglichst viel Geld in möglichst kurzer Zeit aus ihren Unternehmungen zu pressen, um die gierigen Mäuler der Anteilseigner, Aktienbesitzer etc. zu stopfen. Da kann eine Regierung nichts dafür, die wird mit sanftem Druck schon in die richtige Richtung gelenkt. In China ist das halt ein wenig anders, da drückt die Regierung den Daumen aufs Auge, wenn die nicht spuren, unterstützt dann bei Gehorsam auch großzügig. Auf jeden Fall scheint das chinesische System mit langfristiger Planung auf den ersten Blick wohl besser zu funktionieren.