China setzt auf Kohle und Erneuerbare: Ambivalentes energiepolitisches Modell
China baut die erneuerbaren Energien aus wie kein anderes Land auf der Welt. Trotzdem setzt die Volksrepublik auch auf die klimaschädliche Kohle.

Das Zentrum für Forschung zu Energie und sauberer Luft (Crea) hat in einer aktuellen Studie den Energie-Mix Chinas für das erste Halbjahr 2025 aufgeschlüsselt: Demnach hat die Volksrepublik China insgesamt Kohlekraftwerke mit einer Gesamtkapazität von 21 Gigawatt in Betrieb genommen. Dies ist der höchste Wert seit zehn Jahren – Tendenz steigend.
Doch ist das eben nur eine Seite der Medaille. Die andere beeindruckt positiv: China baut so viele Solarpanele und Windturbinen wie kein anderer Staat der Welt, und das in einer Rekordgeschwindigkeit. Für 2025, prognostiziert Crea, dürfte das Reich der Mitte so viel an erneuerbarer Energie in Betrieb nehmen, dass es für die gesamten Volkswirtschaften von Großbritannien und Deutschland reichen würde.
Warum aber baut das Land, das in absoluten Zahlen der größte CO2-Verschmutzer ist, dennoch weiter Kohlekraftwerke? Die Wirtschaftsplaner in Peking argumentieren stets, dass es für Stoßzeiten ein Sicherheitsnetz geben müsse, das die Fabriken auch dann antreibt, wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht bläst. Zudem würden die neuen Kohlekraftwerke nach umweltfreundlichen Umweltstandards gebaut und seien nicht dazu gedacht, unter voller Auslastung zu operieren.
Angst vor Stromengpässen
Auf den ersten Blick klingt die Argumentation eines Sicherheitsnetzes einleuchtend: Die chinesische Volkswirtschaft besteht zu großen Teilen aus energiehungrigen Branchen – von Schwerindustrie bis hin zum Immobiliensektor. Und die Parteikader der Lokalregierungen werden vor allem an nachprüfbaren Kennzahlen gemessen, allen voran beim Wirtschaftswachstum. Dies setzt Anreize für Provinzen, konservativ zu planen, damit es nicht – gerade im Sommer während Hitzewellen und Dürreperioden – zu Stromengpässen kommt.
Doch wie Lauri Myllyvirta von der Denkfabrik Crea argumentiert, ließe sich das Problem auch anderweitig lösen: China verfüge bereits über mehr als genug Ressourcen, um eine erhöhte Nachfrage zu decken. Dass es dennoch regelmäßig im Reich der Mitte zu Stromengpässen kommt, hat laut Myllyvirta mit einem „unflexiblen und veralteten Betrieb des Stromnetzes“ zu tun. Ein Problem sei, dass Überkapazitäten in benachbarten Provinzen zwar vorhanden wären, aber schlicht nicht transferiert werden.
Dennoch besteht unter Experten wenig Zweifel daran, dass es China mit seinen Klimazielen ernst meint. Staatschef Xi Jinping hat erstmals den Bereich erneuerbare Energien zur Chefsache erklärt und vor fünf Jahren die Nachhaltigkeitsziele vorgegeben: Während einer öffentlichen Rede versprach Xi, dass China vor 2030 den Höhepunkt seiner CO2-Emissionen erreichen werde und bis 2060 Klimaneutralität anstrebt. Zumindest den ersten Teil dieses Versprechens hat Peking bereits verfrüht eingelöst: Laut Crea-Analyst Lauri Myllyvirta sinken Chinas Emissionen bereits seit März 2024.
Tatsächlich steht die Kommunistische Partei unter massivem Handlungsdruck: China ist von den Auswirkungen des Klimawandels überproportional stark betroffen. Insbesondere im Sommer zeigt sich dies, wenn im Norden des Landes immer extremere Dürreperioden die Ernteerträge gefährden, während gleichzeitig Jahrhundertniederschläge im Süden ganze Städte überfluten.
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