China empört über Hongkongs Vorwahlen: „Es könnte die letzte Chance sein“
Die Vorwahl der Demokratiebewegung sieht Peking als Provokation. Nun droht die chinesische Regierung mit dem neuen Sicherheitsgesetz.
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Auch der Sozialarbeiter Fung hat gewählt. „Michael Jordan hat einmal gesagt: Spiele jedes Match, als ob es dein letztes ist“, so der 34-Jährige. „Für uns könnte es die letzte Chance sein, überhaupt wählen zu gehen.“ Ob die Wahlen im September stattfinden, sei für ihn keinesfalls sicher. Fung hofft, dass sich in der Opposition nicht die moderaten Kandidaten durchsetzen, sondern Politiker mit klarer Haltung gegen Peking: „Ganz gleich, wie schlimm es am Ende werden wird, zumindest haben wir es probiert.“
Mit ihm haben mehr als 610.000 Hongkonger am Wochenende für ihre jeweiligen Favoriten gestimmt. Die hohe Beteiligung überstieg die Erwartungen der Organisatoren um ein Vielfaches.
Doch Montagnacht bezeichnete das Pekinger Verbindungsbüro in Hongkong die Abstimmung als eine „schwerwiegende Provokation“. Sie unterminiere die Fairness der Wahlen im September und sei durch „ausländische Kräfte“ ermöglicht worden. Laut dem neuem Sicherheitsgesetz sei dies strafbar und könne mit bis zu lebenslanger Haft geahndet werden.
Wegen Corona gilt weiter ein Protestverbot
Hongkongs Protestbewegung ist derzeit doppelt geschwächt: Wegen der Coronapandemie sind größere Versammlungen nach wie vor illegal. Die Polizei löst Demonstrationen umgehend auf. Vor allem aber stellt Peking mit dem rigiden Sicherheitsgesetz alle Aktivisten quasi unter Generalverdacht: Unter dem nicht näher definierten Straftatbestand der „Subversion“ oder des „Terrorismus“ können chinesische Sicherheitskräfte Festnahmen durchführen, Auslieferungen aufs Festland genehmigen und dortige Gerichte lange Haftstrafen aussprechen.
Die große Wahlbeteiligung hat jetzt jedoch erneut gezeigt, dass sich der Wunsch vieler Hongkonger nach politischer Veränderung nicht einfach autoritär von Chinas Kommunistischer Partei unterdrücken lässt. Die Protestbewegung hat weiter großen Rückhalt in der Bevölkerung.
Unliebsame Kandidaten müssen mit Ausschluss rechnen
Dabei sind die Wahlen zum Legislativrat im September ohnehin keine „freie Wahlen“: Denn unliebsame Kandidaten des demokratischen Lagers können auf Druck Pekings disqualifiziert werden, wie dies bei den Distriktwahlen schon dem Aktivisten Joshua Wong passiert ist.
Ohnehin werden nur die Hälfte der 70 Sitze direkt vom Volk gewählt. Der Rest wird von meist konservativen Verbänden und Berufsgruppen bestimmt, die überwiegend pekingloyal sind.
„Ich unterstütze junge Kandidaten mit einer stärkeren Haltung gegenüber Peking und einer enormen Opferbereitschaft. Die Zeit der moderaten Kandidaten ist vorbei“, sagt der IT-Experte Leo Wong. „Sollten wir mehr als die Hälfte der Sitze im September bekommen, wird Peking das sicher als Gesetzesverstoß werten.“ Auch eine Absage der Wahl hält er für möglich.
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