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Chef von Rüstungsverband über Sicherheit„Es gilt das Recht des Stärkeren“

Zur Münchner Sicherheitskonferenz kritisiert Rüstungsverbandschef Hans Christoph Atzpodien die Erwägungen der EU, mehr Waffen von den USA zu kaufen.

Die Rüstungsindustrie steht hoch im Kurs: Mit Russlands Überfall auf die Ukraine ist die Nachfrage nach Waffen stark gestiegen Foto: Chris Emil Janssen/imago

taz: Herr Atzpodien, Sie vertreten mit dem Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie die deutsche Rüs­tungs­in­dus­trie. Mit Russlands Überfall auf die Ukraine ist die Nachfrage nach Waffen stark gestiegen. Ist für Sie das goldene Zeitalter angebrochen?

Hans Christoph Atzpodien: Das werde ich oft gefragt. Es ist aber nicht so, denn niemand wünscht sich Krieg. Wir müssen feststellen, dass die vertragsbasierte Friedensordnung nicht mehr gilt, sondern das Recht des Stärkeren. Wir spüren eine große Verantwortung, mehr Ausrüstung schneller zu liefern. Die Unternehmen unserer Branche haben in den letzten drei Jahren ihre Kapazitäten zum Teil sehr erheblich ausgeweitet, oft auch auf eigenes wirtschaftliches Risiko.

taz: Alle Parteien der politischen Mitte, also Union, SPD, FDP und Grüne, werben im Wahlkampf mit höheren Rüstungsausgaben. Haben Sie schon den Sekt kaltgestellt?

Atzpodien: Das sind die falschen Kategorien. Die Parteien, die – in welcher Konstellation auch immer – eine nächste Bundesregierung bilden werden, sprechen aus gutem Grund von höheren Verteidigungsausgaben: Deutschland hat der Nato Zusagen für militärische Fähigkeiten gegeben. Für diese Fähigkeiten ist die Bundeswehr noch nicht entsprechend ausgerüstet.

Im Interview: Hans ­Christoph ­Atzpodien

ist Haupt­geschäfts­führer und Mit­gründer des Bundesverbands der Deutschen Sicherheits- und Ver­­teidigungs­industrie.

taz: Wenn man sich die enormen Kurssteigerungen beispielsweise der Rheinmetall-Aktie anschaut, scheint die Gewinnmarge ja nicht so schlecht zu sein. Da investiert ja niemand, wenn er davon nichts hat.

Atzpodien: Wenn wir in Deutschland die Bundeswehr beliefern, dann gilt das öffentliche Preisrecht. Das gibt es seit den 1950er Jahren und limitiert den Gewinn, den ein Unternehmen machen kann, sehr stark. Der Kurs der Rheinmetall-Aktie oder anderer Anteile von Rüstungsunternehmen ergibt sich daraus, dass Anleger auf den weltweiten Rüstungsmarkt blicken und hierin ein attraktives Geschäft sehen. Da schauen sie längst nicht nur auf das deutsche Geschäft.

taz: Der grüne Spitzenkandidat Robert Habeck fordert, künftig nicht mehr nur 2, sondern 3,5 Prozent des Bruttoinlandprodukts für Verteidigung auszugeben. Sehen Sie das auch so?

Atzpodien: Solche Richtwerte sind immer schwierig, obwohl sie sich eingebürgert haben. Die Nato hat das berühmte 2-Prozent-Ziel 2014 nach der russischen Annexion der Krim verabredet. Jetzt sagt der Nato-Generalsekretär, wir werden künftig in Deutschland mehr als 3 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt für Verteidigung aufwenden müssen. Klar ist, dass die Bundeswehr höhere Anforderungen hat und wir dafür mehr ausgeben müssen.

taz: Aber ist eine Orientierung an der Wirtschaftsleistung eines Landes nicht völlig untauglich, weil es doch eigentlich darum gehen müsste, zunächst den militärischen Bedarf zu bestimmen und auf dieser Basis dann den finanziellen Bedarf zu ermitteln?

Atzpodien: Es gibt eine Nato-Planung, die den einzelnen Mitgliedstaaten genaue Bringschulden zuweist, was die beizubringenden Fähigkeiten angeht. Prozentsätze sind nur Richtwerte, die eine äußere Symbolkraft entfalten. Doch die wirklichen Bedarfe leiten sich ab aus dem, was die Nato anfordert.

taz: Sie meinen also nicht, dass die Fixierung auf das Bruttoinlandsprodukt eine Einladung an die Rüstungsindustrie ist, ihre Produkte möglichst teuer an den Staat zu verkaufen?

Atzpodien: Noch mal: Es gibt ein öffentliches Preisrecht, das die Art der Kalkulation und die Gewinnmarge vorschreibt. Wir sind überhaupt nicht in der Lage, Güter „möglichst teuer“ zu verkaufen. Im Übrigen gibt es immer Wettbewerb, an dem man sich messen lassen muss.

taz: Auch ohne die USA geben die Nato-Staaten viel mehr für die Rüstung aus als Russland. Kaufkraftbereinigt stehen 430 Milliarden Euro der europäischen Nato-Staaten 300 Milliarden Euro Russlands gegenüber. Produziert die europäische Rüstungsindustrie vielleicht zu ineffektiv?

Atzpodien: Ich glaube nicht, dass Ihre Schlussfolgerung richtig ist. Das Problem liegt eher darin, dass ein Verteidigungsbündnis wie die Nato sich auf sehr unterschiedliche Verteidigungsszenarien einstellen muss, während ein möglicher Angreifer es sich einfacher machen kann. Die Vielfalt der Bereiche, in denen wir abschreckungsfähig sein müssen, führt dazu, dass wir in Summe mehr ausgeben müssen.

taz: Die südkoreanischen Kampfpanzer K2 Black Panther hat ähnliche Eigenschaften wie der Leopard 2A7, ist aber deutlich günstiger als das deutsche Modell. Wäre es da nicht für die Bundeswehr effizienter und klüger, das Modell aus Südkorea zu kaufen?

Atzpodien: Auch das ist nicht so einfach, wie Sie es darstellen. Wir Deutschen sind bekannt dafür, dass wir besonders hohe Anforderungen an militärisches Gerät haben. Die deutschen Hersteller haben sich darauf eingestellt. Auch darf man nicht ungleiche Dinge miteinander vergleichen.

taz: Polen hat sich jetzt für den südkoreanischen Panzer entschieden.

Atzpodien: Bedauerlicherweise.

taz: Ist Ihr Bedauern ein mili­tärisches oder ein ökonomisches?

Atzpodien: Das sage ich als Vertreter der deutschen Sicherheits- und Verteidigungs­industrie.

taz: Befürchten Sie eigentlich, dass Ihnen wegen Donald Trump Aufträge verloren gehen könnten, weil der US-amerikanische Präsident „Deals“ für die Rüstungsindustrie seines Landes macht?

Atzpodien: Darüber will ich nicht spekulieren. Ich sage nur, dass natürlich auch die künftige Bundesregierung gut beraten ist, aus Souveränitäts­gründen darauf zu achten, dass die Lieferungen für die Bundeswehr von der eigenen Industrie kommen. Dass aktuell auch in Brüssel Denkspiele darüber angestellt werden, ob man US-Zölle vermeiden könnte, indem man mehr Rüstung für Europa in den USA einkauft, finde ich befremdlich. Es geht bei der Ausrüstung unserer Streitkräfte immer auch um ­Souveränität, um Kompetenzen, um Arbeitsplätze und um Steuern.

taz: Könnte die deutsche Rüstungsindustrie dann nicht sagen: Dann konzentrieren wir uns jetzt genau darauf und exportieren keine Waffen mehr ins Ausland?

Atzpodien: Der Rüstungsexport ist ohnehin kein so dominantes Thema. Wir haben ja schon in den letzten Jahren akzeptieren müssen, dass es beim Export in Drittländer, also in Länder außerhalb der EU und der Nato, relativ wenig Spielräume gab.

taz: Warum haben Sie dann gegen das Rüstungsexportkontrollgesetz lobbyiert? In der Vergangenheit war Ihre Argumentation, die Binnennachfrage sei so schwach, dass die Industrie ohne die Exporte nicht wirtschaftlich arbeiten könne.

Atzpodien: Nicht alle Unternehmen haben eine ausreichend starke Binnennachfrage. Außerdem ist mit den bisherigen Regelungen nach unserer Auffassung sichergestellt, dass Waffen aus deutscher Produktion nicht in die falschen Hände geraten können. Immer schon haben wir die Entscheidungen des Bundessicherheitsrats, der über die Exportgenehmigungen zu entscheiden hat, in den jeweiligen Einzelfällen akzeptiert. Das geplante Gesetz entsprang aus unserer Sicht einem überzogenen Regle­men­tierungsdrang, der die außen- und sicherheitspolitischen Spielräume der Bundesregierung zu stark eingeschränkt hätte.

taz: Sie werben damit, dass Sicherheit die Mutter der Nachhaltigkeit wäre. Ist das nicht etwas zynisch?

Atzpodien: Da Krieg Umwelt und soziale Werte vernichtet, stellenWaffen, die dazu beitragen, dass bei uns Krieg verhindert wird, einen positiven Beitrag zur Erhaltung unserer Lebensgrundlagen dar. Das sind vor allem solche Waffen, die der Ausrüstung unserer Bundeswehr und der Nato-Streitkräfte dienen.

taz: Aber es ist ein kleiner Trick dabei, oder? Waffen können nur dann nachhaltig sein, wenn man sie nicht einsetzt, wenn sie also der Abschreckung dienen. Was die Türkei in Teilen von Syrien macht, ist jedoch nicht nachhaltig. Was die Bundeswehr und die anderen Nato-Staaten in Afghanistan gemacht haben, war auch nicht nachhaltig. Die Waffen, die Sie produzieren, werden auch eingesetzt.

Atzpodien: Noch mal: Nachhaltigkeit ist die Erhaltung unserer Lebensgrundlagen für uns und für kommende Generationen. Krieg ist das Gegenteil von Nachhaltigkeit.

taz: Eben.

Atzpodien: Kann man einen Krieg verhindern ohne Waffen? Diejenigen, die das behaupten, sind eine absolute Minderheit. Die Mehrheit sagt, wir brauchen Waffen in den Händen defensiv verfasster Streitkräfte, wie sie in der Nato versammelt sind. Ich bin bei Ihnen, dass jede Waffe, die zum Einsatz kommt, auch Schäden anrichten kann. Aber das Ziel, das wir ja gemeinsam haben, ist, dass wir Frieden gewährleisten. Das muss man als übergeordnetes Prinzip anerkennen, insofern würde ich bei meinem Anspruch bleiben: Waffen in den Händen der Bundeswehr und anderer Nato-Streitkräfte bilden einen Beitrag zur Erhaltung unserer Lebensgrundlagen.

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11 Kommentare

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  • Die Zusammenarbeit mit den USA haben uns bisher - Stichwort Afghanistan - keinen wirklichen Erfolg gebracht. Jetzt auch noch von den USA Rüstungsgüter kaufen wollen, wäre absolut absurd.



    Wie wären denn die Zölle angesetzt von Mr. Trump ?

  • Das Gruselige ist, dass Herr Atzpodien seine Aussagen ernst meint.

  • Ein überraschend interessantes Gespräch, das anders als man bei einem Interview mit einem Industrievertreter denken möchte, nachdenkenswerte Fragen thematisiert, ohne dass die Antworten alle schon feststehen müssten. Sowohl der Interviewte als auch die Fragestellerin legen den Finger in die richtigen Wunden.

  • Wenn J.D. Vance die AFD protegiert, dann ist Amerika kein zuverlässiger Partner mehr und es wäre mehr als töricht seine Verteidigungsbereitschaft auf amerikanische Rüstungsgüter zu bauen.

  • Die Paradoxie der Abschreckung durch Waffen lässt sich nicht auflösen. Eine Vertreter der Rüstungsindustrie kann auch keine Lösung kennen. Er verkauft Waffen und züchtet keine Friedenstauben. Das Gefährliche an der Abschreckung ist, dass man bereit sein muss, Waffen auch einzusetzen, sonst verpufft die Abschreckung beim ersten Angriff.



    Darum gilt es auch, nicht erst in akuten Konfliktsituationen sondern ganz besonders in Friedenszeiten aktive daran zu arbeiten, Konfliktpotenziale abzubauen. Prävention ist das Zauberwort. Die Funktioniert aber nicht, wenn man sich ständig im (fairen) Wettbewerb mit anderen sieht, den eigenen Vorteil sucht und eigene Ordnungsvorstellungen durchzusetzen will.



    Es scheint nun so, als ob sich überwunden geglaubte Vorstellungen von einer hegemonialen Weltordnung, in der wenige Großmächte die Welt unter sich aufteilen, wieder durchsetzen. Es wäre an den kleineren Mächten, hierzu eine Gegenbewegung aufzubauen und sich nicht vor den Karren Chinas, Russlands oder der USA spannen zu lassen. Die EU-Staaten täten gut daran, hier Vorreiter zu sein, als sich weiterhin einseitig an die USA zu binden. Aber Europa träumt von eigener Stärke.

  • "Polen hat sich jetzt für den südkoreanischen Panzer entschieden."



    Klassischer Ausdruck gemeinsamen europäischen Sicherheitsdenkens. (Ironie off)

  • „Es gilt das Recht des Stärkeren“



    War immer so, bleibt immer so, nur zwischen den Zeilen hat es minimal Platz für Moralapostel.

  • Ohne hinreichende, europäisch organisierte Rüstungsindustrie und entsprechende Produktionskapazitäten sind die europäischen Demokratien a) wehrlos gegen den russischen Faschismus und b) den Faschisten von Trumpmuskovia formerly known as USA hilflos ausgeliefert! Wenn Trumpmuskovia auftritt, wie ein Schutzgelderpresser, sollten wir auch keine Waffen dort kaufen! Denn es ist den USA via Software möglich, beispielsweise die F35, welche wir dort gerade beschaffen, einfach abzuschalten, wenn wir nicht Spuren wie der Orange Clown es will! Und dieser Sachverhalt wird imo gar nicht diskutiert.

  • "taz: Aber es ist ein kleiner Trick dabei, oder? Waffen können nur dann nachhaltig sein, wenn man sie nicht einsetzt, wenn sie also der Abschreckung dienen. "

    Angreifer sind idR agressiv und nicht nachhaltig orientiert, wie man in der Ukraine und Gaza gerade sehr intensiv beobachten kann?!

    Und wenn die Waffen der Abwehr dienen, sind sie nachhaltig! Einen Abwehrschirm bspw. kann unsere Infrastruktur im erheblichen Maße schützen. Ohne Abwehr? Wie will man da nachhaltig schützen?

    Und nicht zuletzt geht es um Menschenleben?

  • "Erwägungen der EU, mehr Waffen von den USA zu kaufen."



    Donald was du tust ist falsch! Aber wir tun was du willst, damit du das auch weiterhin tust.

  • „ Ich bin bei Ihnen, dass jede Waffe, die zum Einsatz kommt, auch Schäden anrichten kann“ - Da irrt der Mann. Sie kann nicht auch Schaden anrichten, sondern wird es zwangsläufig immer tun. Auch wenn man durch der Einsatz womöglich noch größeren Schaden verhindert. An der Stelle sollte man nichts schönreden, so wie man andererseits auch notwendige Abschreckungsfähigkeit zur Friedenssicherung nicht nur schlechtreden sollte. Kommt halt immer auf Maß, Mittel und demokratische Mitbestimmung an.