Cecilienhof wird Thema für die Linke: Ein Prinz als Wahlkampfhelfer
Die Hohenzollern fordern Wohnrecht im Brandenburger Schloss Cecilienhof. Das befeuert den Wahlkampf: Die Linke startet eine Volksinitiative.
Die Hohenzollern, das ist jenes alte Herrschergeschlecht mit den vielen Friedrichs des 18. und 19. Jahrhunderts und den beiden deutschen Kaisern Wilhelm I. und Wilhelm II. Die vier Politiker wiederum sind die Landeschefs und Spitzenkandidaten der Brandenburger Linkspartei, die am Donnerstagmorgen eine Volksinitiative starten. Das Ziel: Alle Adelsforderungen abzublocken, die es zwar seit Jahren gibt, die aber erst in diesem Sommer breiter bekannt wurden.
Gut drei Wochen sind es noch bis zur Landtagswahl am 1. September, und der bislang eher vor sich hin dümpelnde Wahlkampf scheint an diesem Morgen endlich sein Thema gefunden zu haben. Eines, in dem auf den ersten Blick die Rollen klar verteilt sind: unten gegen oben, das einfache Volk gegen Ansprüche sowieso schon gut betuchter Adeliger.
Die sind im Einzelnen: eine Entschädigung von 1,2 Millionen Euro, Rückgabe von Hunderten Kunstgegenständen und Wohnrecht im Schloss Cecilienhof, vom Gartentor eine Viertelstunde zu Fuß entfernt. Die Linkspartei, deren Landeszentrale in einem klassizistischen Klinkerbau auch nur 200 Meter weit weg ist, präsentiert sich dabei als natürliche Schutzmacht gegen die Hohenzollern – wobei im Juli auch Ministerpräsident Dietmar Woidke von der SPD klassenkämpferisch den Begriff „Volksschlösser“ kreierte.
Die Linke will keine Verhandlungen – und verhandelt
„Wir möchten, dass die Öffentlichkeit weiter durch die Schlösser laufen kann, wenn nötig in Filzpantoffeln, und nicht nur eine Familie in Hausschuhen“, sagt die Landesvorsitzende Diana Golze. Sie ist die Frau, die in diesem Wahlkampf eigentlich die Spitzenkandidatin hätte sein sollen. Aber Golze stolperte über einen Medikamentenskandal, den sie als Gesundheitsministerin in der rot-roten Regierung nicht in den Griff bekam.
Spitzenkandidat ist nun der erst 29-jährige Sebastian Walter, vom Spiegel jüngst als möglicher neuer Ministerpräsident gehandelt. Und der tritt auf wie ein Oppositionspolitiker: „Wir fordern die Landesregierung auf, die Verhandlungen abzubrechen“, sagt Walter vor den Journalisten. An ebendiesen Verhandlungen, in die noch das Land Berlin und die Bundesregierung involviert sind, ist aber auch der brandenburgische Finanzminister beteiligt – und der gehört der Linkspartei an.
Die nun gestartete Volksinitiative bedeutet, dass sich der Landtag mit dem Thema befassen muss, wenn dafür 20.000 Unterschriften zusammenkommen. Natürlich könnte auch das nicht ein anderslautendes Gerichtsurteil in einem laufenden Prozess aufhalten, der aus Sicht der Linkspartei „bis zur letzten Instanz geführt“ werden soll. Wenn man da verliere, „dann ist das eben so“, sagt Landeschefin Golze.
Eine zentrale Rolle spielt für die Linkspartei die Rolle der Hohenzollern beim Aufstieg der NSDAP. Gerade deshalb ist es für die Partei „eine unverschämte Forderung“, dass die Hohenzollern über ihren Chef, Georg Prinz von Preußen, Wohnrecht in Schloss Cecilienhof fordern – dem Ort der Potsdamer Konferenz von 1945, die das Ende der Nazi-Macht besiegelte.
Das Schloss selbst ist an diesem Morgen nicht von Protestlern, sondern von Touristen umschwärmt. Und aus seinen Fenster hängen auch nicht Spruchbanner, wie es im benachbarten Berlin üblich ist, sobald die Übernahme durch einen schlecht beleumundeten Investor droht.
Was irritiert, ist, dass auf den Plakaten, mit denen die Linkspartei am Gartentor für die Volksinitiative wirbt, nicht Cecilienhof zu sehen ist, sondern das noch berühmtere Schloss Sanssouci. Ist das nicht irreführend? Spitzenkandidat Walter kontert das mit einer Gegenfrage: „Wer sagt denn, dass die Hohenzollern nach Cecilienhof Schluss machen?“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Nach dem Anschlag von Magdeburg
Wenn Warnungen verhallen
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Kaputte Untersee-Datenkabel in Ostsee
Marineaufgebot gegen Saboteure
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten