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Cannabismarkt in DeutschlandStoff für ein gutes Geschäft

Cannabis könnte bald als Alltagsdroge legal werden. Die Wirkstoffe sind es längst – auf einem streng regulierten medizinischen Markt.

Ganz und gar illegal und zudem energieintensiv: Cannabisplantage in Privathaus in Sachsen-Anhalt Foto: Polizeirevier Salzlandkreis via dpa

Berlin taz | Mit den Gesprächen von SPD, Grünen und FDP über eine neue Bundesregierung ist die Debatte über Cannabis wieder da: Soll das Rauschmittel zum Privatgebrauch entkriminalisiert werden? Würden damit Polizei und Gerichte entlastet? Vorbild sind einige US-Bundesstaaten, Kanada oder Portugal, die Anbau oder Besitz legalisiert haben. Dabei geht es auch darum, wer an dem Stoff verdient.

Der Cannabismarkt in Deutschland ist zweigeteilt: Da ist zum einen der illegale Markt, auf dem Cannabis angebaut, gehandelt und verkauft wird – für Freizeitzwecke, wie es oft heißt. Und dann existiert der offizielle, seit 2017 gesetzlich geregelte Markt für medizinisches Cannabis. Hier geht es neben Anbau und Verarbeitung um Therapie – alles, was der Arzt verschreiben kann.

Von diesem Medizinalcannabis – den Blüten der Pflanze und dem daraus gewonnenen Öl – versprechen sich Pharmaunternehmen ein sehr gutes Geschäft. Eingesetzt werden die Wirkstoffe vor allem bei Schmerzpatienten. In Teilen erstatten die Krankenkassen inzwischen auch die Behandlungskosten. Die Produkte unterliegen dem Betäubungsmittelgesetz, der Anbau der Pflanzen und die Herstellung etwa von Tropfen ist sehr stark reglementiert, um eine gleichmäßige Qualität zu sichern. Einige Pharmahersteller bauen inzwischen selbst Cannabis an, um die Kontrolle über die gesamte Produktionskette zu haben.

Bisher gibt es weltweit nur ein einziges zugelassenes Fertigarzneimittel, das bei Epilepsie eingesetzt wird. Entwickelt hat es eine britische Firma. Ein deutsches Unternehmen arbeitet gerade an einem weiteren Medikament für Schmerzpatienten, denen Arzneimittel auf Morphiumbasis nicht mehr helfen. Ansonsten werden die Arzneimittel bislang von Apothekern aus den Ölen mit den Wirkstoffen nach Anweisung des Arztes angemischt.

Noch ist der Markt ausbaufähig

Angebaut wird in Deutschland verwendetes Medizinalcannabis vor allem im Ausland. Eine staatliche Importerlaubnis haben 87 Unternehmen, die 2021 mehr als 191 Tonnen des Stoffs einführen wollen – was zeigt, wie hoch die Firmen die Marktchancen einschätzen.

Der EU-Markt für Medizinalcannabis wird auf 403,4 Millionen Euro geschätzt

Tatsächlich wurden im ersten Halbjahr nach Zahlen der deutschen Cannabiswirtschaft erst knapp 9 Tonnen importiert, vor allem aus Kanada, den Niederlanden, Dänemark und Portugal. Diese gelten als Länder, die gleichbleibende Qualität sicherstellen können. In Deutschland selbst dürfen jährlich 2,6 Tonnen angebaut werden. Die Lizenzen dafür hat die Cannabisagentur beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte an 3 Firmen vergeben, die die Pflanzen nun in Hochsicherheitsgewächshäusern anbauen.

Innerhalb der EU gilt Deutschland als wichtigster Markt. Hier werde besonders intensiv geforscht, berichtet die britische Beratungsfirma Prohibition Partners in ihrer aktuellen Überblicksstudie. In der Bundesrepublik kämen neue Produkte oft zuerst auf den Markt. Den EU-Gesamtmarkt für Medizinalcannabis schätzt Prohibition Partners für 2021 auf 403,4 Millionen Euro. Bei Wachstumsraten von im Schnitt 67,4 Prozent könnte die Branche den Experten zufolge 2025 bereits 3,2 Milliarden Euro umsetzen. Tendenz steigend.

Illegales Cannabis

Auf dem illegalen Markt sieht es etwas anders aus. Cannabisprodukte sind das mit Abstand am meisten gehandelte Rauschmittel in Deutschland, wie das Bundeskriminalamt ermittelt hat. Es bezieht sich auf die knapp 32.000 Fälle von illegalem Handel, die vor allem bei Kontrollen bekannt geworden sind. Die Dunkelziffer ist allerdings groß. Der Deutsche Hanfverband schätzt die konsumierte Menge auf 200 bis 400 Tonnen, was einem Marktwert von ungefähr 1,2 bis 2,5 Milliarden Euro entspricht. Das Geld streicht überwiegend die organisierte Kriminalität ein. Deutlich lukrativer für Kriminelle sind jedoch die Märkte für Kokain, Heroin und synthetische Drogen – die Preise sind um ein Vielfaches höher als für Cannabis.

Haschisch, das Harz der Cannabispflanzen, stammt vor allem aus Marokko. Meist wird es auf dem Seeweg in die Niederlande verschifft und dann nach Deutschland transportiert. Eine Alternative ist der Weg über Spanien und Frankreich nach Deutschland.

Hierzulande verkauftes Marihuana – die Blüten der Cannabispflanze – wird dem BKA zufolge auch meist in Westeuropa angebaut. Größere, auch professionell betriebene Plantagen in Fabrikhallen oder ausgedehnten Kellern produzieren in Belgien, den Niederlanden und Spanien. Auch in Deutschland wird angebaut. So entdeckten Ermittler im vergangenen Jahr in einer ehemaligen Gaststätte im niedersächsischen Holzminden eine professionell betriebene Plantage. Freilandpflanzen kommen aus Albanien und Spanien.

Sollte Cannabis in kleinen Mengen entkriminalisiert oder gar legalisiert werden, wie die Befürworter hoffen, hätten die Ermittler mehr Zeit und mehr Personal, um sich um die großen Drogengeschäfte und Banden zu kümmern, etwa bei harten Drogen wie Kokain und Heroin oder Designerdrogen aus dem Chemiebaukasten. Als Vorbild gilt Portugal. In den Niederlanden hat die Entkriminalisierung allerdings dazu geführt, dass sich die organisierte Kriminalität sogar ausgebreitet hat.

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11 Kommentare

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  • Im diesem Staate werden Gesetze doch schon lange dorthin gebaut wo sich das meiste Geld verdienen läßt.

    Als die Lebensmittelindustrie seinerzeit rausfand, dass man aus Scheisse (Darmbakterien) Geld (probiotisches Zeug) machen kann ging das noch ohne gesetzliche Anpassung.

    Bei Cannabis musste man da schon mehr rumtricksen.

    Und dass Vernunft und wissenschaftliche Erkenntnisse hier keine, garkeine Rolle spielen sieht man an der Zigarettenindustrie.

    Pecunia non olet - auch wenn es riecht wie ein voller Aschenbecher :)

  • In taz.de/Kiffen-als-...bb_message_4194172 wurde aus den USA berichtet: „Bei dem Vergnügungscannabis gehen 17 Prozent der Einnahmen in die Kassen von Oregon. Bereits im Finanzjahr 2020 stiegen die Cannabis-Steuereinnahmen des Bundesstaates auf rund 130 Millionen Dollar, im Finanzjahr 2021 kletterten die Steuereinnahmen auf 180 Millionen“



    Gegen Medizinalcannabis habe ich nichts. Aber mit „Vergnügungscannabis“ wird der Staat zum Dealer! Allerdings: Nach Jahren und Jahrzehnten Gebrauch von „Vergnügungscannabis“ (o. ä.) wird sich das gesundheitlich bemerkbar machen, ebenso wie bei Alkohol und Nikotin. In Staaten, in denen die Gesundheit Privatsache ist, d. h., in denen sich jeder privat versichert (oder gar nicht), kann es dem Staat (z. B. USA) scheinbar egal sein. Aber auch dann trifft es den Staat, wenn die Kiffer kaum noch arbeitsfähig sind und somit auch kaum noch Steuern bezahlen.



    In D. müsste darüber hinaus die GKV (genauer: Die Gemeinschaft der gesetzlich Versicherten) dann auch noch für die Gesundheitsschäden durch „Vergnügungscannabis“ aufkommen!

  • " versprechen sich Pharmaunternehmen ein sehr gutes Geschäft "



    da kann es ja nur die Legalisierung geben, wenn dann die Pharmakonzerne als die neuen Dealer gut verdienen.

  • Zitat TAZ: "Cannabis könnte bald als Alltagsdroge legal werden."

    Genau da liegt das Problem. Was ist eine "Alltagsdroge"? Was ist überhaupt ein "Alltag"? Der Gebrauch von hochwirksamen Rauschmitteln wie Cannabis, Alkohol oder vergleichbar intensiv wirksamen Substanzen kann nicht "alltäglich" sein.. Wann kapieren die Leute eigentlich endlich mal, wie man mit Rauschmitteln umgehen muß, um sie auf eine nützliche Art zu verwenden, ohne sich von ihnen abhängig zu machen? Mit Sicherheit nicht, indem man sie täglich gebraucht. Wer von Cannabis und anderen hochwrksamen Rauschmitteln von "Alltagsdrogen" spricht, prägt ein falsches Bild und macht sich mitschuldig an Abhängigkeiten. Die moderne Industriegesellschaft braucht geeignete Umgangsformen für Rauschmittel in Form von Sitten, Bräuchen und anderen modernen sozialen Normen. Diese Normen müssen erst noch geschaffen werden, und sie werden nicht geschaffen, indem man von den Mitteln von "Alltagsdrogen" spricht.

    Eine sinnvolle Drogenpolitik beginnt dort, wo man nach den Nutzen einer Anwendung von Rauschmitteln fragt - und NUR dort. Das sollte sich auch die TAZ einmal hinter die Löffel schreiben.

  • Markt komplett deregulieren pls. Wenn das so ein Edel-Markt mit teuren Lizenzen, die notwendig sind und für Noah-Normal-Plfanzenfreund*in unerfüllbaren Anbauungsauflagen und Regulierungen wird, dann bewegen wir uns einfach nur einen weiteren Schritt in Richtung Acid Capitalism, anstatt partizipativ gemeinsam einen neuen Markt zu gestalten. Es kommt, wie bei den anderen Märkten übrigens auch, darauf an, wer hier bevorzugt wird, wenn es darum geht, wer am Ende mit der Kohle und den Möglichkeiten dasteht und wer nicht.

  • "In den Niederlanden hat die Entkriminalisierung allerdings dazu geführt, dass sich die organisierte Kriminalität sogar ausgebreitet hat."

    Nicht die Entkriminalisierung sondern die nur teilhafte Legalisierung mit ganz vielen Grauzonen.

    Ohne die organisierte Kriminalität, ohne den Schmuggel vom Hasch aus Marokko wäre der Betrieb der Coffeeshops gar nicht möglich. Die Produktion und auch den Import hätte Legalisiert werden müssen. Milliarden an Steuereinnahmen für Länder wie Marokko wären möglich gewesen. Den Berbern, die das Weed anbauen geht es richtig dreckig!

    Das ist so, als würde der Alkoholverkauf erlaubt, aber das professionelle Brennen und Brauen, wäre illegal. Achso und auf den Verkauf gibt es keine Mwst. oder sonstige Steuern und keiner kontrolliert, die verkauften Mengen. Und es würden Jährlich Tonnenweise Alkohol illegal ins Land geschmuggelt und legal verkauft.

    Wer denkt sich sowas eigentlich aus?

    Nein die Liberalisierung ist nicht das Problem sondern die Fehlende Normalisierung und damit Regulierung. Es ist eher ein Mangel an Liberalisierung, der Quell des Übels ist.

    In Spanien ist es ein ähnliches Problem mit dem Cannabis Social Clubs. Die Zahlen auch keine direkten Steuern, weil es ja ein Gemeinnütziger Verein ist. Auch hier ist die Mafia mit dabei und Betreibt sogar direkt eigene Clubs, Mitten in den Zentren der Städte.

    • @Obscuritas:

      Hachja, das wäre ja traumhaft, würde es legal aber bliebe steuerfrei und dereguliert, leicht zungänglich und ohne Potenzial für staatlich-festgeschrieben privilegierte Kapitalakkumulation einiger weniger. Allerdings wird das die Ampel-Regierung nicht wollen, immerhin muss das Geld für Grüne- und SPD-Vorhaben ja irgendwoher kommen und die FDP macht's nicht locker c;

  • 8G
    86548 (Profil gelöscht)

    Das ist die Lösung für die Löcher im Bundeshaushalt: Kiffen für Deutschland.

  • Hier wird etwas durcheinander geworfen:

    *Portugal* hat den Konsum aller Drogen entkriminalisiert, den Markt allerdings nicht *legalisiert*.

    Die Niederlande haben eine komische Situation: Konsum und Verkauf an Verbraucher ist legal. Allerdings kaufen die Coffee Shops auf dem Schwarzmarkt ein. Daher ist der letzte Satz, dass in Holland der Schwarzmarkt stärker wurde, wenig verwunderlich.

    Eine echte Legalisierung (nicht wie in Holland) würde den Schwarzmarkt zurückdrängen, weil man ihm die Grundlage (zahlende Kunden) entzieht, indem sie auf dem legalen Markt kaufen.

    • @Martin Weber:

      nicht nur hier.

      Der Autor scheint hier 1zu1 die Position aus dem Artikel aus dem Leitartikel aus dem aktuellen Spiegel übernommen zu haben.

      Kritiker der Legalisierung verweisen gerne auf Holland um zu zeigen was schief gehen könnte.

      Was halt absoluter Blödsinn ist.

  • ?? in den niederlanden hat sich die organisierte kriminalität nach der entkriminalisierung von cannabis ausgeweitet ??



    da hätt ich gerne mehr informationen zu dieser aussage.



    ausgeweitet wohin? oder im selben sektor ausgeweitet?



    tut mir leid, aber so find ich die aussage ziemlich nichts sagend.