Cannabis-Verbot: Kiffen bleibt vorerst strafbar
Das bisherige Verbot von Cannabis hat nach Erklärung des Bundesverfassungsgerichts weiter Bestand. Jetzt ist eine Entscheidung des Bundestages gefragt.
Derzeit sind Anbau, Besitz und Weitergabe von Cannabis in Deutschland strafbar, nur der reine Konsum ist straflos. Amtsrichter Andreas Müller aus Bernau bei Berlin hält das für unverhältnismäßig und daher verfassungswidrig. Beim „moderaten Gebrauch“ durch Normalbenutzer:innen sei Cannabis „relativ ungefährlich“ und deutlich harmloser als der legale Alkohol. Deshalb müsse zumindest der Besitz von geringen Mengen straflos sein, so Müller.
Richtervorlagen als unzulässig erklärt
Da aber nur Karlsruhe über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen entscheiden kann, legte der Bernauer Amtsrichter 2020 einen ersten Fall vor. Er nutzte dabei einen Musterentwurf des Deutschen Hanfverbands. Insgesamt musste das Bundesverfassungsgericht nun über 13 weitgehend identische Vorlagen der drei Amtsgerichte Bernau, Pasewalk und Münster entscheiden.
Eine mit drei Richter:innen besetzte Kammer des Verfassungsgerichts erklärte nun alle Richtervorlagen für unzulässig. Da Karlsruhe 1994 schon einmal über die Strafbarkeit des Cannabis-Konsums entschieden hatte, hätten die Vorlagen eine ganz neue Sach- oder Rechtslage aufzeigen müssen. Die Amtsrichter hätten jedoch im wesentlichen die alten Argumente wiederholt.
Damit bleibt es bei der Karlsruher Entscheidung von 1994. Danach ist es ein legitimes strafrechtliches Ziel, die Bevölkerung und insbesondere die Jugend vor den Gefahren von Cannabis zu bewahren, auch wenn Kiffen „weit weniger gefährlich“ ist als vom Gesetzgeber ursprünglich angenommen.
Ampel plant Entkriminalisierung
Die Androhung von Strafe sei nicht unverhältnismäßig, weil das Verfahren beim erstmaligen Besitz geringer Mengen Cannabis ja eingestellt werden kann. Dass Besitz und Verkauf des gefährlicheren Alkohols legal bleiben, sei gerechtfertigt, so das Bundesverfassungsgericht 1994, denn der Gesetzgeber könne den Genuss von Alkohol „wegen der herkömmlichen Konsumgewohnheiten in Deutschland“ nicht effektiv unterbinden.
Auch die Tatsache, dass inzwischen mehrere Staaten wie Portugal, Kanada und Uruguay sowie Teile der USA Cannabis legalisiert haben, ohne dass dies zu Chaos und Kontrollverlust führte, ließen die Verfassungsrichter:innen nicht als neue Sachlage gelten. Sie betonten vielmehr, dass es Aufgabe des Gesetzgebers sei, „Strafnormen gesellschaftlichen Entwicklungen anzupassen“.
Der Verweis auf den Bundestag lag nahe, da die Ampel-Koalition gerade ohnehin eine Entkriminalisierung von Cannabis plant. Ein Gesetzentwurf, den Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) vorige Woche vorlegte, sieht vor, dass der Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis zum Eigengebrauch ebenso straffrei bleiben soll wie der Besitz von drei Cannabispflanzen zum Eigenanbau. Das Bundesverfassungsgericht hat diesen Plänen nun zwar keinen Rückenwind verschafft, aber auch keine Bedenken dagegen angedeutet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Rücktritte an der FDP-Spitze
Generalsekretär in offener Feldschlacht gefallen
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Iran als Bedrohung Israels
„Iran könnte ein Arsenal an Atomwaffen bauen“
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut