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CSU-Parteitag in AugsburgMerz will lüften

Bei ihrem Parteitag bereitet die CSU Friedrich Merz einen begeisterten Empfang. Markus Söder lässt sich sogar die Show stehlen.

Umlegen wollte Friedrich Merz (rechts) den CDU-CSU-Fan-Schal dann doch nicht Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa

Augsburg taz | Am Ende, während die Delegierten ihm minutenlang fast schon frenetisch zujubeln, muss sich Friedrich Merz dann doch den Schweiß von der Stirn wischen. Eine gute Stunde hat der Vorsitzende der CDU beim Parteitag der Schwesterpartei gesprochen und, wenn man die Reaktionen des christsozialen Publikums verfolgt, das in diesem Ambiente kaum für möglich Gehaltene geschafft: Er hat dem Platzhirsch Markus Söder, der hier am Vortag gesprochen hat, die Show gestohlen.

Der gibt sich immerhin als guter Verlierer: Als „echt Spitze“ klassifiziert er das „Grußwort“ des CDU-Chefs, es sei so schön, wenn CDUler im Herzen so dächten wie CSUler. Klar, was hier mitschwingt: Dass die beiden Schwesterparteien so geschlossen Seit’ an Seit’ schreiten, ist keine Selbstverständlichkeit. Der würdelose Kampf um die Kanzlerkandidatur und der missratene Bundestagswahlkampf ist noch nicht lange genug her, um vergessen zu sein. So vermerkt denn auch Merz gleich zu Beginn seiner Rede: „So ein annus horribilis wie 2021 wird sich nicht wiederholen zwischen CDU und CSU.“ Zerstrittene Parteien würden nicht gewählt.

Und da ein Wahlsieg schließlich das große gemeinsame Ziel ist – Söder strebt ihn für nächstes Jahr in Bayern an, Merz mutmaßlich etwas später im Bund – ist es denn auch unverkennbar das ganz große Signal, das die beiden Parteichefs an ihre Leute, aber auch das Land aussenden wollen: Zwischen uns passt kein Blatt.

Merz ist gerade erst bei scheppernden Disco-Beats in die Halle der Augsburger Messe eingezogen, hat noch keine zwei Minuten gesprochen, da hat er die gute Zusammenarbeit mit der CSU schon zum dritten Mal betont. Überhaupt ist es eine launige, zielgenau auf das Publikum abgestimmte Rede. Dem Sauerländer fällt es nicht weiter schwer, die Delegierten für sich einzunehmen.

So richtig in Fahrt kommt Merz dann in der zweiten Hälfte der Rede, als er etwa – gut, es ist einer der abgenutzteren Unionsklassiker – über die Grünen und die SPD als Verbotsparteien herzieht oder über das Verbrennerverbot der EU. Man dürfe nicht nur über Vermeidung und Verbote reden, sondern müsse jede Technologie ernsthaft erproben und prüfen. „Wir denken nicht in Verboten, nicht in Regulierung, wir denken, dass in diesem Land ein solches Innovationspotential steckt, dass man diese Unternehmen endlich mal machen lassen muss“, ruft er den über 800 Delegierten zu. „Wir müssen Denkverbote wegreißen, die Fenster aufreißen in diesem Land!“ Maximaler Applaus.

Friedrich Merz arbeitet sich an Olaf Scholz ab

Was seien Dorothee Bär und Markus Söder nicht verspottet worden für ihre Flugtaxis und Raumfahrtprogramme, und jetzt wollten alle mit dabei sein. Das dürfte den Angesprochenen runtergehen wie mittelfränkischer Blütenhonig. „Wir müssen eine solche Aufbruchstimmung in ganz Deutschland erzielen“, sagt Merz, und: „Wir sind kein Land von Aussteigern. Wir sind Einsteiger.“

Der Rest ist ein Parforce-Ritt, wie ihn auch Söder am Freitagnachmittag hingelegt hat, durch die Versäumnisse der Ampelregierung. Während Söder sich am Vortag vor allem Wirtschaftsminister Robert Habeck von den Grünen vorgeknöpft hat, arbeitet sich Merz am Bundeskanzler ab. Was eigentlich in dessen Kopf vorgehe, fragt er und kritisiert den von Olaf Scholz forcierten Teilverkauf des Hamburger Hafens an ein chinesisches Unternehmen. „Er hat es uns doch in seiner Regierungserklärung gesagt, dass wir uns zu abhängig gemacht haben.“ Mit dieser Morgengabe im Gepäck verschaffe der Kanzler nun der chinesischen Staatsführung bei seiner Reise in die Volksrepublik einen großen Propagandaerfolg. „Das hätte kein Amtsvorgänger vor ihm so gemacht.“

Überhaupt Scholz: In Merz’ Augen ist der Sozialdemokrat ein Ausbund an Respektlosigkeit: „Wir hatten noch nie einen Bundeskanzler in Deutschland, der so respektlos umgegangen ist mit seinen Koalitionspartnern, so respektlos umgegangen ist mit den Institutionen unseres Staates, so respektlos umgegangen ist mit unseren Nachbarn, so respektlos umgegangen ist mit unseren internationalen Partnern auf der ganzen Welt.“ Insbesondere die Abwesenheit von Scholz und den übrigen Mitgliedern des Bundeskabinetts bei der Rede von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am Freitag in Schloss Bellevue hielt Merz der Regierung vor. „Das ist ein Ausmaß an Respektlosigkeit unserem Staatsoberhaupt gegenüber, das ich nicht für möglich gehalten habe.“

Die CSU jedenfalls ließ es an Respekt ihrem Gast gegenüber nicht missen. Am Ende gibt es noch einen CDU-CSU-Fan-Schal für den CDU-Chef, bevor er die Bühne verlässt. Umlegen tut er ihn dann jedoch nicht.

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3 Kommentare

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  • Also die CDU hat in meinem erwachsenen Leben die meiste Zeit regiert und das war immer mit Verboten und Regulierung verbunden. Irgendwann durfte man keinen großen Schal tragen, wenn in der Nähe eine Demo war, man hätte dafür mächtig Ärger bekommen können. Dann hat die CDU ordentlich Schulden gemacht, Norber Blüm hat damals 50-jährige in Rente geschickt, die Konditionen von damals sind teilweise besser als die Einkommen von heute.

    Kohl hat dann die Deutsche Einheit so gemacht, dass die DDR danach mehr oder weniger KO war. Und alles, wirklich alles war von einer expansiven Bürokratie, hohen Auflagen und viel vermeidlich strenger inneren Sicherheit geprägt. Es war nie besonders frei, bunt oder ohne Verbote. Für mich ist es ein Rätsel, dass Merz den Schneid hat eine ganze Halle mit lauter Lügen zu bedenken.

    Die CDU (CSU) wird dieses Land gar nicht groß ändern, dass sagen sie eigentlich auch täglich und wenn man will, stündlich, es soll alles so bleiben wie es ist, nämlich vergleichsweise niedrige Steuern für Reiche und Superreiche, hohe Abgaben für die Mittelklasse und Almosen für die Armen. Menschen wie Merz lehnten bereits Erhöhungen des Mindestlohns ab, legten bei den Harz-Reformen mehr Last drau und ändern in ihren Regierunge an dem System Hartz (SGB II) fast gar nichts. Und kommen wir mal zu Auflagen aus dem SGB II, wer sich dort Geld geben lässt, muss eine Vereinbarung abschließen, dass er jede Arbeit (fast) annimmt, noch fünf Jahre nach Ende des Bezugs muss er Rechenschaft über seine Konten und Vermögen ablegen. Dazu kamen die Leute vom Amt schon in Wohnungen und kontrollierten, wie viele Zahnbürsten es gab und ob da nicht irgendwo ein Partner war, der gearbeitet hat. Von der CDU ist mir keine Kritik an dieser massiven Überwachunge bekannt geworden. Und auch sonst hat die CDU /CSU viel gemacht, um Bundesbürger zu überwachen, in kaum einem anderen EU-Land wird so viel abgehört und geforscht, was Menschen machen.

    Warum lügt dieser Mann so dreist?

  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    "Umlegen tut er ihn dann jedoch nicht." Umlegen? Umlegen lassen.

  • „Das ist ein Ausmaß an Respektlosigkeit unserem Staatsoberhaupt gegenüber, das ich nicht für möglich gehalten habe.“

    Vermutlich hat die Regierung die Rede vorab gelesen und ist wegen Belanglosigkeit nicht erschienen.