CSU-Klausurtagung: Abschieben wie England
In Kloster Seeon fordert die CSU eine Wende in der Migration. Flüchtlingen soll weiterhin Schutz gewährt werden – nur nicht in Deutschland.
Nein, Ruanda steht für ein neues Asylmodell, von dem sich die CSU eine zumindest teilweise Lösung der Migrationsfrage erhofft. Deutschland, so findet Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, der Gastgeber der Klausur, müsse sein Schutzversprechen für geflüchtete Menschen auch außerhalb der europäischen Grenzen einlösen können.
Die Idee stammt dabei aus Großbritannien: Flüchtlinge, die auf die Insel kommen, bekämen demnach zwar Schutz gewährt, aber eben nicht in Großbritannien, sondern in Ruanda. Die Briten würden ihre Flüchtlinge dorthin ausfliegen. Ruanda hat sich damit bereits einverstanden erklärt – gegen entsprechende Bezahlung, versteht sich. Auch andere Länder – etwa Ghana – sind für ein entsprechendes Modell im Gespräch.
Von der Ruanda-Methode erwarten sich die Befürworter vor allem eine abschreckende Wirkung auf potenzielle Flüchtlinge. Wer weiß, dass er am Ende ohnehin nicht im Vereinigten Königreich, sondern in Ruanda lande, so der Gedanke, überlege es sich zweimal, ob er einer Schleuserbande eine horrende Summe dafür zahle, ihn nach Großbritannien zu bringen.
Abschiebungen nach Syrien werden diskutiert
Ganz so einfach, wie sich die britische Regierung das vorgestellt haben mag, ist die Sache allerdings nicht. Der Plan wurde vom obersten Gericht für rechtswidrig erklärt. Ohne ein neues Gesetz lässt er sich daher erstmal nicht umsetzen. Dobrindt hindert das freilich nicht daran, sich die Idee zu eigen zu machen.
Dass die CSU-Landesgruppe das Thema Migration als einen ihrer Schwerpunkte in Kloster Seeon gewählt hat, ist kein Zufall. Es ist das zentrale Thema, mit dem die AfD erfolgreich auf Stimmenfang geht. Und so gut die Union derzeit in den Umfragen auch im Direktvergleich mit den Ampelparteien dasteht, so stark bedrängt sie die AfD von rechts. In Bayern kamen die Rechtsextremen bei den Landtagswahlen im Oktober auf 14,6 Prozent der Stimmen. Bei den diesjährigen Wahlen in Ostdeutschland werden noch weit stärkere Zugewinne erwartet. Im Freistaat kommt der Sonderfall der Freien Wähler hinzu, deren Chef Hubert Aiwanger ebenfalls nicht vor rechtspopulistischen Parolen zurückschreckt.
Kein Wunder also, dass man das Feld nicht der Konkurrenz überlassen will. Zumal auch der Druck von den CSU-Bürgermeisterinnen und -Landräten groß ist, die sich von der großen Zahl der unterzubringenden Flüchtlinge überfordert sehen und allein gelassen fühlen. So fordert Dobrindt wie auch sein Parteichef Markus Söder, der am Samstag eine Grundsatzrede vor den Parlamentariern hielt, eine Abkehr von der bisherigen Migrationspolitik.
Mit dem Ruanda-Modell, argumentiert Dobrindt, könne man das Narrativ der Schleuserbanden durchbrechen, die den Flüchtlingen eine Aufnahme in den deutschen Sozialsystemen versprächen. Bei Ruanda soll es indes nicht bleiben: So will die CSU die Leistungen für Flüchtlinge so weit wie möglich auf Sachleistungen umstellen. In Bayern plant Söder derzeit die Einführung einer entsprechenden Bezahlkarte für Flüchtlinge. In Kloster Seeon legt der Ministerpräsident eine weitere Forderung auf den Tisch: Es sei an der Zeit zu prüfen, ob inzwischen nicht auch Abschiebungen in manche Gebiete Syriens möglich seien.
Dänemark als Vorbild
Mit der CDU weiß sich die CSU bei dem Thema auf einer Linie. Während die Migrationsfrage zu Zeiten von Angela Merkel und Horst Seehofer den Frieden unter den Schwesterparteien massiv gefährdete – Stichwort Obergrenze –, fragt sich die CSU mittlerweile allenfalls, wo sie noch eigene Akzente setzen kann. Beim Blick in den jüngst vorgelegten Entwurf eines neuen CDU-Grundsatzprogramms fand man in Sachen Migration die eigenen Vorstellungen eins zu eins umgesetzt.
Wer in der EU Asyl beantragt, heißt es darin etwa, solle in einen sicheren Staat außerhalb der Europäischen Union überführt werden und dort ein Verfahren durchlaufen. Fällt es positiv aus, werde dem Antragsteller Schutz gewährt – dort.
Der Plan ist auch Thema beim Gespräch mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die am Samstagnachmittag nach Seeon kam. Beim gemeinsamen Auftritt mit Dobrindt vor der Presse, will sich von der Leyen, ihres Zeichens immerhin CDU-Politikerin, jedoch nicht zu einem Bekenntnis zum Ruanda-Modell hinreißen lassen. „Wir sind die, die entscheiden, wer nach Europa kommt und unter welchen Umständen – nicht die Schlepper“, sagt sie lediglich und betont die Wichtigkeit von Abkommen mit Transit- und Herkunftsländern.
In der Ampel wiederum gibt es in Sachen Ruanda-Modell unterschiedliche Auffassungen. Während FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung große Sympathien bekundete und meinte, rechtliche Bedenken könnten ausgeräumt werden, lehnte Saskia Esken den Plan kategorisch ab. Er verstoße gegen die Genfer Flüchtlingskonvention, sagte die SPD-Chefin der Deutschen Presse-Agentur und verwies darauf, dass die Konvention als Reaktion auf die Massenvertreibungen durch die Nazis geschaffen worden sei.
Eine gänzlich andere Auffassung zu dem Thema haben die dänischen Sozialdemokraten. Einer von ihnen, Migrationsminister Kaare Dyvbad Bek, steht denn auch am Sonntagmittag mit Dobrindt im Klosterhof im Schneetreiben. Bek ist einer der größten Verfechter des Ruanda-Modells. Gern spricht er über Pullfaktoren beim Thema Einwanderung.
Menschen, so der Minister, flöhen zwar vor etwas, aber auch zu etwas hin. Durch eine rigide Zuwanderungspolitik habe man in Dänemark diese Faktoren stark reduziert. Ein gutes Vorbild, findet Dobrindt, der in Deutschland eine besonders starke Magnetwirkung etwa durch das Staatsbürgerschaftsrecht der Ampel oder das Bürgergeld sieht.
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