CSU-Affäre um Jobs für Angehörige: Aufklärung im bayerischen Landtag

Landtagspräsidentin Barbara Stamm, CSU, will die Vetternwirtschaft im bayerischen Landtag aufklären. Die CSU will das nicht so gerne.

Justizministerin Beate Merk bestätigte auf Anfrage, dass sie ihrer Schwester zeitweise Büroaufträge erteilte. Bild: dpa

MÜNCHEN dpa | In der Affäre um die Beschäftigung von Familienmitgliedern im bayerischen Landtag geraten weitere Regierungsmitglieder der CSU in die Schusslinie. Dazu zählen auch Justizministerin Beate Merk und Agrarminister Helmut Brunner, wie eine Umfrage des Bayerischen Rundfunks unter allen 187 Abgeordneten ergab.

Landtagspräsidentin Barbara Stamm (CSU) will jetzt die Namen aller Abgeordneten veröffentlichen, die nach dem Jahr 2000 Ehepartner oder Kinder als Mitarbeiter beschäftigt hatten. Das kündigte sie am Donnerstag nach Gesprächen mit den Fraktionschefs von CSU und SPD an. Überschattet von der Affäre soll CSU-Parteichef Horst Seehofer an diesem Freitag zum Spitzenkandidaten für die Landtagswahl im September erklärt werden.

Justizministerin Merk bestätigte auf Anfrage, dass sie von 2010 bis 2013 ihrer Schwester zeitweise Büroaufträge erteilte, nachdem eine reguläre Mitarbeiterin wegen Schwangerschaft ihre Arbeitszeit reduziert hatte. Agrarminister Brunner teilte mit, er habe als Abgeordneter seine Frau von 2000 bis 2009 beschäftigt, für maximal 919 Euro netto im Monat.

In allen Fällen war die Beschäftigung von Verwandten nach dem bayerischen Abgeordnetengesetz erlaubt – anders als im Bundestag. Trotzdem regt sich gegen die Praxis großer Unmut. CSU-Fraktionschef Georg Schmid war vergangene Woche zurückgetreten, weil er seine Frau als Sekretärin beschäftigt und ihr dafür ein Gehalt von knapp 2300 Euro netto bezahlt hatte.

Innenstaatssekretär Gerhard Eck, CSU, erklärte, er habe seine Frau 1998 für 20 Wochenstunden angestellt, für durchschnittlich 768 Euro netto. Kultusminister Ludwig Spaenle, CSU, hatte seine Frau bis 2008 für durchschnittlich 2041 Euro netto beschäftigt, seither in Teilzeit für 658 Euro. Die Frau von Finanzstaatssekretär Franz Pschierer, CSU, arbeitete von 2000 bis 2013 für ihren Mann, für durchschnittlich 625 Euro.

„Dann soll er mich verklagen“

Kultusstaatssekretär Bernd Sibler, CSU, hatte Ende der 1990-er Jahre als Parlamentsneuling kurzfristig seine Mutter angeheuert, bis 2007 dann seine Frau für netto 520 Euro. Er entschuldigte sich jetzt „für die fehlende Sensibilität in dieser Frage“.

Nach Angaben der Landtagspräsidentin hatten nach der Gesetzesverschärfung im Jahr 2000 noch 78 Abgeordnete von CSU, SPD, Grünen sowie ein fraktionsloser Abgeordneter die Altfallregelung genutzt, wonach bestehende Verträge mit Ehepartnern oder Kindern weiterlaufen durften.

Die Fraktionschefs von CSU und SPD sollen nun möglichst bis Freitagmittag mit sämtlichen betroffenen Politikern reden, dann will Stamm die Namen veröffentlichen. „Wenn jemand dagegen ist, dass er veröffentlicht wird, ich es aber dann trotzdem tue, dann soll er mich verklagen“, sagte Stamm.

Geschwister beschäftigt hatten auch die SPD-Abgeordneten Maria Noichl und Susann Biedefeld, ebenso der Grüne Thomas Gehring. Ein Mitarbeiter von Freie Wähler-Chef Hubert Aiwanger heiratete 2011 dessen Schwester und wurde somit zum Schwager. Auch er wurde bislang aus öffentlichen Geldern bezahlt. Aiwanger will seinen Schwager nun nicht feuern, sondern aus eigener Tasche bezahlen, wie er am Donnerstag sagte.

Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) erklärte, sie sei „fassungslos“ über das „Ausmaß der Selbstbedienung“ in der CSU, wie sie Münchner Merkur und Spiegel Online mitteilte.

Ungeachtet der Aufregung kann die CSU nach wie vor auf die absolute Mehrheit bei der Landtagswahl im September hoffen. In der jüngsten Umfrage für Sat.1 Bayern liegen die Christsozialen bei 47 Prozent – ein Prozentpunkt schlechter als bei der vorangegangenen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts GMS im vergangenen Oktober. Die SPD liegt in der neuen Umfrage bei 20 Prozent, die Grünen bei 13, die Freien Wähler bei 8 Prozent. Damit hätte ein eventuelles Dreierbündnis nach wie vor weniger Stimmen als die CSU allein.

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