CSD in Berlin: Glitzer, Regenbogen und Politik
„Happy Pride“ ist überall zu hören, Zehntausende feiern fröhlich beim Berliner CSD und anderswo. Neben dem Spaß geht es um den Nahost-Konflikt.
Nach einem verregneten Start wurden in der Hauptstadt die Schirme gegen Sonnenbrillen getauscht. Gut gelaunte, tanzende Menschen dominierten das Bild. „Der Regenbogen ist ein Naturphänomen“ und „Pride not prejudice“ (zu Deutsch: Stolz, nicht Vorurteil) war auf Schildern der Demo-Teilnehmer zu lesen. „Happy Pride“ hörte man vielerorts.
Berliner CSD einer der größten in Europa
Der CSD in Berlin gilt als eine der größten Veranstaltungen der lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans-, intergeschlechtlichen und queeren Community in Europa. Die 75 Wagen und Dutzende Fußgruppen, die sich zu Lady Gagas „Born this way“ in Bewegung gesetzt hatten, zogen bis zur Siegessäule. Von dort ging es zu Fuß weiter zur Abschlusskundgebung am Brandenburger Tor. Am Abend sollen dort noch diverse musikalische und künstlerische Acts auftreten. Als Überraschungsgast wurde Herbert Grönemeyer angekündigt.
Die Polizei zeigte sich zufrieden. Ein Sprecher sagte der dpa, die Beamten blickten in „viele fröhliche und freundliche Gesichter“. 1.200 Menschen waren im Einsatz. Zwischenfälle gab es bis zum Nachmittag kaum. Eine Gruppe Rechter in szenetypischer Kleidung habe versucht, zum Aufzug zu kommen, sagte der Sprecher. Die Gruppe sei von Polizisten am Weiterlaufen gehindert worden. Die Überprüfungsmaßnahmen liefen noch.
„Die Community begrüßt die politischen Forderungen“
Die Veranstalter des CSD appellieren an die Politik, den Schutz queerer Menschen ins Grundgesetz aufzunehmen. Die Änderung von Artikel 3 des Grundgesetzes müsse noch in dieser Wahlperiode kommen, forderte Aktivistin Sophie Koch in der Eröffnungsrede in Berlin.
In Artikel 3 heißt es unter anderem: „Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“ Hier solle ergänzt werden, dass außerdem niemand „wegen seiner sexuellen Identität“ diskriminiert werden dürfe. Unterstützung erhielten die Aktivistinnen und Aktivisten von Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne), die ein Grußwort hielt.
Wegner: Bisher keine Mehrheit für Grundgesetzänderung
Hinter den Kulissen hatte es zuvor Streitigkeiten gegeben: Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) hatte bei der Eröffnung des CSD im vergangenen Jahr angekündigt, sich für eine entsprechende Bundesratsinitiative einzusetzen. Aus Sicht der CSD-Organisatoren ist seitdem nicht genug passiert. Wegner hielt deshalb nicht, wie es für den Regierenden Bürgermeister üblich ist, die Eröffnungsrede. Am Rande des CSD sagte Wegner dem RBB, er setze sich für eine schnelle Änderung ein, „am besten vor der Bundestagswahl“. Es gebe aber bisher keine Mehrheit dafür.
Veranstalter: Zunahme von Hasskriminalität
In Stuttgart stand der CSD unter dem Motto „Vielfalt leben. Jetzt erst recht!“ Nach Angaben der Veranstalter sollten 150 Gruppen durch die Straßen zum zentralen Schlossplatz ziehen – der CSD wäre damit der bisher größte in Stuttgart nach 131 Gruppen im vergangenen Jahr. 2023 Jahr habe die Hasskriminalität unter anderem gegen lesbische, schwule, bisexuelle und queere Menschen deutlich zugenommen, kritisieren die Veranstalter in einer Erklärung.
Der Christopher Street Day wird weltweit gefeiert. Die Bewegung geht auf Ereignisse im Juni 1969 zurück. Nach einer Razzia der Polizei in der Szenebar „Stonewall Inn“ kam es damals zum Aufstand von Schwulen und Lesben. Hauptschauplatz von Straßenschlachten war die Christopher Street im Künstler-Viertel Greenwich Village.
„Queers for Palestine“ auf der Straße in Berlin
In Berlin haben unabhängig vom großen Zug zum Christopher Street Day (CSD) auch zahlreiche Menschen unter dem Motto „Queers for Palestine“ demonstriert. Für den „antikolonialen, antirassistischen und antikapitalistischen Freiheitskampf“ sollten nach Angaben der veranstaltenden Organisation Internationalistische Queer Pride (IQP) rund 15.000 Teilnehmende auf die Straße gehen, am Nachmittag waren es zunächst etwa 4.700 Menschen.
Der Zug ging vom Hermannplatz durch Kreuzberg. Zu sehen waren dabei etwa Transparente mit der Aufschrift „No Pride in Israel Apartheid“ oder „No War But Class War“. Es habe einige freiheitsbeschränkende Maßnahmen und einzelne Flaschenwürfe gegeben, sagte ein Polizeisprecher.
„Unsere Queerness wendet sich gegen die Konzentration von Macht und Reichtum in den Händen einiger weniger, die weiterhin von jahrhundertelanger Ausbeutung, Genoziden, Kriegen und allen Formen des Kolonialismus profitieren“, heißt es im politischen Manifest der Organisation.
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