CSD-Mitveranstalter über CSU-Ausschluss: „Ängste werden geschürt“
Die CSU darf nicht an der großen CSD-Parade in München teilnehmen. Weil sie sich nicht für alle Queerpersonen einsetze, sagt ein Mitveranstalter.
taz: Herr Weismantel, Sie sind Mitveranstalter des Münchner CSD, der mit der großen Parade am 24. Juni seinen Höhepunkt feiert. Daran wollte auch die CSU mit einem Wagen teilnehmen – was ja eigentlich eine schöne Sache ist. Aber jetzt darf sie nicht. Warum?
Tobias Oliveira Weismantel: Für die Teilnahme gibt es bestimmte Voraussetzungen. Dazu gehört, dass ich mich für die komplette rechtliche Gleichstellung und die gesellschaftliche Akzeptanz aller Queer-Personen einsetze. Wir erkennen zwar an, dass auch die CSU eine Entwicklung durchgemacht hat und sich einzelne Personen in der Partei für das Thema sehr engagieren. Aber trotzdem erfüllt die Gesamtinstitution diese Voraussetzung nicht. Einer Partei, die der Bundesregierung in Sachen Selbstbestimmungsgesetz noch immer Ideologie vorwirft oder von einer Transmode spricht oder wie jetzt eine Lesung für Kinder für reine Polemik nutzt und mit Begriffen wie Frühsexualisierung um sich wirft, können wir nicht abnehmen, dass sie für diese Werte steht, und daher haben wir ihre Anmeldung abgelehnt.
Haben auch andere eine Absage bekommen?
Ja, die CSU ist nicht die einzige Gruppierung.
ist Geschäftsführer der Münchner Aids-Hilfe, die zusammen mit vier Partnerorganisationen den CSD München veranstaltet.
Die Lesung, die Sie ansprechen, war ja offenbar der Tropfen, der das Fass zum überlaufen gebracht hat. Die Münchner Stadtbibliothek hat im Stadtteil Bogenhausen für Mitte Juni unter dem Titel „Wir lesen euch die Welt, wie sie euch gefällt“ zu einer „Drag-Lesung“ mit einer Dragqueen, einem Dragking sowie einer 14-jährigen transsexuellen Autorin geladen. Darin soll kindgerecht das Thema Geschlechteridentität behandelt werden. Einige CSU-Politiker hatten sich daraufhin empört gezeigt, als wolle man Vierjährigen eine erotische Travestieshow präsentieren.
Diese Reaktionen haben sicherlich dazu beigetragen, dass wir gesagt haben: Ein CSU-Wagen hat auf unserer Parade nichts verloren. Aber das war nicht der allein ausschlaggebende Punkt.
In Ihrer Pressemitteilung zumindest argumentieren Sie damit, dass Teile der Münchner CSU ein Verbot der Lesung gefordert hätten. Manuel Pretzl, der Fraktionschef im Stadtrat, sagt nun aber, ein Verbot habe man nie gefordert.
Es geht auch nicht um die Frage einer Verbotsforderung, sondern einfach darum, wie mit dem Thema umgegangen wird. Herr Pretzl findet auch, wir müssten andere Meinungen zulassen und tolerieren. Hier geht es aber nicht um Meinungen, sondern um Polemik. Natürlich gibt es CSU-Politiker, die diese Haltung nicht unterstützen, aber einzelne Personen entbinden ja nicht eine Institution von einer gewissen Positionierung.
Aber können auf der anderen Seite einzelne Personen eine ganze Institution in Misskredit bringen? Wäre nicht eine Umarmungsstrategie wirksamer, um die aufgeschlossenen Geister in der Partei zu stärken?
Bevor ich jemanden umarme, muss ich insgesamt ein gutes Gefühl haben: Ich muss wissen, dass der andere es ehrlich meint. Und bei der CSU sehe ich da noch viel Entwicklungspotenzial. Was ich so gefährlich finde, ist die Polemik. Polemik wie im Fall dieser Lesung schafft Emotionen: Emotionen gegen die Personen, die es ohnehin schon schwer haben. Es ist doch perfide, wie da Ängste geschürt werden – gerade wenn Kinder im Spiel sind.
Die CSU bezeichnet sich ja selbst als weltoffen …
Den Worten müssen zuerst mal Taten folgen. Dass die CSU eine offenere Partei werden will, das hören wir gerne. Aber das muss dann halt auch glaubhaft sein. Und das ist es nicht, wenn ich gleichzeitig in die USA reise und mich mit dem offen homophoben Gouverneur Ron DeSantis treffe.
Das haben die Bundestagsabgeordneten Andreas Scheuer, Dorothee Bär und Florian Hahn getan.
Und Scheuer zeigte sich hinterher regelrecht begeistert von DeSantis. Davon hat sich der Rest der Partei nicht klar distanziert, auch nicht die Münchner CSU.
Über die „Drag-Lesung“ empörte sich aber als einer der Ersten auch Dieter Reiter, seines Zeichens immerhin Oberbürgermeister von München und SPD-Mitglied. Er habe für so eine Veranstaltung kein Verständnis und würde da mit seiner Enkelin nicht hingehen. Trotzdem darf er die CSD-Parade weiterhin als Schirmherr anführen. Wird da mit zweierlei Maß gemessen?
Nein. Wir hatten am Dienstag ein sehr vertrauliches und gutes Gespräch mit Dieter Reiter, in dem wir ihm noch mal unser Verständnis dieser Lesung dargelegt haben. Und Reiter hat sich ja inzwischen auch in öffentlichen Statements entschuldigt; er habe niemanden verletzen wollen.
Mal völlig dahingestellt, inwieweit das tatsächliches Bedauern oder lediglich politische Schadensbegrenzung war: Bekommt die CSU jetzt dieselbe Chance? Werden Sie auch mit ihr sprechen?
Nach dem jetzigen Stand der Dinge halten wir die Partei nicht für geeignet, auf der Parade für Toleranz und Akzeptanz mitzufahren. Aber die CSU ist ja nicht komplett vom CSD ausgeschlossen. Im vergangenen Jahr hatte sie ja beispielsweise auch einen Infostand. Und Gesprächen verschließen wir uns grundsätzlich nie. Den Worten müssen zuerst mal Taten folgen.
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