Bundesweiter Warntag: Deutschland schlägt Alarm
Klima, Krieg und Katastrophen: Die Bevölkerung soll besser gewarnt werden. Doch zugleich müssen die zuständigen Behörden mit weniger Geld rechnen.
Ausgespielt wurde die Probewarnung über die Warn-Apps Nina oder Katwarn. Zudem wurde Cellbroadcast aktiviert. Über dieses System wird an Mobiltelefone eine automatische Nachricht gesendet. Cellbroadcast funktioniert aber nur, wenn die Nutzer:in sich in einer Funkzelle befindet, das Gerät die entsprechende Software hat und nicht auf Flugmodus geschaltet ist. Es können damit auch Besucher:innen oder Personen mit ausländischen Mobilfunknummern, die sich gerade in Deutschland aufhalten, erreicht werden. Wer eine deutsche Handynummer im Ausland verwendet, der bekommt die Warnung nur über die Warn-Apps.
Der Probealarm lief zudem über Radio- und Fernsehsender und auf Info-Tafeln an Bushaltestellen oder in den Innenstädten. Wer nach 11 Uhr etwa die App des Deutschlandfunks öffnete, erhielt dort den schriftlichen Hinweis: „In Deutschland findet heute der Warntag 2023 mit einer bundesweiten Probewarnung statt. Es besteht keine Gefahr.“
Der bundesweite Warntag findet einmal im Jahr statt. Damit will das BBK – als dem Bundesinnenministerium unterstellte Behörde – testen, wie viele Menschen mit dem sogenannten Warnmix bei Gefahren auch tatsächlich erreicht werden. Im taz-Interview zeigte sich BBK-Präsident Ralph Tiesler zuversichtlich, dass erneut, wie beim Warntag im Dezember 2022, mindestens 90 Prozent der Bevölkerung die Probewarnung registrieren. Aber: „Wichtig ist uns etwa, die Erreichbarkeit von Menschen mit Beeinträchtigungen kontinuierlich weiter zu erhöhen“, sagte Tiesler der taz.
Innenministerin Faeser: Stresstest voller Erfolg
Alle technischen Möglichkeiten sollten erprobt werden, um zu sehen, ob es noch Herausforderungen gebe. Grundsätzlich gehe es beim Warntag aber darum, die Bevölkerung für Gefahren zu sensibilisieren. „Die Menschen müssen wissen, was sie im Ernstfall zu tun haben.“ Tieslers Dienstherrin, Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sprach bereits kurze Zeit nach dem Probealarm von einem vollen Erfolg des dritten Warntags. „Unsere Warnsysteme haben den großen Stresstest bestanden“, erklärte Faeser.
Via Online-Umfrage soll nun herausgefunden werden, wo es noch Defizite gibt. Denn dass der Alarm größtenteils pünktlich am Donnerstag los ging, ist nicht selbstverständlich. Beim ersten bundesweiten Warntag 2020 verzögerte sich die Meldung um rund eine halbe Stunde. Der Grund: überlastete Systeme.
Diese Panne, aber auch die Flutkatastrophe im Ahrtal im Juli 2021 führten dazu, dass technisch aufgerüstet wurde und die zuständigen Stellen besser zusammenarbeiten wollen. So gibt es laut Technischem Hilfswerk (THW) bessere Absprachen mit Tieslers Behörde. In Rheinland-Pfalz wurde zudem ein Landesamt für den Bevölkerungsschutz eingerichtet.
Kürzungen sind das falsche Signal
Mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine und auch der Zunahme an Katastrophen bedingt durch die Klimakrise hat der Bevölkerungs- und Katastrophenschutz auf der politischen Agenda mehr Gewicht bekommen – eigentlich. Dennoch sollen laut Entwurf für den Bundeshaushalt für 2024 sowohl beim THW also auch beim BBK Zuwendungen in Millionenhöhe wegfallen.
Für die Kürzungen im Etat für den Zivil- und Katastrophenschutz hat der Grünen-Bundestagsabgeordnete Leon Eckert wenig Verständnis. „Wenn man die Zeitenwende denkt, dann gehört zur Gesamtverteidigung des Landes auch der Zivilschutz“, sagte Eckert der taz. „Die Kürzungen sind nicht das richtige Signal.“ Er plädiert für eine Refokussierung der Zuständigkeiten von Bund und Ländern, was den Zivil – und Katastrophenschutz angeht und damit auch für eine klare Aufteilung der Kosten. Ein Beispiel sind für ihn die Sirenen.
Im Fall eines militärischen Angriffs ist der Bund zuständig, bei Hochwasser oder Erdbeben die Länder, bei einem Großbrand die Gemeinde. Die Sirenen warnen aber vor all diesen Gefahren. Und: „Sirenen sind stromunabhängig und haben einen hohen Weckeffekt“, sagte Eckert. Er spricht sich für eine klare Finanzierungsvereinbarung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden aus – einen gemeinsamen Investitionsschlüssel – damit Sirenen als Warnmittel flächendeckend erhalten bleiben.
Zu wenig Geld für Wartung und neue Sirenen
Derzeit gibt es rund 38.000 Sirenen bundesweit. Nach dem Ende des Kalten Krieges wurden an vielen Stellen Sirenen entweder abgebaut oder schlicht nicht mehr gewartet, da man in den Behörden davon ausging, dass dieses Warnmittel nicht mehr gebraucht würde.
Allerdings weisen Katastrophenschützer nun auch darauf hin, dass Sirenen auch dann weiter funktionieren, wenn das Handynetz ausfällt oder Hochwasser Funkmasten zerstört. Damit wären sie in Krisenzeiten durchaus sinnvoll. Der Bund fördert über ein Sofortprogramm den Ausbau der Sirenen in den Ländern, um deren Anzahl zu erhöhen. Aus den Kommunen kommt aber die Forderung nach mehr Geld, da die Förderung bei Weitem nicht ausreiche.
Auch der Linken-Politiker Victor Perli sieht die Kürzungen für den Bevölkerungsschutz skeptisch. „Gute und schnelle Hilfe in Krisensituationen setzt eine auskömmliche Krisenvorsorge voraus“, so der Bundestagsabgeordnete, der auch Mitglied im Haushaltsausschuss und Berichterstatter für das Innenministerium ist. „In diesen Zeiten beim Bevölkerungsschutz zu kürzen, anstatt die Mittel zu erhöhen, ist unverantwortlich.“
Zu jeder Warnung gehört auch eine Entwarnung – auch an diesem Donnerstag. Während die Sirenen auf den Gebäuden der Freiwilligen Feuerwehr mancherorts pünktlich um 11.45 Uhr das Signal für das Ende der Übung gaben, war über Cellbroadcast keine Entwarnung vorgesehen und auch bei den Warn-Apps ließ diese auf sich warten oder blieb aus. Auch dieses Thema steht dann wohl noch auf dem Aufgabenzettel für Deutschlands obersten Bevölkerungsschützer Ralph Tiesler und seine Behörde.
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