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Bundeswehr in SyrienLaut Gutachten rechtswidrig

Die ersten Aufklärungs-Tornados und ein Tankflugzeug werden in die Türkei verlegt. Ein Rechtsgutachten der Linken stuft die Mission als rechtswidrig ein.

Der Luftwaffen-Airbus startet am Donnerstag mit einem Vorauskommando und Material in Richtung Türkei Foto: dpa

Berlin dpa | Ein Rechtsgutachten für die Linke im Bundestag kommt zu dem Schluss, dass der Syrien-Einsatz der Bundeswehr rechtswidrig ist. „Die von der Bundesregierung in Anspruch genommene rechtliche Begründung für die Entsendung deutscher Streitkräfte nach Syrien ist unhaltbar“, heißt es in dem 11-seitigen Papier des emeritierten Rechtsprofessors Norman Paech, das die Linksfraktion am Donnerstag vorstellen will.

Für den Völkerrechtler und ehemaligen Bundestagsabgeordneten der Linken ist entscheidend, dass der syrische Staat nicht für die Terroranschläge verantwortlich ist. Deswegen dürften ohne seine Erlaubnis auch keine Bomben auf sein Staatsgebiet abgeworfen werden, argumentiert er.

Am Donnerstag starten die ersten „Tornado“-Aufklärungsjets der Bundeswehr und ein Tankflugzeug in die Türkei. Von dort sollen sie ab Januar die Luftangriffe gegen die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) in Syrien und im Irak unterstützen. Die Fregatte „Augsburg“ schützt schon jetzt den Flugzeugträger „Charles de Gaulle“, von dem französische Jagdbomber starten.

Die Bundesregierung beruft sich in ihrer rechtlichen Begründung des Einsatzes unter anderem auf das in der UN-Charta festgeschriebene Recht auf „kollektive Selbstverteidigung“ nach den Terroranschlägen von Paris. Nach Ansicht Paechs greift die UN-Charta bei dem Bundeswehreinsatz nicht.

Gang vors Verfassungsgericht?

„Das Völkerrecht besteht nach wie vor darauf, dass ein Staat nur dann angegriffen werden kann, wenn ihm die Terroranschläge, die von seinem Territorium ausgehen, zugerechnet werden können“, schreibt er. „Dies ist ein Gebot der Souveränität und territorialen Integrität sowie des zwingenden Gewaltverbots, die nur mit Zustimmung Syriens aufgehoben werden können.“ Diese Zustimmung gibt es für Angriffe der Anti-IS-Allianz nicht.

Ob die Linke gegen den Einsatz vor das Bundesverfassungsgericht zieht, ist auch nach Vorlage des Gutachtens unklar. Alle drei möglichen Klagewege sind für die Fraktion nur schwer zu beschreiten. Bei einer Organklage der Fraktion muss nachgewiesen werden, dass Parlamentsrechte eingeschränkt wurden. Das dürfte in diesem Fall schwierig werden. Das Parlament hat mit großer Mehrheit zugestimmt.

Für eine Normenkontrollklage fehlen der Linken auch dann die Stimmen im Bundestag, wenn sie die Grünen auf ihre Seite ziehen. Beide Oppositionsparteien zusammen kommen nicht auf die erforderlichen 25 Prozent der Sitze. Bleibt nur noch die Verfassungsbeschwerde eines Betroffenen. Das könnte beispielsweise ein Soldat sein, der in den Einsatz geschickt werden soll. Der dürfte für die Linke aber schwer zu finden sein.

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16 Kommentare

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  • Vorweg - Christian Semler

    Fehlt - lange & sehr -

    Nicht nur - sicher -

    Aber auch sehr in der taz.

     

    Ok. Das Gutachten geht so in Ordnung.

    Völkerrecht ist schwach - ahja...

    So what! So ist das mit angereichertem Gewohnheitsrecht.

    Falls jemand was Besseres im Köcher hat - bitte melden. Danke.

     

    Syrien - ein failed state? -

    Wohl kaum - wie ja die derzeitige - öh

    Koalition zeigt. https://de.wikipedia.org/wiki/Gescheiterter_Staat

     

    Klagen -> ein betroffener Soldat - Ja!

    have a look at -> http://www.ialana.de/arbeitsfelder/frieden-durch-recht/bundesverfassungsgericht/673-bundesverwaltungsgericht-am-21-06-2005-der-irakkrieg-von-2003-war-unter-allen-rechtlichen-aspekten-voelkerrechtswidrig

     

    Alternative - >

    Bürger/Bewohner aus/in Syrien suchen Rechtsschutz vor dem zuständigen Verwaltungsgericht der Bundesrepublik Deutschland -

    Aus Art. 2 Grundgesetz - > Menschenrecht -> Gefahr für Leib Leben und Gesundheit ->

    Schutz des Staates, staatlicher Gewalt.

    Vollprüfung.

    Blaupause ->

    VG Köln zu Kosovo-Bombardierung (auch wenn dieser Beschluß ablehnend ist, weil das Gericht die Täuschungen der Regierung/Exekutive als wahr angenommen hat! )

    Das OVG Münster hat anschließend in seinem abschließenden Beschluß -

    Die offen gebliebenen Sach - vor allem aber die Rechtsfragen als offen bezeichnet - zu recht.

    Rechtsstaat ist ein mühseliges Geschäft - Ja - aber alternativlos.

  • nicht rechtswidrig-sinnlos !

  • Es wäre noch mal in Betracht zu ziehen, was Kristin Helberg am 4.12. zur Vorgehensweise vorschlug:

    http://www.taz.de/!5253426/

    Der Militäreinsatz in Syrien hilft dem IS, aber nicht den Zivilisten. Bomben- und Flugverbotsverbotszonen sind nötig.

     

    -

    in den meisten Fällen ist es nicht mit einem totalen Abwurf und nicht mit einem reflexhaften "Nein zum Krieg" getan. Sondern was genau?

    • @nzuli sana:

      Ich erinnere mich noch an den Vorschlag aus der Parallelwelt von Frau Helberg. Die geforderten Dschihadisten-Schutzzonen an der türkischen Grenze sind übrigens nicht besonders originell. Erdogan versucht sie schon seit Monaten der NATO schmackhaft zu machen. Weil er damit nicht landen konnte, stiftet er jetzt im Irak Unheil.

      Neu war die Idee der "Syrienexpertin", diese Schutzzonen nicht mit türkischen Bodentruppen sondern mit Raketenangriffen vom Mittelmeer auf syrische Flughäfen durchzusetzen.

  • 7G
    74450 (Profil gelöscht)

    Das Gutachten zeigt auch die Schwächen des Völkerrechts. Herr Paechs Meinung macht nur Sinn, wenn erstens davon auszugehen wäre, dass Assad in der Lage ist Syrien zu kontrollieren und zweitens, dass das Assad-Regime die legitime Vertretung der syrischen Bevölkerung darstellen würde. Beides ist nicht der Fall!

    • @74450 (Profil gelöscht):

      Sie machen sich unglaubwürdig. Wenn Sie wegen der Krim-Annexion auf das Völkerrecht pochen, müssen Sie es auch für Syrien akzeptieren.

      • @jhwh:

        Die Krim-Annexion ist eine Situation mit zahlreichenm, strukturell ähnlich gelagerten historischen Vorläufern (z. B. "Demokratische" Abspaltung der US-Südstaaten, "Anschluss" von Österreich an Nazi-Deutschland...). Sie gehört daher zu genau den Sachverhalten, die das gegenwärtige Völkerrecht erfassen kann und soll.

         

        Das Konzept des "Failed State" hingegen, auch mit der zusätzlichen Komplikation eines von seinem nominellen Territorium international mit kriegerischen Mitteln operierenden subnationalen Machtblocks, ist - im Vergleich zu den Normen des Völkerrechts - neu und legt eine Aktualisierung oder zumindest Neuinterpretation der Vorschriften zum Selbstverteidigungsrecht nahe.

         

        Man nennt das "Rechtsfortbildung". Die ist für die Beurteilung der Lage auf der Krim nicht nötig, weil wir da von einer klassischen, nur oberflächlich und völkerrechtlich unbeachtlich als "Rettungsmission" und "demokratischer Prozess" getarnten, Eroberung und Annexion reden.

        • @Normalo:

          Wir müssen uns nur den Donbass ansehen, um beurteilen zu können, wie oberflächlich die Bezeichnung "Rettungsaktion" für die Krim-Annexion ist.

           

          Syrien ein failed state ? Wohl kaum, eher das Stalingrad der NATO-Regime-Changer. Einfach mal bei Wikipedia die Kriterien für FSs nachlesen.

           

          Präventive Selbstverteidigung ? Ja, damit hat Deutschland Erfahrung. Hat aber mit Völkerrecht rein gar nichts zu tun.

           

          Zuletzt noch: selbst wenn das Völkerrecht aktualisierungsbedürftig wäre (was ich bestreite), dann hätte es bis zu einer Änderung weiter seine Gültigkeit in der jetzigen Form.

          • @jhwh:

            Im Donbass passiert genau das, was auch auf der Krim passiert wäre, wenn die taktische Lage es zugelassen hätte: Militärische Reaktion auf einen unrechtmäßigen Abspaltungsversuch. Fragen Sie mal einen Russen, ob er es geduldet hätte, dass ein Nachbarland - offen oder verdeckt - den abtrünnigen Tschetschenen zur Hilfe eilt.

             

            Ob Syrien der Defintition eines "Failed State" haargenau entspricht, ist egal, solange das Völkerrecht nicht ausdrücklich genau solche Anforderungen stellt. Wichtig ist, dass niemand in Syrien willens oder in der Lage ist, Angriffe des IS auf Drittstaaten zu unterbinden, die also effektiv nur selbst gegen die Angriffe vorgehen können.

             

            Was die Fortgeltung des aktuellen Völkerechts betrifft, kann das auch unter ergänzender Auslegung erfolgen. Juristisch ist das allemal sauberer, als es blind auf Sachverhalte anzuwenden, für die es nicht geschaffen wurde.

            • @Normalo:

              Können Sie sich vorstellen, daß die spanische Armee die Innenstadt von Barcelona zusammenschießt, wenn die Katalanen sich abspalten ?

               

              Aber das ist nicht das Thema. Es geht darum, daß die Großmächte nicht einmal mehr den kleinsten gemeinsamen Nenner der in der UN vertretenen Staaten - also das Völkerrecht - akzeptieren. Wenn sich jeder seine ergänzende Auslegung basteln darf, werden sich auch bald kleinere Staaten fragen, welche Relevanz dieses Regelwerk noch hat.

    • @74450 (Profil gelöscht):

      Na dann los.

  • Primär ist es mal nicht das Problem der Linksfraktion sondern Syriens, wenn ein Militäreinsatz seine Souveränität verletzt. Insofern finde ich es auch nicht schlimm, dass die Linksfraktion dagegen nicht klagen kann. Freilich ist Assad ein Bündnispartner Russlands und als alte Getreue müssten sie doch ihrerseites...

     

    Tatsache ist: Die UN-Charta wurde zu einer Zeit geschrieben, als Staaten nur von Staaten angegriffen wurden und diese einigermaßen klar definiert waren. Dass vom dem Territorium eines Staates aus agierende Terrorvereinigungen kriegsgleiche Angriffe auf andere Staaten starten würden und der Ausgangsstaat ihrer nicht im Rahmen seiner eigenen Poliziegewalt Herr werden kann oder will, ist kein damals antizipiertes Szenario. Also steht es sio auch nicht in der Charta.

     

    Daher ist es nicht verwunderlich, dass sich Meinungsträger finden, die in dieser Situation das Selbstverteidigungsrecht des angegriffenen Staates unter den Tisch fallen lassen würden, wenn ihnen das politisch in den Kram passt. Man KANN das aber auch anders sehen...

  • So die Mehrheit schert sich einen Dreck drum...

    Kann doch auch sein, dass eine Minderheit sich irrt und es gar keinen Rechtsbruch gibt.

     

    Ich wette ein Gutachten der Befürworter zeigt auf wie wasserdicht rechtssicher der Einsatz ist.

  • Wie traurig! Und wie kindisch!

     

    Nun ist wohl zu erwarten, dass sich die Mehrheit der deutschen Parlamentarier einen Dreck darum scheren wird, dass sie womöglich einen vom Staat begangenen Rechtsbruch legitimiert haben durch ihre breite Zustimmung. Wenn nicht geklagt werden darf, ist niemandem was zu beweisen. Wenn aber niemandem was zu beweisen ist, dann dürfen alle tun und lassen was sie wollen. Sturmfrei für Vierzehnjährige! Mama und Papa sind heut außer Haus.

     

    Gut, da ist noch dieses Gutachten. Aber Papier ist ja geduldig. Und was mit Gutachten passiert, deren Auftraggeber nichts zu melden haben, das wissen wir doch eigentlich (fast) alle. Sie werden schlicht nicht ernst genommen. Nein, da scheint nicht viel Moral "im Spiel" zu sein. Und viel Gewissen auch nicht. Da ist, wies scheint, vor allem sehr viel Befehl und noch mehr viel Gehorsam - und zum Ausgleich dafür ein (zu ) großer Anspruch an sich selbst.

     

    Was muss, das muss. Supermann, Schimanski und Pippi Langstrumpf lassen grüßen: Alle haben sich zu halten an die Regeln. Nur wir nicht. Wir sind etwas Besonders. Wir machen uns die Welt, wie sie uns gefällt.

  • Haha, wie fundiert so ein bestelltes Gutachten aber auch ist. Das lernen schon Erstsemester im allgemeinen Staatsrecht, dass die Qualifikation eines Staates u.a. auch die Existenz einer Staatsgewalt voraussetzt. Und diese ist Syrien in Bezug auf das Territorium, das der IS besitzt, schon längst abhanden gekommen. Oder möchte sich Herr Assad alle Aktionen, die aktuell vom IS ausgehen, dermaleinst zurechnen lassen?