Bundeswehr-Werbekampagne „Explorers“: Kriegstüchtig ohne Krieg
Die neue Social-Media-Kampagne der Bundeswehr soll junge Leute für den Dienst an der Waffe begeistern. Und bleibt dabei recht oberflächlich.
Die Gesellschaft soll wieder wehrtüchtig werden. SPD-Verteidigungsminister Boris Pistorius stellt eine neue Wehrpflicht vor, FDP-„Eurofighterin“ Marie-Agnes Strack-Zimmermann fordert eine intensive Aufrüstung und der Rüstungskonzern Rheinmetall spielt nun auch im Fußball mit.
Und damit nicht genug, denn die Bundeswehr spricht verstärkt die Jugend an. Dafür präsentiert sie sich als Spielplatz für Abenteuerlustige, als Erlebnis in der Natur und als Ort für Technikbegeisterte. In ihrer neuen Tiktok-Kampagne „Explorers – Roadtrip durch die Bundeswehr“ arbeitet sie gezielt mit Influencer:innen. Doch von Krieg und den Gefahren ist dort keine Rede.
In der analogen Welt liest man aktuell an vielen Bushaltestellen Fragen wie „Wie TikTokt die Bundeswehr?“ oder „Wie schmeckt die Bundeswehr?“ Daneben sieht man die Gesichter der „Explorers“-Kampagne: Selma ist für lustige Tiktok-Videos bekannt, die Österreicherin Tina Neumann hingegen gibt Schminktipps und zeigt sich gerne im Fitnessstudio. Der Kölner Koch Can Akpinar stellt die Arbeit in der Küche vor, und der bayrische Tizian Häger versucht sich als Komiker und Sportler.
Zusammen mit der Bundeswehr machen die vier einen Roadtrip durch Deutschland und absolvieren an 18 Stützpunkten Challenges. Sie machen Liegestütze, entfachen ein Feuer, robben durch den Schlamm, schwimmen durch Flüsse und üben den Fallschirmsprung. Dabei fallen Sätze wie „Kameradschaft ist bei der Bundeswehr sehr wichtig“ und „Du musst keine Angst vor überhaupt nichts haben.“
Wenig informativ
Als erste Arbeitgeberkampagne der Bundeswehr werden auch Berufe wie Brückenbauer oder Mechaniker vorgestellt. Dafür wurde eigens der Tiktok-Kanal @bundeswehrkarriere angelegt und die Videos werden auch auf Instagram und dem Youtube-Kanal „Bundeswehr Exclusive“ verbreitet. Das alles ist offensichtliche Werbung, modern und schnell inszeniert. In fünfminütigen oder kürzeren Videos lassen sich Inhalte nur beschränkt vermitteln und so bleibt die Kampagne oberflächlich und nur wenig informativ.
Die Produktion übernimmt die Düsseldorfer Kreativagentur Castenow. „Explorers“ ist zwar die erste Arbeitgeberkampagne der Bundeswehr, doch nicht die erste Zusammenarbeit mit der Agentur. Das Budget für die Kampagne liegt laut Bundeswehrinformationen bei sechs Millionen Euro, bezahlt aus den Haushaltsmitteln für das Bundesministerium der Verteidigung. Eine enorme Summe für einen Roadtrip.
Dabei variiert die Resonanz der Tiktok-Videos stark. Während einzelne Videos knapp fünf Millionen Aufrufe haben, schaffen andere nicht einmal 5.000. Eine Sprecherin des Verteidigungsministeriums sagte auf Anfrage der taz, dass die Bundeswehr „bisher sehr zufrieden“ mit der Kampagne sei. „Die Community beteiligt sich nicht nur sehr rege an den täglichen Erlebnissen und Einblicken der Creator und Creatorinnen in die Bundeswehr, sondern nutzt auch aktiv Mit-mach-Optionen wie Votings und Liveevents.“
Kommentare von Rechten
Nicht nur das Publikum beteiligt sich aktiv an der Kampagne, auch die Moderation der Bundeswehr ist äußerst schnell. Sie reagiert auf Fragen und leitet direkt zu Infoseiten weiter. „Ruf gerne mal direkt unsere Karriereberatung an, die können dir alle deine Fragen beantworten“, kommentiert die Bundeswehr unter einem Video.
Auf den Kommentar „Irgendwann will ich auch zur Bundeswehr“ antwortet sie mit „Mega, wie lang hast du noch bis zu deinem Abschluss?“ Es fehlt nur noch, dass das Formular für den Dienstantritt gleich mitgeschickt wird. Häufig reagiert die Moderation auch nur mit einem Smiley oder einer Nachfrage.
Aber nicht jede dieser Interaktionen ist harmlos. So diskutiert die Bundeswehr auch mit dem User „real.germanpatriot“ über U-Boote. Schaut man auf dessen Profil, stößt man bereits im ersten Video auf einen Totenschädel der SS-Totenkopf-Division; das Zeichen der Divisionen, die die Vernichtungslager maßgeblich betrieben. In einem anderen Video fordert der User deutsche Kolonien zurück. Bis man diese Inhalte findet, sind es lediglich zwei simple Klicks. Die sind auch der Moderation der Bundeswehr zuzutrauen.
„Uns ist die tägliche Betreuung des Communitymanagements sehr wichtig, um die Einhaltung der Netiquette für den Umgang miteinander auf unseren Kanälen zu gewährleisten“, so die Sprecherin. Die Profile hinter den Beiträgen zu prüfen, gehört wohl nicht dazu. Zwar sind es Tausende Kommentare, doch wenn die Bundeswehr ihr Image reparieren will, muss sie diese Arbeit leisten.
Werbung mit sicherem Abstand
Auch wird weder in den Kommentarspalten noch in den Videos von Krieg gesprochen. Wo sind die Geschosse und Explosionen, die einem um die Ohren fliegen? Wo sind die Eindrücke derer, die tatsächlich im Krieg sind oder waren? Oder diejenigen, die an PTBS und Verletzungen leiden? Wo sind die Gespräche mit Angehörigen von einem der 59 Bundeswehrsoldat:innen, die allein in Afghanistan starben? Oder die Einordnungen des Rechtsextremismus im Kommando Spezialkräfte?
Darauf antwortet die Sprecherin: „Jede und jeder, die und der sich für die militärische Laufbahn der Bundeswehr entscheidet, weiß um die Gefahr, im Falle einer Landes- und Bündnisverteidigung oder einem Auslandseinsatz verwundet oder getötet zu werden“, und fügt hinzu: „Die Herausforderungen, Risiken und Gefahren des Soldatenberufs werden in den umfangreichen Beratungsgesprächen durch die Karriereberatungsbüros aufgezeigt.“
Doch vor jeder Beratung stellt „Explorers“ die Bundeswehr als Spielplatz dar und kommuniziert die tatsächlichen Gefahren nicht deutlich genug. In anderen Bundeswehrserien wie „Mali“ werden die Gefahren immerhin als solche präsentiert. Doch bei „Explorers“ ist Karriere das große Stichwort, das Voran- und Weiterkommen, der Weg nach oben. Eine mögliche Stufe auf dieser Karriereleiter ist das Töten anderer. Das Problem mit „Explorers“ ist nicht, dass die Bundeswehr Werbung macht, sondern vielmehr, wie sie es macht – aus sicherer Distanz.
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