Bundesverwaltungsgericht zur Sterbehilfe: Kein Anspruch auf ein tödliches Mittel
Das Bundesverwaltungsgericht lehnt die Klage eines Ehepaars ab, das gemeinsam sterben möchte. Eine extreme Notlage liege nicht vor.
Beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) beantragten sie bereits 2014 die Genehmigung zum Erwerb von Natriumpentobarbital, einem in der Schweiz gebräuchlichen schmerzlosen Suizid-Medikament. Doch das Amt lehnte die Genehmigung ab. Das Betäubungsmittelgesetz erlaube den Erwerb solcher Medikamente nur zu therapeutischen Zwecken, nicht zur Selbsttötung. Dagegen klagte das Ehepaar durch die Instanzen.
In einem anderen Fall hatte das BVerwG 2017 schwer und unheilbar Kranken bei einer extremen Notlage Anspruch auf ein Suizid-Medikament gewährt. Detlef Koch, der Anwalt des Ehepaars, forderte in Leipzig eine Erweiterung dieser Rechtsprechung. „Auch wer nicht unheilbar krank ist, hat das Recht auf Selbstbestimmung“, sagte er.
„Niemand will den Klägern das Recht auf ein selbstbestimmtes Lebensende nehmen“, sagte Markus Gottbehüt, der Vertreter des BfArM, „der Staat muss die Selbsttötung aber nicht unterstützen.“ Der Staat dürfe auch kein Signal geben, dass Suizid und Weiterleben zwei gleichwertige Optionen seien. Vielmehr müsse der Staat gerade „vulnerable Personen“ davor schützen, dass Dritte auf sie Druck ausüben, bald aus dem Leben zu scheiden.
Anwalt Koch widersprach: „Den Klägern geht es nicht um staatliche Hilfe“, der Staat solle sie nur nicht an der Ausübung ihres Selbstbestimmungsrechts hindern. Es könne nicht sein, dass der Staat sie zwinge, in die Schweiz zu reisen oder sich vor einen Zug zu werfen, um ihr Leben zu beenden. Der Schutz verletzlicher Personen könne im Rahmen des BfArM-Genehmigungsverfahrens durch eine gründliche Prüfung sichergestellt werden.
Die Klage blieb aber auch beim Bundesverwaltungsgericht erfolglos. „Eine Genehmigung zum Erwerb von Natriumpentobarbital zum Zweck der Selbsttötung ist grundsätzlich ausgeschlossen“, sagte die Vorsitzende Richterin Renate Philipp. Sie bekräftigte zwar die Ausnahme für schwer und unheilbar Kranke, doch liege eine solche extreme Notlage hier gerade nicht vor. Anwalt Koch will nun Verfassungsbeschwerde einlegen. Das Ehepaar nahm nicht an der Verhandlung teil. (Az.: 3 C 6/17)
Beim BfArM waren nach dem Urteil von 2017 über 100 Anträge auf Erwerb des Suizid-Medikaments eingegangen. Bisher wurden alle Anträge abgelehnt. Das Bundesgesundheitsministerium hatte sogar eine entsprechende Weisung erteilt. 22 Antragsteller sind inzwischen gestorben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Biden genehmigt Lieferung von Antipersonenminen