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BundesverfassungsgerichtZwangsbehandlung auch außerhalb der Klinik

Das Bundesverfassungsgericht lässt Zwangsbehandlungen von psychisch Kranken und Dementen auch außerhalb von Kliniken zu. Eine Krankenhauspflicht ist laut dem Gericht unverhältnismäßig.

Bundesverfassungsgericht: Laut dem Urteil ist ein Krankenhausvorbehalt bei ärztlichen Zwangsmaßnahmen teilweise verfassungswidrig Foto: Uli Deck/dpa

Die gesetzlichen Regelungen der ärztlichen Zwangsbehandlung sind teilweise verfassungswidrig. Das entschied jetzt das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. In Ausnahmefällen muss der Bundestag nun auch eine Zwangsbehandlung außerhalb von Kliniken, etwa in Pflegeheimen, ermöglichen.

Grundsätzlich kann jede und jeder Erwachsene selbst bestimmen, ob und wie er sich im Krankheitsfall behandeln lässt. Behandlungen gegen den Willen des Kranken sind nur möglich, wenn dieser keinen selbstbestimmten Willen hat, etwa aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer Demenz. Dann muss der rechtliche Betreuer über eine Zwangsbehandlung entscheiden und das Betreuungsgericht muss sie genehmigen. Pro Jahr gibt es einige tausend Zwangsbehandlungen in Deutschland.

Nach bisheriger Gesetzeslage sind Zwangsbehandlungen von betreuten Personen nur im Krankenhaus möglich (Paragraf 1832 Bürgerliches Gesetzbuch, BGB). Damit soll eine fachlich gute Behandlung gesichert werden. Zudem soll verhindert werden, dass die Zwangsbehandlung (insbesondere mit Psychopharmaka) zur Regel wird.

Schizophrene als Musterfall

Das Bundesverfassungsgericht musste nun über den Fall einer 61-jährigen Frau entscheiden, die unter einer paranoiden Schizophrenie leidet und sich verfolgt fühlt. Seit 2008 lebt sie in einer geschlossenen Einrichtung. Regelmäßig wird sie gegen ihren Willen mit wahndämpfenden Neuroleptika behandelt. Wegen der Klinikpflicht von Zwangsbehandlungen musste die Frau jedes Mal von Polizei und Ordnungsamt in die Klinik gebracht werden. Weil sich die Frau gegen die Transporte wehrte, wurde sie auf eine Liege geschnallt, zum Schutz der Helfer musste sie eine Spuckmaske tragen.

Der Betreuer der Frau hatte den Eindruck, dass die Prozedur mehr schade als nutze; der Zwangstransport in die Klinik bestärke ihren Verfolgungswahn und retraumatisiere sie. Er beantragte daher, dass die Zwangsbehandlung direkt in ihrer Wohneinrichtung durchgeführt wird. Nach einem Weg durch die Instanzen landete der Fall schließlich beim Bundesverfassungsgericht.

In der mündlichen Verhandlung warnte das Bundesjustizministerium (derzeit mit Volker Wissing als amtierendem Minister), eine Abschaffung der Krankenhauspflicht würde der Zwangsbehandlung Tür und Tor öffnen. Auch die BAG Selbsthilfe fürchtete einen „Dammbruch“.

Die Karlsruher Rich­te­r:in­nen entschieden dennoch, dass die strikte Krankenhauspflicht für Zwangsbehandlungen unverhältnismäßig ist. Es müsse Ausnahmen geben, wenn „erhebliche Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit“ drohen, erklärte Stephan Harbarth, der Präsident des Bundesverfassungsgerichts.

Zugleich müsse aber auch die Einrichtung, in der der Kranke lebt, nahezu „Krankenhausstandard“ bei Durchführung und Nachsorge der Zwangsbehandlung erreichen.

Der Bundestag muss nun bis Ende 2026 eine Neuregelung beschließen. Die bisherige Rechtslage kann aber noch bis dahin fortgelten. Die Entscheidung war am Gericht sehr umstritten und fiel mit 5 zu 3 Richterstimmen.

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