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Bundesverfassungsgericht zu Berlin-WahlChaos aus Karlsruhe

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

Die Berliner Wiederholungswahl darf stattfinden – unter Vorbehalt. Aber warum mischt sich Karlsruhe in Länderangelegenheiten ein?

Erste Runde: Die Vereidigung des neuen Berliner Senats am 21. Dezember 2021 Foto: imago

D anke, Karlsruhe. Schon zwei Wochen vor der Wiederholungswahl zum Berliner Abgeordnetenhaus erfahren die Berliner Wäh­le­r:in­nen und die Berliner Verwaltung, dass die Wahlen tatsächlich stattfinden können. Der Eilantrag ging ja auch erst vor sechs Wochen ein.

Wie sehr man sich beeilt hat, zeigt das Bundesverfassungsgericht schon dadurch, dass die Begründung für den Eilbeschluss noch gar nicht fertig ist und vermutlich erst noch im Detail beraten werden muss.

Und wie komplex die Aufgabe ist, die man so schnell erledigt hat, sieht man schon daran, dass über die Hauptsache noch gar nicht entschieden wurde. Das wird dann irgendwann im Lauf des Jahres (oder des nächsten Jahres) erfolgen.

So lange steht die Berliner Wiederholungswahl also unter dem Vorbehalt, dass ihre Anordnung verfassungswidrig war und dass vielleicht doch die 2021 gewählten Abgeordneten die richtigen Abgeordneten sind.

Vermutlich wird es nicht so weit kommen, sonst hätte Karlsruhe wohl gleich die Wiederholungswahl gestoppt. Aber sicher ist derzeit gar nichts, denn die Begründung ist ja noch nicht fertig.

Dabei fragt man sich, was das überforderte Bundesverfassungsgericht überhaupt mit diesen Landeswahlen zu tun hat. Schließlich betont es immer wieder, dass die Länder bei der Staatsorganisation „getrennte Verfassungsräume“ sind und abschließende Urteile der Landesverfassungsgerichte über Wahlfragen nicht mehr in Karlsruhe überprüft werden.

Aber offensichtlich hat das Bundesverfassungsgericht doch einen Grund gefunden, warum es die Entscheidung des Landesverfassungsgerichts gründlich prüfen muss/will. So wie Karlsruhe ja auch immer wieder Gründe findet, den für EU-Recht zuständigen Europäi­schen Gerichtshof zu maßregeln, er lege das EU-Recht falsch aus.

Der Berliner Fall zeigt ganz klar: Wenn sich das Bundesverfassungsgericht auf seine eigenen Zuständigkeiten konzentrieren würde und nicht überall mitmischen wollte, gäbe es weniger Chaos in der Welt des Rechts.

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Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
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6 Kommentare

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  • Das Bundesverfassungsgericht ist keine Revisionsinstanz für Landesverfassungsgerichte.



    Deshalb wäre die einzige juristisch saubere Vorgehensweise die Nichtannahme der Anträge gegen die Entscheidung des Berliner Verfassungsgerichts gewesen.

    Das das Gericht das nicht getan hat, zeigt wie sehr dort mittlerweile juristischer Sachverstand fehlt, seit es in der Ära Merkel mit willfährigen Parteisoldaten ohne ausreichende juristische Qualifikation besetzt und damit extrem politisiert wurde.

  • Ich sehe da gar kein Problem. Wenn sich ein Gericht Zeit nehmen möchte, dann soll es das tun.

    Ein Problem gibt es doch. Wir heben jetzt eine Entscheidung, eine Vorläufige. Wenn man erst nach der Wahl entscheidet, hat das den schalen Nachgeschmack, man entscheide je nachdem, ob das Wahlergebnis gefällig ist. Es könnte aufgrund der Ereignisse in Berlin zu erheblichen Verschiebungen kommen. Wie sicher ist der Posten der Regierenden Bürgermeisterin, wird die Koalition halten?



    Wenn das Gericht den Anschein erweckt, die neuen Mehrheiten seien unbequem und daher wird die Wahlwiederholung rückwirkend abgesagt, wäre der Demokratie wenig geholfen.

  • Ein interessanter und nachdenklich stimmender Kommentar. Tatsächlich sind wir ein föderaler Staat. Das oberste Berliner Gericht hat entschieden. Das müsste es juristisch und verfassungsrechtlich eigentlich dann gewesen sein. Das Bundesverfassungsgericht ist aber inzwischen sehr politisch und weniger juristisch besetzt. Nur so lässt sich der Eingriff in den verfassungsrechtlich garantieren Föderalismus erklären.

  • Das ist überall so. Die Justiz wird zur Dreigewaltenteilung in einer- katholische Dreifaltigkeit.



    Könnte vielleicht gleich alles unter die Justiz subsumiert werden. Wahlen be-urteilen und entscheiden, Gesetze machen, Verwaltung vorstehen und alle anderen Störer in den Knast.



    Ein Fehler ist, dass zu viele Juristen in der Legislative sind.



    Dann sollte Legislative sich mal darauf besinnen, dass sie die Gesetze machen.



    Verwaltung ist z.B. durch Rechtspfleger sowieso in die Justiz eingemixt.



    Was für ein Durcheinander.



    Und die Justiz hat die Macht - das letzte Wort?



    Nein

  • Ja wie? Herr Christian Rath.

    Zum Anfang des Jahres - erst mal n eulichen Kessel Buntes - mit alles - was so grad reinkommt! Gellewelle.



    Quasi ne “Karlsruher Ahllssupp!“ aus der Kaffeesatzauslese schwadronista!;))



    Kategorie: semper aliquid haeret •

    Na Mahlzeit

    unterm—— nicknamefreiheit ala taz —



    Hamburger Aalssupp



    taz.de/Kolumne-Die...porterin/!5050336/



    &



    “Aalsuppe ist tatsächlich ein Gericht, das wohl eher die ältere Generation noch so richtig kennt. Die Suppe besteht aus Aalschwänzen (die Viecher bestehen ja quasi auch nur aus Schwanz), die aus der Elbe gefischt werden und zusammen mit Gemüse, Kräutern und Backobst gekocht werden. Dazu kommen Mehlklößchen. Nach und nach findet die Aalsuppe auch wieder Einzug in die Hamburger Restaurant-Küchen und auch die jüngeren Hamburger*innen können das Traditionsgericht mit der säuerlichen Note wieder kennenlernen.“



    & es ist aber ein Gerücht



    Dat dee Supp eigentlich Ahllssupp heeten dei! Alles was reinkommt & nur wg der Quiddje un ehrn Quengeleien denn doch Aal rinnkaamen dei!

  • "unter dem Vorbehalt, dass ihre Anordnung verfassungswidrig war und dass vielleicht doch die 2021 gewählten Abgeordneten die richtigen Abgeordneten sind."



    Nein, darum geht es nicht. Es geht um die Frage, ob die vollständige Wiederholung der Wahlen zum AGH und zu den BVVen notwendig ist oder ob es nicht doch ausgereicht hätte, in bestimmten Wahlkreisen zu wiederholen, wie es der Wahlprüfungsausschuss des Bundestages für die Bundestagswahl beschlossen hat. Da liegt ja schon eine merkwürdige Diskrepanz vor.



    Natürlich ist das nicht das, was sich die Bürger:innen unter einer "Eilentscheidung" vorstellen, und welche Auswirkungen die erst nach dem Wahltermin getroffene Entscheidung über Legitimität und Ansehen der gewählten Volksvertretungen haben wird, ist auch ungewiss.