Bundestreffen der Jungen Union: Union will von Greenpeace lernen
Am letzten Tag des JU-Treffens geben sich die Teilnehmer leger: in Jeans und Hoodie. Der Unions-Fraktionschef will sogar von NGOs lernen.
Kiel taz | „Alles glänzt so schön neu …“: Unter den Tönen des Peter-Fox-Liedes zog Ralph Brinkhaus in die Halle im Zentrum von Kiel ein, wo die Delegierten der Jungen Union seit Freitag tagten. „Genau die richtige Einlaufmusik“, sagte der JU-Bundesvorsitzende Paul Ziemiak, als er den Vorsitzenden der Bundestagsfraktion von CDU und CSU begrüßte. Tatsächlich ist Brinkhaus so neu im Amt, dass auf den offiziellen Einladungen zum Bundestreffen der Nachwuchsorganisation von CDU und CSU noch der Name seines Vorgängers Volker Kauder als Gastredner stand.
Brinkhaus, der Kauder herausgefordert und überraschend bei der Wahl zum Fraktionsvorsitzenden gewonnen hatte, gab sich bescheiden: Er sei „die Vorgruppe von Annegret Kramp-Karrenbauer“, die Generalsekretärin der CDU, die als letzte prominente Rednerin der Veranstaltung sprach. Aber Brinkhaus nutzte seine Chance, sich dem Parteinachwuchs als Erneuerer zu präsentieren, der die Probleme der Partei benennt und an Lösungen arbeitet. „Wir erreichen die Menschen nicht mehr“, sagte er. „Die schimpfen nicht mal mehr, die gehen einfach weg.“ Hier müsse ein neuer Dialog gestartet werden, und das sei die Aufgabe der Union, die als „letzte verbliebene Volkspartei der Last Man Standing“ sei.
„Wir müssen raus aus der Defensive, wir müssen kampagnenfähig werden!“, rief Ralph Brinkhaus den über 300 Delegierten und zahlreichen Gästen zu. Neben einem „breiten Kreuz für die eigenen Themen“ warb er vor allem um eine „Erneuerung der Parteistrukturen“ und damit um die Hilfe der gemeinsamen Nachwuchsorganisation der Unionsparteien: „Fordert uns, helft uns.“ Es sei wichtig, von den „Mitbewerbern“ zu lernen – nein, nicht SPD oder Grüne, sondern Bewegungen und NGOs wie Greenpeace: „Themen identifizieren, besetzen und über alle Kommunikationswege spielen.“
Da seien die Jüngeren als „digital natives“ weiter als die Älteren mit „digitalem Migrationshintergrund“. Botschaften, die die Delegierten gern hörten und Brinkhaus mit Beifall und Jubelrufen dankten. Trotz einer langen Partynacht in Kiel waren die Stuhlreihen in der Kieler Halle – sonst für Handball oder Konzerte genutzt – gut gefüllt. Nur der Kleiderstil war lässiger: Statt Anzug oder Kostüm waren viele der Delegierten am Abreisetag in Jeans erschienen. Bundesvorsitzender Paul Ziemiak, der am Freitag mit über 90 Prozent der Stimmen im Amt bestätigt worden war, trug sogar einen modischen Hoodie: jung und rebellisch halt. Doch dass sich die JU in vielen Fragen eher konservativer als die Mutterpartei aufstellt, war bereits an der Gästeliste abzulesen.
Watsche für Merkel
US-Botschafter Richard Grenell, oftmals ein Kritiker deutscher und europäischer Politik, hatte am Freitag ein Grußwort gehalten, Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz, ein Gegner Merkels etwa bei der Flüchtlingspolitik, war zu einer Rede zugeschaltet worden. Und Merkel musste sich bei ihrem Auftritt zwar nur wenigen kritischen Fragen stellen, bekam aber quasi im Hinausgehen eine Watsche mit auf den Weg: Nach ihrer Rede beschloss der Kongress einen Antrag, laut dem eine Person maximal drei Amtszeiten regieren sollte. Merkel, die in ihrer vierten Regierungsperiode steckt, hatte diese Idee schlankweg verworfen – die JU stimmte dennoch dafür.
Demonstrativ still blieben während Merkels Auftritt vor allem die Delegierten aus Bayern, die beim Einzug der Kanzlerin auch nicht aufgestanden waren. Reichlich Beifall hatte dagegen Jens Spahn erhalten. Dass er als Bundesgesundheitsminister im Kabinett sitzt, liegt auch daran, dass die JU nach den Wahlen im vergangenen Jahr gefordert hatte, mehr Jüngere ins Parlament zu holen. „Vollgas jetzt!“, hatte Spahn mit Blick auf die bevorstehenden Landtagswahlen in Bayern und Hessen gemahnt.
Der Applaus dafür wie auch der lang anhaltende Jubel für Brinkhaus’ Rede mag Merkel in den Ohren klingen: Dass er anstelle ihres Vertrauten Volker Kauder gewählt worden war, gilt als Zeichen der Bundestagsfraktion nicht nur als Kritik an Kauders Führungsstil, sondern auch als Zeichen für die Schwäche der Kanzlerin. Mit Beifall hatten die JU-Delegierten am Samstag auch Gesundheitsminister Jens Spahn empfangen, Das beinahe letzte Wort des Treffens hatte Annegret Kramp-Karrenbauer, die Generalsekretärin, die von Angela Merkel ins Amt geholt wurde.
Auch sie sprach die notwendige Erneuerung der Partei an und warnte davor, vor Wahlen bereits nach Schuldigen an den Verlusten zu suchen: „Franz Josef Strauß hätte einen Pfifferling für schlechte Umfragen gegeben, sondern gekämpft!“ Zum Lohn gab es „Annegret, Annegret“-Rufe und einen Blumenstrauß, auch wenn Paul Ziemiak das selbst altmodisch fand: „Wir sind doch eigentlich nicht bei der Seniorenunion.“
Leser*innenkommentare
91672 (Profil gelöscht)
Gast
Die Junge Union ist ganz am Anfang. Das Alleine-Gehen, ohne daß Mutti die Hand hält fällt noch sehr schwer. Daß man so verschiedene Menschen wie Grenell, Spahn, Brinkhaus und Kramp-Karrenbauer aufs Tablett legt, zeigt nur, daß die junge Union noch gar kein Konzept hat. Aber sie wird bald Gelegenheit bekommen, sich etwas konkreter damit zu befassen.