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Bundestagswahl und MedienHeftiges Talkshowgeballer

Die Öffentlich-Rechtlichen tun sich weiter schwer mit der AfD. Dabei reichen inhaltliche Konfrontationen nicht. Es geht um Habitus.

Lanz und Chrupalla diskutierten letzten Mittwoch nicht zum ersten Mal und sicher nicht zum letzten Mal miteinander (Archivbild) Foto: Markus Hertrich/zdf

W ahlarena, Duell, Triell, Quadrell, Talkshow. Dialog, Talkshow, Duell, Triell. Wahlarena, Talkshow, Viererduell, Talkshow, Wahlarena, Duell, Talkshow, Talkshow, Talkshow, Duell und „Schlagabtausch mit sechs Gästen und längerer Sendezeit“.

Das Talkshowgeballer im Wahlkampf nimmt Ausmaße an, die ermüden. Mal müssen die Po­li­ti­ke­r*in­nen an Holzemojis drehen, mal mit Bür­ge­r*in­nen diskutieren, mal am Tisch sitzen, mal sich an Pulte klammern. Die AfD gehört inzwischen zum Talkshow-Stamminventar – kann man doof finden, der ÖRR ist aber dazu verpflichtet, „Chancengleichheit“ zu gewähren.

Lustig ist das schon, denn Chanceneinschätzung beruht auf der Interpretation von Wahrscheinlichkeit, ist also Spekulation, wie das Beispiel Sahra Wagenknecht zeigt: Am Donnerstag verweigerte das Kölner Verwaltungsgericht ihr die Chance, in der ARD-„Wahlarena“ aufzutreten. Begründung: sie habe eh keine Chance aufs Kanzleramt. Am selben Tag entschied das Verwaltungsgericht Mannheim, dass der SWR das BSW zu seiner „Wahlarena“ einladen muss. Begründung: die Partei habe Chancen, in den Bundestag zu kommen.

Nein!, „Doch!“, „Nein!“, „Doch!“, „Nein!“, „Doch!“

Nun ist die Frage nach dem „Umgang mit der AfD“ so alt wie die AfD. Wie talkt man mit Po­li­ti­ke­r*in­nen, die sich für keine Lüge und schon gar nicht für feixende und pöbelnde Auftritte schämen? Ihre Unverschämtheit ist ihre Strategie. Die AfD wird (wie Rechtspopulisten weltweit) aus habituellen Gründen verehrt und nicht, weil sie überzeugende Konzepte hätte. Die Widersprüche der AfD herauszuarbeiten, fällt den Talkshows dabei gar nicht so schwer. Es ist das Habituelle, mit dem sie zu kämpfen haben.

So geriet am Mittwoch bei „Markus Lanz“ die Show mit Tino Chrupalla zu einem Ballerspiel-Showdown: „Nein!“, „Stop!“, „Falsch!“, „Quatsch!“, „Stimmt nicht!“, „Das steht aber in Ihrem Programm.“, „Nein!“, „Doch!“, „Nein!“, „Doch!“, „Nein!“, „Doch!“, „Doch!“ – ging es minutenlang hin und her, um zu klären, ob im AfD-Parteiprogramm steht, dass Bürgergeld für Nichtdeutsche auf ein Jahr begrenzt werden soll.

Fakt ist: Ja. Kennt Chrupalla sein Programm nicht oder nimmt er seine Aussagen so wenig ernst wie die seiner Par­tei? Egal, hängen bleibt: Chrupalla wurde beballert und hat zurückgeballert.

Locker in den Hüften bleiben

Eine Strategie der Talkshows ist, AfDler zu fragen, warum sie rechtsextreme Begriffe wie „Schuldkult“ oder „Remigration“ benutzen. Das aber ist Steilvorlage für die Populisten: Ich lass mir doch nicht vorschreiben, wie ich sprechen soll. Sie tun dabei so, als seien sie gefragt worden, warum sie Autobahnen bauen wollten, wo das doch Hitler zuerst getan hat.

Die Mo­de­ra­to­r*in­nen wollen so den rechtsextremen Kern hinter bürgerlicher Fassade entlarven. Kann man machen. Besser wäre, ohne Scheu nachzufragen, wo genau Erinnerungspolitik politisch instrumentalisiert wird. So die AfD-Antwort das überhaupt auf einen Punkt bringen könnte, müssten auch ihre Vorwürfe ans „Establishment“ diskutiert werden, anstatt die reißerischen Slogans nur mit „Das lassen wir dann mal so stehen“ zu quittieren.

Immer ratsam ist es auch, locker in den Hüften zu bleiben, statt verkrampft. Wenn der AfD-Gast wieder sagt: „Migranten, die sich nicht an die Spielregeln halten, werden abgeschoben“, einfach mal mit der Frage kontern, ob das auch für die ausländischen Mächte gilt, die den deutschen Wahlkampf unterwandern.

Wie für vieles gilt aber auch für Talkshows: Man muss sie nicht wichtiger nehmen, als sie sind. Zuschauerzahlen von „Markus Lanz“ mit Chrupalla am Mittwoch: 1,7 Millionen. ZDF-Krimi-Serie „Die Toten von Salzburg“ am selben Abend: 5,9 Millionen.

In der gezeigten Folge wurde übrigens der Chauffeur des bayerischen Energieministers vergiftet.

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Doris Akrap
Redakteurin
Ressortleiterin | taz zwei + medien Seit 2008 Redakteurin, Autorin und Kolumnistin der taz. Publizistin, Jurorin, Moderatorin, Boardmitglied im Pen Berlin.
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13 Kommentare

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  • "Schuldkult" und dann locker in den Hüften bleiben?

    Ist nicht viel eher das grundsätzliche Problem, dass z. B. eine Miosga gar nicht den Anspruch und die Intellektualität hat, die dahinter liegenden theoretischen Konzepte der Neuen Rechten zu entlarven, Zuschauern zuzumuten, historisch zu denken? Bereits F. J. Strauß (CSU) sagte „die ewige Vergangenheitsbewältigung als gesellschaftliche Dauerbüßeraufgabe lähmt ein Volk!".

    Zu viel verlangt, dass Miosga erwähnt, dass die viel gelobte Weizecker-Rede zur "Versöhnung durch Erinnerung" von Max Czollek als Gedächtnistheater einer Dominanzkultur kritisiert wird?

    Czollek

    "Denn es erzeugt das Bild einer mit den Juden und damit sich selbst versöhnten Gesellschaft, die nun mit all ihren unterschiedlichen Herkünften eintreten kann in einen Prozess der Normalisierung. ...Die vorauseilende Dankbarkeit für die (nicht nur) jüdische Versöhnung verstellt den Blick darauf, dass die deutsche Gewaltgeschichte nicht zu Ende ist, weil eine Seite sich das wünscht...."

    Quelle

    www.bpb.de/themen/...erinnerungskultur/

  • "Eine Strategie der Talkshows ist, AfDler zu fragen, warum sie rechtsextreme Begriffe wie „Schuldkult“ oder „Remigration“ benutzen. "

    Genau da liegt der hund begraaben. Das haben Lanz und co. bis heute nicht gerafft. Mab bedient notorisch die Themen, die diese Typen im Schlaf rauf und runter totdschwafeln können. Weil die Empörung im Mittelpunkt stehen muss. Anstatt die mit Detailfragen zu Umsetrzung und Konsequenzen des Wahlprogramms zu löchern, betont man solange, wie schlimm das Wort Remigration ist, dass diese Ausspruch rechtsextrem ist, das Bernd Höcke ein Nazi genannt werden darf, bis das alles zur bloßen Phrase verkommen ist.



    Es war ein Kind, das Chrupalla bislang am Meisten vor den Kameras bloßgestellt hat, als dem selbsternannten Kämpfer für das Dichtervolk kein einziges Werk eingefallen ist.

  • Bitte nicht mehr auf Kosten der GEZ Zahler - diesem Gesockse von der AfD und ihren Schwesterparteien, eine Plattform bieten.



    Es ist den Zuschauern nicht mehr zumuten !

  • "Die Mo­de­ra­to­r*in­nen wollen so den rechtsextremen Kern hinter bürgerlicher Fassade entlarven. Kann man machen. Besser wäre, ohne Scheu nachzufragen, wo genau Erinnerungspolitik politisch instrumentalisiert wird"



    Danke danke danke. Die AfD schlägt man indem man nach dem WO und WIE fragt, nicht nach dem WAS.



    Das WAS wird immer mit Schlagworten beantwortet. Wieso werden AfD'lern nicht qualitativ die gleichen Fragen gestellt wie anderen Politikern?🤷‍♂️



    Wie möchten sie die Remigration durchführen? Wer wird remigriert?



    Wie sieht ihr Vorschlag zum Selbstbestimmungsgesetz aus?



    Wie möchten sie die D-Mark wieder einführen? Wie wird der EU Austritt umgesetzt? Etc...



    Mit JEDER dieser Fragen würde man die AfD ins Schwimmen bringen. Stattdessen nur sinnloses Gefrage nach ihren Slogans, die ihr einzig die Bühne bieten, diese wieder und wieder in den Äther plärren zu können🙄



    "Wie für vieles gilt aber auch für Talkshows: Man muss sie nicht wichtiger nehmen, als sie sind. Zuschauerzahlen von „Markus Lanz“ mit Chrupalla am Mittwoch: 1,7 Millionen."



    Schade das hier absichtlich der falsche Eindruck vermittelt wird, durchschnittlich erreicht Lanz 1,59 Mio Zuschauer und damit weniger

  • Korrekter Beitrag, Frau Akrap,



    Das mit dem rechtsextremen Charakter zu entlarven ist der Mühe nicht Wert. Die einen wissen das sowieso, den anderen ist es egal. Echter Quatsch also.



    Das was ziehen würde sind zwei Punkte:



    1.) Die Inhalte als das herauszuarbeiten was sie sind. In der Regel dümmliches Geseier. Von Euroaustritt bis Wirtschaft, Handel, Fachkräfte, Rente, von Außenpolitik bis ja, auch Flüchtlingspolitik. Ich denke viele AfD Wähler wählen nach wie vor gegen die etablierten Parteien. Ein Hauptmotiv(!)... aber ob die Wähler eine Partei wählen wollen, die schlicht dumm ist und ohne Inhalt argumentiert? Glaub ich nicht. Somit, zu



    2.) Warum ist eine AfD bei 20%? Was lief in diesem Land inhaltlich so aus der Spur, dass die 20% haben. Welche Dinge müssen ed ergo zukünftig wie verbessert werden? Warum ist keine ehrliche Zustandsbeschreibung möglich? Von Rente/Pflege/Gesundheit, also Demographie bis Finanzaufwendungen für jedewedes Thema? Alles zu mutlos, alles zu langsam, zu viele Leute haben zu viel zu verlieren in einem oft 'satten' Gesamtzusammenhang.



    Schuldzuweisungen führen zu weiteren Zuwächse für die AfD. Fazit: Inhalte der AfD entlarven, eigene Inhalte qualitativ anhe

  • Der Fehler den man meines Erachtens von Beginn an macht, ist sich fast ausschließlich wenn es um die AfD geht auf das Thema Migration zu konzentrieren. Als hätte die Partei nichts anderes fragwürdiges, kritikwürdiges und problematisches in ihrem Parteiprogramm und als wäre Migration das größte Problem unseres Landes. Wenn dann macht doch Migration höchstens eine Vielzahl der enormen strukturellen Probleme sichtbar: das es seit Jahren im Wohnungsbau v.a. Im sozialen zu langsam voran geht, Mangel an Schulen/ Kindergärten inkl. Personal, Fehlende Digitalisierung + Absprache zw. Behörden, der immense Verwaltungsapparat, enorme Verschwendung von Steuergeldern, Mangel an richtiger Integration, etc.! Schuld an all dem sind nicht Migranten, sie sind nur wie auch Bürgergeldempfänger die perfekten Schuldigen (scapegoats) um vom Versagen von Politiker/ Parteien abzulenken. Menschen die keine Stimme in der Gesellschaft haben können sich ja nicht wehren. Und leider gibt es in unserer Gesellschaft zu viele Menschen die sich ablenken lassen. Wenn du dich dabei ertappst das du auf jemanden eintrittst der unter dir auf der Leiter steht, ist über dir auf der Leiter jemand der genau das will!

  • Ich schaue diese Talkshows eigentlich nicht mehr an, in denen versucht wird, AfD- oder BSW-Politiker "inhaltlich zu stellen" - weil es noch nie funktioniert hat.







    Nach dem 1. Satz aus AfD-/BSW-Mund müsste für einen längeren Faktencheck über mindestens 3 Lügen unterbrochen werden. Der dann anschließend wahlweise gekontert wird mit mit Beleidigungen, "Aber-Meinungsfreiheit" oder weiteren Tabubrüchen und Lügen.



    Kein Mensch würde so etwas länger als 20 min. aushalten - weshalb eben auch nach dem 1. Lügensatz auch nicht innegehalten wird.







    Wir wissen mittlerweile, dass AfD/BSW nicht wegen ihrer inhaltlichen Programmatik, sondern wegen ihrer Haltung/Identität gewählt wird, und dem ist mit Wahrheit, Sachlichkeit und Vernunft grundsätzlich nicht bei zu kommen.







    Linke und grüne Bescheidwisser werden schon allein aufgrund ihrer elitären Sprache diese verhetzten Leute nicht abholen können, die - ungewollt - mehr ausgrenzt als mitnimmt. Die notwendigen Gerechtigkeits- und Zukunftsfragen werden da schon gar nicht mehr von denen, die so offensichtlich gegen ihre Interessen wählen, wahrgenommen.

  • Lanz und Chrupalla sind sich in Vielem aber einig, da ist das Duell halt ein Geplänkel.

  • Ja, der Umgang mit der AfD in Talkshows ist vor allem deshalb schlecht, weil zumeist solche "David gegen Goliath"-Settings inszeniert werden, die das "heldenhafte Opfer"-Narrativ bedienen. In dem Fall haben Lanz, Gysi, Höning und Blome gemeinsam versucht Chrupalla, bzw. die Bösartigkeit der AfD zu entlarven. Was kaum gelang, da dieser geschickt zu relativieren und abzulenken verstand. Und die "Parteien der Mitte" in der Migrationspolitik gefährlich weit nach rechts gedriftet sind. Besser wäre gewesen, darüber zu diskutieren, was nach der Wahl geschehen soll. Wie fundiert oder blödsinnig die Pläne der einzelnen Parteien in anderen Politkfeldern sind, und welche Perspektiven sich daraus ergeben. Es wäre auch gut Weichspülern wie Chrupalla mal die Gewissenfrage zu stellen, ihn mit den grausamen, individuellen Folgen seiner Abschiebe-Forderungen zu konfrontieren.

    • @jan ü.:

      das wurde doch (teilweise ) gemacht, Chrupalla wurde das eigene Wahlprogramm vorgerechnet, er sollte sich auch expplizit zu einem Höcke Zitat äußern, das hat er alles gekonnt umschifft, als es dann doch zu eng wurde, wurde er laut.



      Das ganze Format ist fraglich, niemand lässt sich auf diese Art stellen, kein Politiker wird zu geben:"Ja, sie haben recht unser Wahlprogramm funktioniert nicht". So naiv kann doch niemand sein, das zu erwarten.



      So etwas zieht immer nur bei den Zuschauern, die sowieso anderer Meinung sind

    • @jan ü.:

      Genau - Fragen zur Gestalltung der Außenpolitik, Fragen zur Sozialabbaupolitik - werden den Spezis von der AfD nie gestellt.

  • Guter Punkt, guter Gedanke, ja, das habituelle macht viel vom der Anziehungskraft aus. Gehe ich total mit.

    Da braucht es aber auch Moderator*innen mit lockerer Hüfte und Biss. Gibt es die/den?

    Würde dich ja gerne in der Rolle der Moderatorin so einer Show sehen ;)



    Würde es dir zutrauen, selbst wenn schreiben natürlich nochmal was anderes als Moderation ist. Go, Doris!

  • Aus der Reihe historische Irrtümer:



    "Sie tun dabei so, als seien sie gefragt worden, warum sie Autobahnen bauen wollten, wo das doch Hitler zuerst getan hat."



    FALSCH!



    "Bis heute hält sich der Mythos, Adolf Hitler habe die Autobahn erfunden und bauen lassen, um die Massenarbeitslosigkeit zu bekämpfen. Tatsächlich hatte Kölns Oberbürgermeister Konrad Adenauer bereits am 6. August 1932, die erste deutsche Autobahn eröffnet."



    Quelle deutschlandfunk.de