Bundestagspräsidentin Bärbel Bas: Noch nicht die Hälfte der Macht
Keine Frau als Bundestagspräsidentin zu nominieren, käme einem Affront gleich. Denn reine Männerrunden gehören der Vergangenheit an.
B ärbel Bas könnte die zweite Frau im Staat und die dritte im Bunde werden: Nach Annemarie Renger (SPD) in den 1970ern und Rita Süssmuth (CDU) in den 80ern und 90ern schlägt die SPD nun Bas als Bundestagspräsidentin vor. Mehr als viermal so viele Männer haben es bislang in dieses Amt geschafft.
Keine Frau als Bundestagspräsidentin zu nominieren käme 2021 einem gleichstellungspolitischen Affront gleich. Denn mit der sich abzeichnenden Ampelkoalition hätte ein männlicher Bundestagspräsident bedeuten können, dass die fünf höchsten Ämter der Republik nur mit Männern besetzt worden wären: Bundespräsident, Bundestagspräsident, Bundeskanzler, Bundesratspräsident und Präsident des Bundesverfassungsgerichts.
Eine solche männliche Machtfülle an der Staatsspitze wäre anachronistisch und für SPD und Grüne, die gesellschaftspolitische Aufbruchssignale senden wollen, schlicht ein Ding der Unmöglichkeit.
Die SPD pocht auf Teilhabe, will Parität und bläst im Wahlprogramm zum „Jahrzehnt der Gleichstellung“. Eine Entscheidung für Fraktionschef Rolf Mützenich, der auch hoch gehandelt wurde, hätte die Partei gleich zu Beginn der neuen Legislatur Lügen gestraft.
Ein Mann wäre schwierig gewesen
Auch in Bezug auf die möglichen Koalitionspartner wäre ein Mann schwierig gewesen. Das gilt mit Blick auf die Grünen, die Gleichstellung ernster nehmen als die SPD und Partner der Koalition werden sollen. Und die FDP, die sich mit aller Entschiedenheit gegen Quoten wehrt, hätte sich ins Fäustchen lachen und während der Verhandlungen mit dem Finger auf die SPD zeigen können, die ihre eigenen Vorgaben bricht.
Und dennoch: Die Entscheidung für Bas war wohl nicht primär eine Entscheidung für sie – sondern für Frank-Walter Steinmeier. Denn der hat schon sein Interesse an einer zweiten Amtszeit als Staatsoberhaupt kundgetan. Hätte die SPD nun also keine Frau aus dem Hut gezaubert, wäre es für den Bundespräsidenten eng geworden.
Gegen Bas spricht das keineswegs. Mit ihr rückt eine bislang eher unauffällige Gesundheitspolitikerin der SPD-Linken und eine der wenigen Nichtakademikerinnen der Bundestagsfraktion nach vorn. Als Nachfolgerin von Wolfgang Schäuble würde sie das Plenum leiten und das Hausrecht innehaben. Bei einer konservativen und rechten Opposition käme es auf ihre persönliche Präsenz an.
„Frauen gehört die Hälfte der Macht“: Damit hat SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz Wahlkampf gemacht. Bas’ Wahl kann deshalb auch als Signal gewertet werden, dass bei einer Ampel eine paritätische Besetzung des Kabinetts ansteht. Reine Männerrunden gehören der Vergangenheit an.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Polarisierung im Wahlkampf
„Gut“ und „böse“ sind frei erfunden
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Wahlverhalten junger Menschen
Misstrauensvotum gegen die Alten
Donald Trump zu Ukraine
Trump bezeichnet Selenskyj als Diktator
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Gerichtsentscheidung zu Birkenstock
Streit um die Sandale