Bundestag, EU-Parlament, Trumps Kabinett: Die Wahl zwischen Scheiße
Die Bundestagswahl könnte AfD und BSW stärken. EU-Christdemokraten schwächen mit rechten Stimmen den Waldschutz. Trump macht Satire. Und Habeck? Schwimmt den Bach rauf.
t az: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?
Friedrich Küppersbusch: Scholz schön kaputtgeschrieben.
taz: Und was wird besser in dieser?
Küppersbusch: Als Nächstes Pistorius.
taz: Am 23. Februar soll ein neuer Bundestag gewählt werden. Der Wahlkampf fällt also in den Winter. Frösteln Sie?
Küppersbusch: „Wo ist das Rezept geblieben von den Plätzchen, die wir lieben?“ Denen im Bundestag. Und jetzt alle: „In der Habeckerei“ usw. Rote, Grüne, Gelbe und Linke werden ordentlich mit der Rute bekommen; und dabei nimmt die Union billigend die Stärkung von AfD und BSW in Kauf. Ich konnte dem Kalkül von Rot-Grün viel abgewinnen: Springt die Wirtschaft noch an? Wird es mit Trump einen traurigen, aber eben doch Friedensprozess für die Ukraine geben? Und nicht zuletzt: Kann die Opposition einfach das Spiel abpfeifen, weil sie in der 70ten Minuten dreinull führt? Jetzt habe ich Angst, dass – wie vor den Landtagswahlen im Osten neulich – irgendein „Solingen“ medial hochhysterisiert wird und kaum mehr als ein zeitlicher Zufall die demokratische Mitte weiter zerlegt. Davor kann man sich schützen: rechtzeitig Wunschzettel einwerfen. Briefwahl so früh als möglich.
taz: CDU-Chef Friedrich Merz zeigt sich bei der Schuldenbremse jetzt doch offen für Reformen. Was bezweckt er damit?
Küppersbusch: Merz erklärt die Artikel 1 bis 20 des Grundgesetzes für unabänderlich und die Schuldenbremse zu einem „technischen Problem“. Ein echter Merz, an dem Satz ist alles falsch. Unantastbar sind nur die GG-Artikel 1 und 20. Zum Beispiel bei Asyl, Unverletzlichkeit der Wohnung oder Postgeheimnis hat nicht zuletzt die Union schon ordentlich gewütet. Merz kennt alle Vorschläge von Rot-Grün, die Schuldenbremse aufzuteilen: Konsumtive Schulden – was schnell verschnuckert wird – bleiben gebremst, Investitionen werden dagegen gelockert. Er kennt die Forderung von seinen eigenen Ministerpräsidenten, Berlin, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein wollen mit mehr Staatsausgaben die Wirtschaft ankurbeln. Nun fiebert Merz seiner Wahl zum Kanzler entgegen, räumt sein Geschwätz von gestern ab und gibt damit zu: Man hätte die Krise früher bekämpfen können, wenn die Union sie nicht instrumentalisiert hätte.
taz: Im Januar soll ein Buch von Robert Habeck, Kanzlerkandidat der Grünen, erscheinen. Freuen Sie sich auf „Den Bach rauf“?
Küppersbusch: Ich habe schon den Fehler vermieden, das gemeinsame Buch von Habeck und Lindner für den Weihnachtswühltisch 23 zu lesen. Den Titel mag ich trotzdem, umstellt von Untergangsversprechen mal eine Utopie vorzustellen. Den Titelvorschlag „Gegen den Strom“ hatten Lobbyisten der Energiewirtschaft kritisiert, mit den Grünen kann man ja reden.
taz: Im Europäischen Parlament haben die Christdemokraten mit Stimmen der AfD das Waldschutzgesetz ordentlich abgeschwächt. Es ist nicht das erste Mal, dass die Union ihre Anliegen im Europaparlament gemeinsam mit Rechten durchbringt. Erwartet uns das auch in anderen Parlamenten?
Küppersbusch: Bei drei rechtsextremen Fraktionen im EU-Parlament sieht die CDU den Wald vor lauter Bäumen nicht, da hilft nur ein ordentliches Kettensägenmassaker: 14 Änderungsanträge, da ist für jeden was dabei. Das Gesetz sollte Europas Verbraucher vor Produkten schützen, die nur durch Entwaldung zustande kommen. Es war verabschiedet und so übel, dass sogar Greenpeace es gut fand und lobte. Da war Waldbrandalarm bei der Union, und bei der Wahl der Bündnispartner erneuert sie das goldene Charles-Bukowski-Wort: Wenn man nur wählen kann zwischen kalter, warmer – und jetzt neu – frittierter Scheiße. Letzteres! Die AfD sektiert in einer Schmuddelnazi-Fraktion, die zustande kam, weil anständige Rechtsextremisten es schick finden, sich von Krah und Konsorten moralisch hochwertig abzuheben. In Thüringen waren solche Allianzen noch skandalös; auf europäischer Ebene begann es schon bei von der Leyens Wahl zur Chefin. Unklare Verhältnisse. Die Union lässt es abtropfen, ich kenne keine Parteien mehr, sondern nur noch Waldemar oder Roderich.
taz: Donald Trump hat ein Kabinett voller Hardliner: Der Ultrarechte Matt Gaetz soll Justizminister und Wissenschaftsfeind Robert F. Kennedy Gesundheitsminister werden. Sind die USA noch zu retten?
Küppersbusch: Der römische Kaiser Caligula wollte sein Lieblingspferd zum Senator ernennen, da liegt die Latte. Trumps Politik besteht wesentlich aus ihrer eigenen Satire; hier wäre Ernsthaftigkeit ein sicherer Brüller.
taz: Und was macht der RWE?
Küppersbusch: Blamiert sich fast gegen Fünftligist SV Sonsbeck im Pokal. Abstiegsgefahr, der Kader passt nicht, ein wichtiger Sponsor ist weg – für einen sicheren Abstieg fehlt nur eine Trainerdiskussion. Bleiben Sie dran.
Fragen: Luisa Faust
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Nachtcafé für Obdachlose
Störende Armut
Nachhaltige Elektronik
Ein blauer Engel für die faire Maus