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Bundeskabinett beschließt GrundrenteDie Rente hebt ab

Nach langen Diskussionen hat sich die GroKo auf Eckpunkte für das Rentengesetz geeinigt. Ab 2021 sollen bis zu 1,3 Millionen Menschen profitieren.

Ein Rentner füttert Möwen am Bodensee Foto: Arnulf Hettrich/imago

Berlin taz | Das Bundeskabinett hat sich am Mittwoch auf einen Gesetzentwurf für die Grundrente geeinigt. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sprach von der „größten Sozialreform dieser Legislaturperiode“ und einem „sozialpolitischen Meilenstein“. Das Gesetz sieht vor, dass Menschen mit niedrigen Renten ab kommendem Jahr Aufschläge auf ihre Bezüge erhalten.

Von der Grundrente profitieren Menschen, die mindestens 33 Jahre lang Beiträge für Beschäftigung, Erziehung oder Pflege gezahlt haben. Der volle Zuschlag von 404,86 Euro ist nach 35 Beitragsjahren möglich. Bei der Berechnung werden nur die Jahre berücksichtigt, in denen das Einkommen zwischen 30 und 80 Prozent des jährlichen Durchschnittseinkommens lag.

Bereits im November hatte sich die Koalition aus SPD und Union auf Eckpunkte für das Rentengesetz geeinigt. Diesem Kompromiss war ein monatelanger Streit vorausgegangen. Kern der Auseinandersetzung war die Frage, ob es eine Bedürftigkeitsprüfung geben solle oder nicht.

Während die Union den Kreis der Empfangsberechtigten enger fassen wollte, lehnte die SPD eine umfangreiche Prüfung der Bedürftigkeit ab. Der Kompromiss: Das Vermögen möglicher Grundrentenbezieher soll zwar nicht geprüft werden, jedoch werden das zu versteuernde Einkommen und die Höhe der Renten sowie Kapitalerträge bei der Berechnung der Grundrente berücksichtigt.

DGB bezeichnet die Grundrente als „längst überfällig“

Ein weiterer Diskussionspunkt war die Frage der Finanzierung: Die SPD wünscht sich, hierfür Erlöse aus einer Transaktionssteuer zu verwenden. Da eine solche Abgabe auf Aktiengeschäfte bislang jedoch noch nicht umgesetzt ist, soll es zunächst eine Erhöhung des Bundeszuschusses geben. Die Bundesregierung geht von Ausgaben in Höhe von 1,3 Milliarden Euro aus.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) bezeichnete die Grundrente als „längst überfällig“. DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach kritisierte, dass weniger Menschen, als im ursprünglichen Entwurf vorgesehen, profitieren würden. Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer hingegen sieht den Grundsatz, wer mehr einzahlt, erhält auch mehr Leistung, gefährdet: „Was die große Koalition nun beschließt, verwischt die Grenze zwischen beitragsfinanzierter Rente und bedürfnisorientierter Grundsicherung“, sagte er.

Der Linken-Fraktionsvorsitzende Dietmar Bartsch und Linken-Rentenexperte Matthias W. Birkwald kritisierten, dass der Grundrenten-Kompromiss nur ein „Rettungsring für den Fortbestand der Bundesregierung“ sei. In einer Pressemitteilung erklärten sie, dass die Einkommensprüfung zu hart sei und viele Frauen ausschließen werde.

Die Bundesregierung geht davon aus, dass bis zu 1,3 Millionen Menschen Zuschläge erhalten werden. Insbesondere Frauen und Menschen aus Ostdeutschland würden aufgrund ihrer Erwerbsbiografien und niedrigeren Rentenansprüchen von der Grundrente profitieren.

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7 Kommentare

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  • Lacht auf ihr Rentner*nnen, wenn es um Grundrente geht, wählt die taz wie andere Medien stets Bilder mit Rentnern aus, die in Wolkenkuckkucksheim Landschaften auf einer Bank sitzen, weil die Grundrente nichts außer eine Sitz- , Stillhalteprämie abbildet?, die nicht einmal zur Teilhabe an Ehrenämtern taugt, Mobilitätskosten im ÖPNV abzudecken.

    Wenn Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) von „größter Sozialreform dieser Legislaturperiode plappert, ist das für mich die Selbstanzeige einer Bankrotterklärung, willfährige Hinnahme der größten Enteignung von grundgesetzlich garantiertem Forderungseigentum (Begriff beim Verfassungsrechtler Paul Kirchhoff (CDU)) seit 1949, denn genau betrachtet ist die Grundrente in vorliegender Form statt einer Mindestrente über Grundsicherungsniveau ein Doppelschlag zugunsten privater, staatlicher Arbeitgeber sich zunächst umstritten legal der Zahlung von existenzsicherndem Einkommen, Löhnen, Sozialbeiträgen zu entziehen, nun auch noch vor der Verantwortung für die Verelendungsfolgen dieser Lohnentzugspraxis entschädigungslos zu drücken durch Einführung der Arbeitsmarktreform Agenda2010/Hartz 4 Gesetze 2003 zu alleinigen Lasten der Arbeitnehmer*nnen, deren Restvermögen vor dem Schonvermögen für Altersvorsorge, das mit Beginn Rentenalters Alter diskriminierend auf marginale Pauschale zusammenschmilzt, wobei Beamte, Abgeordnete verschont bleiben.

    Wieweit die Entsolidarisierung seit 2003 fortgeschritten ist, erweist sich aktuell an der Cum Ex Geschäfte Debatte, weil heute Bundesfinanzminister damals Hamburgs SPD Bürgermeister Olaf Scholz, Finanzsenator heute Bürgermeister Peter Tschentscher 2016 Forderungen an Steuerrückzahlungen 47 Millionen € von der HSB Trinkhaus Warburg Gruppe Hamburg wg. ungesetzlicher Cum, Cum Ex Aktiengeschäften dem Bundesländer Finanzausgleich gegenüber unsolidarisch verjähren ließen, während Hamburg 2016 als Anteilseigner aufgrund Belastungen in Schieflage geratenen HSH-Nordbank vom Geber- zum Nehmer- Land wurde.

  • Warum führen wir kein bGE ein? Alle Transferleistungen wären dann hinfällig...

    • @Maiskolben:

      Das wäre viel zu einfach und dann käme das Geld am Ende womöglich noch tatsächlich bei den Leuten an.

    • @Maiskolben:

      Und wer sollte das bge dann Ihrer Meinung nach erwirtschaften?

    • @Maiskolben:

      es gibt clevere Lösungen:

      * Jeder Arbeitnehmer bekommt von der Regierung einen Mindestlohn



      * Die Regierung weis: sie benötigt also pro Arbeitnehmer den Mindestlohn + das was man für die staatlichen Leistungen benötigt



      * damit kann die Regierung berechnen wie viel Steuer (Einheitssatz) diese auf Unternehmen erheben muss.



      * der Regierung ist es dann egal ob der Arbeitgeber Lohn zum Mindestlohn auszahlt oder nicht, aber jeder Arbeitgeber muss eine Summe X überweisen.



      * Firmen die zu wenig Gewinn erwirtschaften, also nicht die Kosten des Staates mal Anzahl der Arbeitnehmer leisten können, werden abgewickelt.



      * Bedingungsloses Einkommen funktioniert nicht, aber mit so einem Modell könnte der Staat wichtige Arbeiten außerhalb von Firmen finanzieren. Man könnte es sich leisten jemand zu haben der bedürftigen Menschen einkauft, Dinge repariert,...



      Man könnte auch Leuten finanzieren mal 1,2,3 Jahre lang ein neues Geschäft zu entwickeln.



      Aber ich sehe es nicht ein jemand zu finanzieren, der sich für einen geborenen "Künstler" hält...

  • Das macht diese "Grundrente" nicht richtiger:



    so lange man nicht auf mittelfristige Sicht etwas gegen Niedriglöhne tut, so das man in 15-20 Jahren diese "Grundrente" nicht mehr benötigt, so lange ist diese eines: grundfalsch. So finanziert mal wieder die untere Mittelschicht die unterste Unterschicht... und die Reichen und Besitzenden werden bald eines: noch reicher.

  • Ok, in der Zone zwischen 30% und 80% des Durchschnittseinkommens lohnt es also nicht mehr, sozialversicherungspflichtig zu arbeiten, falls man im Alter auf andere Einkünfte bis zu 1250 Euro rechnen kann. Eine Einladung zur Schwarzarbeit für so manchen.