Bundesgericht zum Parken auf dem Gehweg: Kein Recht auf Falschparken
Das Bundesverwaltungsgericht gibt Klägern recht, die gegen zugeparkte Gehwege klagten. Die Behörde kündigt Konkretes an – und lässt wenig folgen.
Das Gericht erkennt an, dass die klagenden Anwohner*innen Anspruch darauf haben, dass die Behörde etwas tut und das Verbot gemäß Straßenverkehrsordnung (StVO) letztlich auch durchsetzt. Weil ihre Ressourcen begrenzt seien, könne die Behörde aber mit einem Konzept für ein stadtweites Vorgehen in den am stärksten betroffenen Quartieren anfangen.
Dass die Bremer Kläger*innen dadurch die Beeinträchtigungen vor der eigenen Haustür zunächst weiter dulden müssten, „belastet sie nicht unverhältnismäßig“, so das Leipziger Urteil. Zumindest, solange das Konzept „tatsächlich und nachvollziehbar“ umgesetzt werde.
Der Umstand, dass die Behörde das Gehwegparken seit Jahren duldet, ändere nichts; „ein ‚Gewohnheitsrecht‘ auf Gehwegparken wird dadurch nicht begründet“. Die auf den Gehwegen abgestellten Autos „nehmen einen Verkehrsraum in Anspruch, der Fußgängern zugewiesen ist“.
Unklar, wie viel Geweg übrig bleiben muss
Das Gericht macht deutlich: „Das Interesse der parkenden Verkehrsteilnehmer an einer ungehinderten Fortsetzung ihres rechtswidrigen Verhaltens ist nicht schutzwürdig.“ Die langjährige generelle Duldung des Falschparkens könne allerdings erfordern, geplante Maßnahmen anzukündigen. Die Behörde müsse zudem die Auswirkungen „auf andere Straßen und deren Anwohner berücksichtigen“. Mögliche Maßnahme wäre etwa ein einseitiges Halteverbot, „das faktisch das Parken auf dem Gehweg verhindern würde.“
Eine genaue Angabe, wie viel Gehweg übrig bleiben muss, machte das Gericht nicht. Erforderlich sei stets „eine Gesamtwürdigung der jeweiligen Umstände“ – etwa die Länge und Dauer der Engstelle und die Dichte vom Fußverkehr.
Von 2019 bis Sommer 2024 hatten sich mehrere Bremer*innen aus besonders zugeparkten Stadtteilen durch alle gerichtlichen Instanzen geklagt. Ihr Ziel: die Verkehrsbehörde dazu zu bringen, gegen das Gehwegparken vorzugehen.
Die Bürger*innen bekamen, mit gewissen Einschränkungen, Recht. Beide Parteien legten wiederholt Rechtsmittel ein; die damals noch grüne Verkehrssenatorin Maike Schaefer wohl, weil sie das Thema auf die bundespolitische Agenda heben wollte. Die Bürger*innen, weil ihnen der Spielraum missfiel, der der Behörde durch das Urteil eingeräumt worden war. Das Bundesverwaltungsgericht urteilte Anfang Juni, jetzt veröffentlichte es die Urteilsbegründung.
Aus der Urteilsbegründung des Bundesverwaltungsgerichts zum Gehwegparken
Schon kurz nach der Verkündung im Juni verbuchte die neue Mobilitätssenatorin Özlem Ünsal (SPD) das Urteil als Bestätigung für ihr „ganzheitliches, konzeptionelles Vorgehen“. Man habe zunächst die am stärksten belasteten Quartiere ermittelt, Straßen mit besonders geringer Restgehweg- und Fahrbahnbreite priorisiert.
Seither gebe es vermehrt Kontrollen; hauptsächlich, um die Rettungssicherheit zu gewährleisten. Man verkündete, dass das Urteil endlich Rechtssicherheit im Umgang mit dem illegalen Gehwegparken schaffe – konkretere Pläne sollten erst nach der Veröffentlichung der Urteilsbegründung feststehen.
Jetzt müssten also konkrete Pläne vorliegen. Man habe die Urteilsbegründung Ende September erhalten, heißt es nun aus dem Mobilitätsressort. Die Senatorin stehe nicht für ein Gespräch zur Verfügung. Man analysiere nun, was der Inhalt für Konsequenzen habe und werde „voraussichtlich im Laufe des Oktobers“ über konkrete Maßnahmen entscheiden. Auch das Innenressort ist beteiligt.
Ende des Jahres wird dem Senat zudem eine Studie zur Machbarkeit vom Quartiersparken vorliegen. Sie soll feststellen, wo in besonders dichten Stadtteilen außerhalb des öffentlichen Raumes – etwa vor Supermärkten, Kirchen und Sportvereinen – Parkraum geschaffen werden kann.
Schub für die Verkehrswende
Für den Naturschutzbund BUND Bremen ist die Entscheidung ein „Schub für die längst überfällige Verkehrswende“. Mit ihrer Klage hätten die Bürger*innen eine Gerichtsentscheidung mit bundespolitischer Bedeutung herbeigeführt, sagt der Vorsitzende Dieter Mazur. „Politik und Behörden werden in Bremen, aber auch in vielen anderen deutschen Großstädten endlich Maßnahmen ergreifen müssen, um den Verkehrsraum neu zu ordnen.“
Wie auch die Grünen-Fraktion betont Mazur, dass das Urteil eine gute Nachricht sei für Fußgänger*innen, Kinder, Menschen im Rollstuhl, mit Rollator oder Kinderwagen. Ralph Saxe, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen, pocht auf eine zeitnahe Umsetzung durch den Senat. „Gleichzeitig müssen attraktive Alternativen wie Car- und Bikesharing gestärkt werden, um Mobilität im Quartier attraktiv zu gestalten.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Anbrechender Wahlkampf
Eine Extraportion demokratischer Optimismus, bitte!