Bundesbankpräsident Weidmann hört auf: Zeit des Falken ist vorbei

Bundesbankpräsident Jens Weidmann macht nach 10 Jahren im Amt den Platz frei. Vor allem bei der EZB hatte er sich nicht nur Freun­d:in­nen gemacht.

Ein Mann im Anzug mit Brille vor einem bunten Hintergrund

Bundesbankpräsident Jens Weidmmann Foto: Ralph Orlowski/reuters

BERLIN taz | Er kündigte ihn als „persönliche Entscheidung“ an. Aber wer die wenigen Sätze genauer las, mit denen Bundesbankpräsident Jens Weidmann am Dienstag seinen Rückzug ankündigte, sah sofort: Hier hat jemand verstanden, dass er seine Vorstellung von Geldpolitik nicht mehr wird durchsetzen können und besser selbst die Reißleine zieht. „Ich bin zur Überzeugung gelangt, dass mehr als 10 Jahre ein gutes Zeitmaß sind, um ein neues Kapitel aufzuschlagen – für die Bundesbank, aber auch für mich persönlich“, schrieb er in einem Brief an die Mit­ar­bei­te­r:in­nen der Bundesbank.

Weidmann, der über Geldtheorie promoviert hatte, gilt als hartnäckiger Verfechter einer Geldpolitik, die die Stabilität der Währung über die Geldmenge steuert. Das bedeutet vereinfacht, Inflation etwa ausschließlich mit steigenden Zinsen zu bekämpfen, wobei die Finanzmärkte dann den Rest regeln. Dass das in der Praxis nicht funktioniert, hat spätestens die Finanzkrise ab 2008 gezeigt. Mit Mario Draghi und mehr noch der jetzigen Chefin Christine Lagarde zog diese Einsicht auch in die Europäische Zentralbank ein.

Vor allem Lagarde geht es dort nun darum, das System insgesamt zu stabilisieren – im Krisenfall beispielsweise mit dem Ankauf von Anleihen öffentlicher und privater Schuldner. Und sie will, dass die EZB auch Mitverantwortung für den ökologischen Umbau übernimmt – etwa durch die Ausgabe von Green Bonds, also grünen Geldanleihen. Weidmann konnte und wollte dem nicht folgen, er argumentiert auch gerne öffentlich dagegen und isolierte sich damit weitgehend im EZB-Rat.

„Sein Rückzug ist eine kluge Entscheidung“, sagt der Bremer Ökonom Rudolf Hickel. „Die Welt, auf die Weidmanns Vorstellung von Geldpolitik gebaut ist, gibt es nicht mehr.“ Lagarde formulierte es freundlicher: „Obwohl Jens klare Ansichten zur Geldpolitik hatte, war ich immer beeindruckt von seiner Suche nach einer gemeinsamen Basis im EZB-Rat.“

Wer Weidmann nachfolgt, ist noch offen. Klar ist, dass es kein „Monetarismusmissionar“ mehr sein wird, wie Hickel es zuspitzt. Stattdessen dürfte es bei der Nachfolge auf ei­ne:n geld­po­li­ti­sche:n Prag­ma­ti­ke­r:in hinauslaufen.

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