Rudolf Hickel wird 80: Ökonomie ist soziale Wissenschaft

Der Ökonom Rudolf Hickel hat die wirtschaftspolitischen Debatten der vergangenen 50 Jahre mitbestimmt. Am Montag wird er 80 Jahre alt.

Rudolf Hickel, pensionierter Wirtschaftsprofessor der Universität Bremen, im Homeoffice in einem ausgebauten Spitzboden.

Hat auf fast alle Fragen eine Antwort: Ökonom Rudolf Hickel Foto: Imago

Bremen taz | Wer Rudolf Hickel eine Frage stellt, wird rasch feststellen: 80 ist kein Alter. Auf beinahe jede Frage hat er Antworten, insbesondere aus seinem Gebiet der Wirtschaftswissenschaften. Seit 14 Jahren ist er als Professor „emeritiert“, wie man sagt. „Ich komme seitdem viel mehr zum Schreiben.“ Seine wichtigsten Werke der jüngsten Zeit behandeln die Finanzkrise. Am Montag wird er 80.

1971 wurde er an der Universität Bremen, an deren Aufbau er aktiv beteiligt war, zum Professor für politische Ökonomie ernannt. 1975 gründete er die Gruppe „Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik“. Die etablierten Wirtschaftswissenschaften seien arrogant, sagt Hickel. Sie würden den Menschen als Interessenbündel betrachten, als „homo oeconomicus“. Dabei sei Kern der Wirtschaft das Verhältnis zwischen Mensch und Mensch.

Das ist auch die Triebfeder seines politischen Engagements: „Der Kapitalismus ist nicht an der sozialen Armut kaputtgegangen“, stellt er fest. Das ist die entmutigende Erfahrung für einen alten Marxisten. Mancher Neomarxist stürzt sich auf die nächste Krise, derzeit die ökologische. Aber die könnte die soziale Spaltung vertiefen, befürchtet Hickel. Ökologische Verteuerung könnte sogar den rechten Rand mobilisieren.

Dass Wirtschaftspolitik gestaltet werden muss, vertritt Hickel seit 45 Jahren. „Mein Lebenswerk, wenn du so willst“, sagt er, seien drei Punkte: 1. Die Akzeptanz des Mindestlohns. Vor Jahrzehnten wurde eine solche Forderung noch als sozialistische Zwangswirtschaft verspottet. 2. Die Forderung nach Regulierung der Banken, ein altes Thema. Mit der Pleite der Lehman Brothers ist das zu einem selbstverständlichen Gedanken geworden. 3. Die Schuldenbremse.

Hickel war immer dagegen, weil er die Finanzierung großer Infrastrukturaufgaben wichtiger fand. Die Schuldenbremse in der Verfassung bezeichnet er als „ein Armutszeugnis für die Parlamentarier“. Sie waren offenbar davon ausgegangen, dass sie „keine verantwortliche Haushaltspolitik machen können ohne so ein Korsett“, sagt er. Finanzmister Christian Lindner (FDP) bezeichnet er als „einen gnadenlosen Opportunisten“.

„Zum Glück“, sagt Hickel. Die heilige Schuldenbremse hat er für ein Jahr weggewischt und will 60 Milliarden Euro Corona-hilfen für Investitionen ausgeben. Nicht nur Klimaminister Robert Habeck freut das.

Vielseitig aktiv

Hickel sitzt auch in verschiedenen Gremien, bei Attac wie etwa bei der bremischen Aktiengesellschaft Wohnen und Bauen (GEWOBA). Nur bei der Bremer Jacobs-Privatuniversität hat er sich immer auf Distanz gehalten. „Ich bin da skeptisch, allgemeine Privatuniversitäten finanzieren sich in Deutschland nicht privat“, sagt er.

Er hält dutzende Vorträge jedes Jahr, schreibt für verschiedene Zeitungen vom Neuen Deutschland bis zur Frankfurter Rundschau, er ist im Herausgeberkreis der Blätter für deutsche und internationale Politik. Vom Bremer Senat hat Hickel 2017 die „Senatsmedaille für Kunst und Wissenschaft“ erhalten.

In Wien gibt es sogar eine „Hickel-Gasse“. Die sei allerdings nicht nach ihm benannt, winkt Hickel ab – sie heißt schon lange so – nach dem aus Böhmen stammenden Wiener Maler Josef Hickel aus dem 18. Jahrhundert.

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