Bund will Schienenverkehr-Geld kürzen: Aufschrei im Norden
Der Bund plant Kürzungen im regionalen Schienenverkehr. Kritik kommt aus Schleswig-Holstein von der dortigen Landesregierung und der Opposition.
Wie weit die Kürzungen wirklich gehen könnten, ist im Moment noch unklar. Fest steht aber, dass in Schleswig-Holstein zu wenig Geld da ist, um den Nahverkehr auf der Schiene in seiner jetzigen Form aufrechtzuerhalten. Madsen denkt deshalb laut über Kürzungen im regionalen Zugverkehr nach.
Grund dafür sind laut seines Verkehrsministeriums fehlende Gelder vom Bund. In diesem Jahr hat Schleswig-Holstein rund 320 Millionen Euro an sogenannten Regionalisierungsmitteln vom Bund erhalten. Und während in den vergangenen Jahren diese zwar erhöht worden seien, so Karen Sieksmeyer, eine Sprecherin des Verkehrsministeriums, will der Bund diese Mittel nun aber offenbar kürzen.
Im Raum stehen 350 Millionen Euro, die im Bundeshaushalt gekürzt werden sollen. Das würde für Schleswig-Holstein bedeuten: Es fehlen dann zehn Millionen Euro. Laut Sieksmeyer ein „völlig falsches Signal“.
Ohnehin fehlen dem Land nach eigenen Angaben sogar deutlich mehr. Rund 50 Millionen Euro zu wenig sind es laut Madsen, um den Schienenpersonennahverkehr in seiner jetzigen Form aufrechtzuerhalten, da mit anhaltenden Preissteigerungen gerechnet wird.
Takt könnte verlangsamt werden
Der ÖPNV und damit auch der sogenannte Schienenpersonennahverkehr (SPNV) sind seit Mitte der 90er-Jahre in der Verantwortung der Länder. Allerdings, so Sieksmeyer, sind die Länder nur für das operative Geschäft, also die Verträge mit den Verkehrsunternehmen zuständig. Die finanzielle Verantwortung liege beim Bund, so Sieksmeyer. Der Bundesverband Schienennahverkehr bestätigt das.
Dass aufgrund der Finanzierungslücke jeder zehnte Zug gestrichen werden wird, „stimmt so nicht“, sagt Sieksmeyer. Aber: „Wir müssen über Abbestellungen nachdenken.“ Das Land ist an Verträge mit den Verkehrsunternehmen gebunden und kann laut diesen nur maximal jene fünf Prozent der Züge pro Jahr abbestellen, von denen auch der SHZ schreibt. Das Land überlegt, laut Sieksmeyer, beispielsweise Zugtakte von 20 auf 30 Minuten zu verlangsamen oder Züge zu den Randzeiten des Fahrplans zu streichen. Erste Änderungen könnte es bereits zum Fahrplanwechsel im Dezember geben.
Während das Land die Kritik an den Bund richtet, kommt aus der Opposition auch Kritik am Landesminister: „Was der Verkehrsminister hier plant, ist nichts weniger als ein Sargnagel für die Verkehrswende“, sagt Sybilla Nitsch, die verkehrspolitische Sprecherin der SSW-Landtagsfraktion. Sie fordert, dass das Land seinen Eigenanteil erhöht, um den Schienenverkehr weiter aufrechtzuerhalten. „Gerade in den ländlichen Räumen, auch in der Fläche, muss das Angebot so attraktiv wie möglich gehalten werden, weil die Menschen sonst auf das Auto umsteigen“, sagt Nitsch.
Auch Busverkehr betroffen
Etwas mehr Verständnis für die finanziellen Nöte von Madsen hat Karl-Peter Naumann vom Fahrgastverband Pro Bahn. Er sieht vor allem den Bund in der Pflicht, die nötigen Mittel für den Schienenverkehr aufzubringen.
Paul Hemkentokrax fürchtet, dass weniger Züge auch Auswirkungen auf den Busverkehr haben könnten. Der Geschäftsführer des privaten Busunternehmens Aktiv Bus Flensburg zeigt sich im Gespräch mit der taz „zutiefst geschockt und verärgert“. Denn wenn abends kein Zug mehr fährt, dann sei das ein Grund für die Kommunen, auch die Busse, die viele kleine Bahnhöfe in der Fläche anfahren, abzubestellen. Aber „andere Leute nutzen den Bus auch“, sagt Hemkentokrax.
Die Diskussion steht auch im Kontext der Verkehrsministerkonferenz, die nächste Woche in Münster stattfinden soll. Eine Anfrage der taz danach, wie weit die Kürzungspläne im Moment gediehen sind, ließ das Bundesverkehrsministerium bis Redaktionsschluss unbeantwortet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Verkehrsvorbild in den USA
Ein Tempolimit ist möglich, zeigt New York City
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich