Bund-Länder-Gipfel zu Migration: Deutschlandpakt in Sicht?
Bei einem Treffen von Bund und Ländern soll die Migrationspolitik verschärft werden. Diskutiert wird auch über Themen wie das Deutschlandticket.
Die Verhandlungen könnten sich bis in die Nacht ziehen – vor allem weil es um viel Geld geht. Am Ende wird man sehen, ob Bund und Länder in der Lage sind sich zusammenraufen, um in zentralen innenpolitischen Fragen etwas gemeinsam voranzubringen und einer Spaltung der Gesellschaft entgegenzuwirken. Das war die Idee von Kanzler Scholz, als er Anfang September einen Deutschlandpakt zur Modernisierung des Landes vorschlug.
Das Spitzentreffen am Montag ab 15.00 Uhr im Kanzleramt ist nun die Nagelprobe dafür. „Der Rechtsruck ist in vollem Gange. Letztendlich entscheidet der Montag nicht unwesentlich über die politische Zukunft Deutschlands“, mahnt Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU).
Alle wollen Eindämmung der Zuwanderung
Im Mittelpunkt wird eindeutig das Thema Migration stehen. Dabei geht es zunächst einmal darum, wer für die drastisch gestiegenen Kosten für die Aufnahme von Flüchtlingen aufkommen soll. Der Bund will nach Angaben der Länder seinen Anteil von 3,75 auf 1,25 Milliarden Euro reduzieren. Das wollen diese nicht hinnehmen. In einem Beschluss hatten sie Mitte Oktober eine Pauschale von 1,25 Milliarden Euro sowie pro Migrant mindestens 10.500 Euro verlangt. Die Fronten sind verhärtet. Wenn die Verhandlungen bis in die Nacht gehen, dann liegt es an diesem Tagesordnungspunkt.
Daneben geht es aber auch darum, dafür zu sorgen, dass der Zuzug von Geflüchteten gedrosselt wird. Da gibt es einige Ideen, bei denen die Einigung deutlich leichter fallen dürfte. So sollen die Verfahren für Asylbewerber aus Ländern mit geringen Anerkennungsquoten deutlich vereinfacht werden. Liegt die Quote unter fünf Prozent, sollen die Verfahren nur noch drei Monate dauern. Außerdem wird es unter anderem um die Umstellung von Bargeldzahlungen auf Sachleistungen für Asylbewerber gehen.
Andere Vorschläge dürften, wenn überhaupt, eher perspektivisch diskutiert werden. Zum Beispiel der des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Hendrik Wüst (CDU), Asylverfahren in Drittländern entlang der Fluchtrouten durchzuführen – zum Beispiel in Afrika. Dazu müssten aber erst einmal Länder gefunden werden, die dazu bereit sind.
Schnellere Planungsverfahren angestrebt
Wenn CDU und CSU Deutschlandpakt hören, denken sie an die Eindämmung der Migration. Für Kanzler Scholz ging es dagegen ursprünglich vor allem darum, mehr Tempo in Planungs- und Genehmigungsverfahren zu bringen, damit Deutschland wettbewerbsfähig bleibt. Das ist das zweite große Thema bei dem Spitzentreffen.
Es geht darum, wie Windräder, Stromtrassen, Bahnstrecken und Wohnungen schneller gebaut werden können. Mehr Erneuerbare Energien sollen auch zu günstigeren Strompreisen führen. Über Monate haben Bund und Länder auf Arbeitsebene die Details ausgearbeitet, die Ministerpräsidenten müssen aber noch grünes Licht geben.
Für mehr Wohnungsbau sollen zum Beispiel die Bauordnungen der Länder vereinheitlicht werden. Wenn ein Haus in einem Land genehmigt wurde, sollen für baugleiche Gebäude woanders weniger umfangreiche Verfahren gelten. Ein Dachgeschoss als Wohnung auszubauen, soll unter bestimmten Bedingungen ohne Genehmigung möglich sein. Der Bau von Mobilfunkmasten soll einheitlich und ebenfalls häufiger ohne Genehmigung funktionieren.
Beim Ausbau der Schiene, von Stromnetzen und Straßen sollen einheitliche Artenschutzstandards gesetzlich festgelegt werden, um schnellere Verfahren zu ermöglichen. Umweltverbände wie der Nabu befürchten, dass viele der Pläne auf Kosten der Natur gehen. Umweltverträglichkeitsprüfungen sollten wegfallen, es solle mehr Ausnahmen beim Artenschutz geben und auch Widerspruchsmöglichkeiten würden reduziert.
Deutschlandticket: Wird Bahnfahren wieder teurer?
Ums Geld geht es dann wieder beim Deutschlandticket für den bundesweiten Nahverkehr. Die Länder verlangen, dass der Bund mögliche Mehrkosten auch 2024 zur Hälfte übernimmt. Vereinbart wurde das nur für das Einführungsjahr 2023. Dabei geht es um etwaige Einnahmeausfälle, die über drei Milliarden Euro hinaus gehen.
Diese Summe schießen Bund und Länder schon je zur Hälfte zu, um das Angebot für Verkehrsunternehmen wirtschaftlich zu halten. Der Bund hat Erwartungen an neue Zusagen bereits gedämpft und verweist auf die angespannte Haushaltslage – und dass erst Ende 2024 zu beziffern sei, welche Mehrkosten es wirklich gibt. Eine prinzipielle Option wäre auch, den „Einführungspreis“ von 49 Euro im Monat anzuheben. Verbraucherschützer warnten schon davor.
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