Büro-Visionen am Gleisdreieck: Die Zukunft verbaut
Sieben Bürohochhäuser sollen am Gleisdreieckpark entstehen. Es werden Denkmäler einer Zeit, in der Berlins Stadtentwicklung den falschen Weg einschlug.
J ede Vision von Zukunft wird in der Vergangenheit entwickelt. Sie beruht auf Fehleranalysen des jeweils aktuellen bisherigen Wissens und der Abschätzung der weiteren Entwicklung. Das kann gutgehen – oder auch kolossal schief, wenn die Entwicklung ganz anders oder viel schneller verläuft als angenommen. In diesem Fall wird aus der geplanten Zukunft dann nur ein Monument der Fehleinschätzung.
Das Kreuzberger „Stadtquartier der Zukunft“, das demnächst rings um den U-Bahnhof Gleisdreieck auf der östlichen Parkseite errichtet werden soll, fußt auf Vorstellungen von Stadtentwicklung aus dem Jahr 2005. Auf der damals vom Senat gefassten Rahmenplanung mit dem Investor beruhen die Pläne der „Urbanen Mitte“, einem Riegel von sieben Hochhäusern, bis zu 90 Meter hoch, die zwar 120.000 Quadratmeter Geschossfläche bieten, aber keinen einzigen Quadratmeter Wohnraum. Schon vor dem ersten Spatenstich ist zu befürchten: Hier entsteht noch so ein Denkmal einer Zeit, in der Berlin falsch abgebogen ist.
Damals, als es 100.000 leerstehende Wohnungen gab, ist die Stadt einem Zukunftsbild unterworfen worden, das private Akteure und deren Anlagemodelle priorisierte. Potsdamer Platz, Mercedes-Benz-Quartier, Europa-City gehören zu den traurigsten Relikten. Dass nun ein nächstes hinzukommen soll, ist eine Farce. Genauso wie die gnadenlos überzeichnete Selbstvermarktung des Projekts mit Werbesätzchen wie: „Wir nennen es local love.“
Die „locals“ aber – Anwohner:innen also – halten wenig davon, dass ihr Park in den Schatten von Büros, einem Hotel und Gewerbe gestellt werden soll. Mit Demonstrationen hat die Aktionsgemeinschaft Gleisdreieck das Vorhaben gerade mal wieder ins Gespräch gebracht. Zwar wurde im Koalitionsvertrag eine Prüfung des Projekts verabredet und Politiker:innen bringen Nachverhandlungen über die Nutzung ins Gespräch, doch sind die Pläne eben weit gediehen. Jede einseitige Aufkündigung würde wohl hohe Schadenersatzforderungen mit sich bringen.
An den Fakten, die der Senat einst schuf, konnten auch spätere kurze Bürgerbeteiligungen nichts ändern. Wünsche nach dem Bau von Wohnungen wurden abgetan mit der Argumentation, dass deren Bau dort nur in Ausnahmefällen erlaubt und die Lärmbelastung durch die U-Bahn zu groß sei. Das „urbane Element“ Wohnen, wie es für die Investoren zumindest einmal anteilig vorstellbar war, bleibt erst mal eine Zukunftsvision.
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