piwik no script img

Bürgerwehr in EisenhüttenstadtHeimat ist Heimat

Viele Eisenhüttenstädter haben Angst – vor Polen, Asylbewerbern und der Mafia. Einige Männer wollen etwas tun. Auf Patrouille mit der Bürgerwehr.

„Und man siehet die im Lichte. / Die im Dunkeln sieht man nicht.“ (Bertolt Brecht) Bild: Viktoria Morasch

EISENHÜTTENSTADT taz | Kurz vor Mitternacht in Eisenhüttenstadt. Die Lindenallee, die Magistrale der Stadt und gleichzeitig ihr Zentrum, ist schon lange menschenleer. Hier passiert nichts, scheint es. Früher hieß die Lindenallee Leninallee. Sie war eine symbolträchtige Verbindung zwischen der Arbeiterstadt und dem Stahlwerk. Heute ist sie nur eine Verbindung. Es gibt viele Linden hier.

Vor der Bäckerei „Dreißig“ hält ein Auto an, dann noch eines, wenig später ein drittes. Sechs junge Männer steigen aus. „Guckt bei den Garagen und Autohäusern, auch im Gebüsch. Aber lasst euch kein blaues Auge schlagen“, sagt Benjamin Rudolph und verteilt Walkie-Talkies an die fünf anderen. Sie teilen sich in Trupp 1 bis 3 auf. Von ihren Autos und T-Shirts strahlen reflektierende Buchstaben: „Bürgerwehr Eisenhüttenstadt“.

Immer um Mitternacht beginnt die Patrouille. Benjamin Rudolph und ein Bekannter von ihm sind im Trupp 1. Sie kennen sich vom Rettungsdienst, wo beide arbeiten. Sie steigen ins Auto und fahren durch Eisenhüttenstadt, mit ihren Taschenlampen leuchten sie in dunkle Ecken. Sie fahren vorbei an den Plakaten für die Brandenburger Landtagswahlen. Dietmar Woidke von der SPD, Ministerpräsident des Landes, blickt auf ihnen lächelnd in die Ferne, neben kleinen Mädchen, die Seifenblasen pusten. AfD und NPD zeigen keine Gesichter, schon gar keine Seifenblasen. Sie werben mit provokanten Sprüchen, spielen mit den Sorgen der Eisenhüttenstädter.

Denn die Bewohner dieser kleinen, ruhigen Stadt haben Angst. Davor, dass sie noch kleiner wird und mehr Junge wegziehen. Davor, dass leer stehende Häuser abgerissen oder von Asylbewerbern besiedelt werden. Asylbewerber, meinen viele hier, „genießen Immunität“ – ein Ausdruck, der sich nur schwer in den brummig-pragmatischen Dialekt der Eisenhüttenstädter einfügt. Aber vor allem ist es die Grenznähe zu Polen, die sie stört. Die Polen brechen ihre Datschen auf, sagen sie, und stehlen ihre Autos. Wegen der Einbrüche sei es schwer, eine Versicherung für das Haus zu bekommen.

Der Wunsch nach Polizei

In der Tat werden nirgendwo in Deutschland mehr Autos gestohlen als in der Region Frankfurt (Oder). Der Anteil der ausländischen Tatverdächtigen steigt von Jahr zu Jahr. Und Brandenburg ist dünn besiedelt, das Geld für mehr Polizisten fehlt. „Wir würden uns wünschen, dass mehr Polizisten hierherkommen, mehr kontrollieren und auch mal knallhart durchgreifen“, sagt Rudolph. Dann lacht er. „Das ist hier doch kein Supermarkt.“

Benjamin Rudolph ist 25, ein gut gelaunter junger Mann. Nachdem ihm sein Motorrad, „die jute Enduro“, geklaut wurde, sagt er, habe er etwas unternehmen müssen. Nicht einmal 24 Stunden hat sie ihm gehört. Zusammen mit seinem Freund Sebastian Knof organisiert er nun die nächtlichen Patrouillen der Bürgerwehr. Auch Knof wurde sein Moped, eine Schwalbe, gestohlen. Er würde sich gern eine neue kaufen, traut sich aber nicht. „Weil ich weiß, irgendwann steht sie wieder auf der Liste.“ Knof ist auch 25 und arbeitet in der Papierfabrik. Er ist ernster als sein Freund. Wenn er etwas sagt, senkt er seinen Blick. Ein bisschen sieht er aus wie der Boxer Axel Schulz.

Mit „der Liste“ meint Knof eine Auftragsliste von Polen: Die Mafiabosse bestellen, die Fahrer holen ab. Sie wissen genau, wo was steht, spekulieren Rudolph und Knof. Wenn Knof von Polen spricht, meint er: „Wolgadeutsche, Russen, Polen, Litauer, auch Deutsche. Da ist alles dabei.“ Rudolph sagt einmal sogar „polnische Mitbürger“. Die Freunde drücken sich vorsichtig aus. Weil man sonst schnell in der „rechten Ecke“ lande.

Die Bürgerwehr hat sich inzwischen in der Stadt verteilt. Trupp 2 gibt per Funk seine Position durch: „Wir sind in Fürstenberg. Alles ruhig hier.“ „Gut, Jungs, haltet die Augen offen“, antwortet Rudolph. Viele Eisenhüttenstädter fühlen sich von der Politik im Stich gelassen. Die Sprüche und Gesichter auf den Wahlplakaten interessieren sie nicht. Sie stört, dass immer mehr Brücken über die Oder gebaut werden. Die Bürger frage dabei keiner. „Wo sollen wir denn hin mit unserem Anliegen? Hier vor der Stadt protestieren, wie wir’s schon mal hatten? 89, die Mauer muss weg und so was? Aber hier muss wieder eine her. Hier muss eine Grenze her!“, sagt Knof.

Viele auf Facebook aktiv

Im Frühjahr 2014 gründeten Rudolph, Knof und ein paar andere die Facebook-Gruppe „Bürgerwehr Eisenhüttenstadt“. Derzeit zählt sie 581 Mitglieder. Das hat Bürgermeisterin Dagmar Püschel alarmiert. Nach einem Aufruf zum nächtlichen Streifegehen stand die Polizei vor Rudolphs Tür. „Die hatte Angst, dass es hier eine riesengroße Revolte gibt und plötzlich 300 Mann auf der Straße stehen“, sagt Knof, „aber wir waren anfangs die beiden Einzigen, die nachts unterwegs waren.“ Die anderen schrieben in der Facebook-Gruppe. Auf die wurden bald Polizei und Medien aufmerksam. Das Tattoo einer der Gründer der Gruppe sorgte für Diskussionen: „Final Solution“ – Endlösung – steht in Frakturschrift auf seinen Schulterblättern. Nun hat er sich aus der Gruppe zurückgezogen, sie wurde ihm zu politisch korrekt.

In den Diskussionen in der Gruppe wurde gegen „Asylanten“, „Zigeunerpack“ und „Klauschweine“ gehetzt. Oft mahnten Mitglieder, dass nicht jedes Auto mit polnischem Kennzeichen automatisch verdächtig sei. Dazu kommentierte jemand: „Alle die nachts oder am späten Abend in unsere Seitengassen einbiegen sind potentielle Täter. Was machen die um diese Uhrzeit in unseren Straßen?“ Das Wir ist groß in Eisenhüttenstadt, noch größer ist das Unser.

Wenn nur geschrieben oder geredet wird – das mögen Knof und Rudolph gar nicht. Das machen Politiker. Und die Leute auf Facebook. „Wir versuchen, die Gruppe sauber zu halten. Wenn sie sich mal wieder auslassen wollen über Asylanten, dann wird das einfach gelöscht. Kommentarlos“, sagt Rudolph genervt. „Die Asylanten sind nun mal da, da kann die Bürgerwehr gar nichts machen.“ Das Gehetze rücke sie in ein falsches Licht. „Wir stehen ja mit unserem Namen da.“ Auch sein Chef ist in der Facebook-Gruppe.

Neue Freunde

Das Funkgerät knistert. „Wir haben zwei Leute mit Taschenlampen gesehen. Dann sind sie weggelaufen“, gibt Trupp 3 durch. „Habt ihr die Polizei gerufen?“, fragt Rudolph. „Positiv.“ Rudolph gibt Gas, dreht die Musik auf. Aber am Autohaus ist niemand zu sehen. Wenig später kommt die Polizei. Sie grüßen sich. Die Bürgerwehr hat mit der Stadt über eine Sicherheitspartnerschaft verhandelt. Rudolph und Knof haben sich aber dagegen entschieden. Zu viel Bürokratie. Am Autohaus prüfen sie die Nummernschilder. „Vielleicht ist ja an ihnen gekratzt worden“. Dann laufen sie durch das Gebüsch, leuchten mit ihren Taschenlampen. „Die können sich überall versteckt haben“, sagt Rudolph. „Ein Nachtsichtgerät wäre jetzt cool“, antwortet sein Partner. Später wird Rudolph einen Einsatzbericht in die Facebook-Gruppe schreiben: „Trotz intensiver Suche, zusammen mit der durch uns alarmierten Polizei, blieben diese Personen verschwunden.“

Die drei Trupps versammeln sich an der Aral-Tankstelle in der Karl-Marx-Allee. Sechs Männer zwischen 18 und Mitte 30. Die einen arbeiten in Schichten, die anderen haben Urlaub, einer hat Schulferien. „Wir treffen uns da immer auf einen Kaffee und ’ne Bocki“, sagt Rudolph. Mittlerweile ist es fast drei Uhr. Alle sind müde. Trupp 1 dreht noch eine Runde durch die Stadt, folgt einem Auto auf einer auffälligen Route, bezieht Stellung am Ortseingang. Aber die Nacht bleibt ruhig. „Es macht auch Spaß. Man bewegt sich, kommt an die frische Luft, lernt vielleicht neue Freunde kennen“, sagt Rudolph auf dem Nachhauseweg, „wir wollen das aber nicht ewig machen. Eigentlich ist das nicht unsere Aufgabe.“

Seitdem sie nachts regelmäßig unterwegs sind, sei nichts mehr passiert, sagen Knof und Rudolph – jetzt vor den Wahlen zeige aber auch die Polizei mehr Präsenz. Die beiden machen sich Sorgen um ihre Stadt. Wegziehen, wie viele andere es tun, kommt für sie nicht infrage. Rudolph zweifelt kurz: „Man ist ja noch jung, eigentlich ist die Welt ja groß, ne?“ Knof wartet ab, dann sagt er: „Nur weil geklaut wird oder weil mir die Stadt nicht mehr gefällt, ziehe ich nicht weg.“ Seiner Meinung nach müsse da mehr passieren. Was das sein könnte, darüber schweigt er. Heimat ist nun mal Heimat.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

41 Kommentare

 / 
  • 4G
    4845 (Profil gelöscht)

    Das sind Kleinbürger die eine perfide Freude daran haben, Macht auszuüben. Das ist alles.

  • Da scheinen ja einige zuviel Zeit zu haben, sonst könnten sie nachts da nicht rumlaufen. Ich habe dafür leider keine Zeit. Ich muss meinen Arsch immer in Bewegung halten, damit die Kohle stimmt.

     

    So ungefähr Gunter Gabriel afair im Osten (Ich kenne diese Passage l̶̶e̶̶i̶̶d̶̶e̶̶r̶ glücklicherweise nur durch die Fassung von DJ Koze).

     

    Naja, ansich ist das ja zu begrüßen, wenn sich die Menschen selbst organisieren anstatt nach dem Staat zu schreien. Etwas unappetitlich wird es allerdings, wenn diejenigen, die sich von meinem Solibeitrag und den Kürzungen, die ich als West-BRDler erleben musste seit 1990 sich Autos kaufen und sich dann wundern, dass andere sich genauso bereichern wollen.

    Dennoch: In dem Modell ist ein richtiger Ansatz. Eisenhüttenstadt scheint eine Kommune zu sein, die nicht annähernd Personalkosten für Polizei aufbringen kann, da sie keinerlei Produktivität schafft. Wer in solchen Regionen leben will, sollte auch die Konsequenzen ziehen und nicht zusätzliche Mittel der Gesamtbevölkerung der BRD fordern, sondern eben durch unbezahlte Mehrarbeit diesen Luxus, dort leben zu wollen, ausgleichen.

    Politisch wäre aber hier eine Forderung angebracht, die den Kommunen mehr steuerliche Möglichkeiten geben würde, damit die Einwohner dort selbst entscheiden können, ob sie mehr Steuern zahlen wollen oder eben ehrenamtlich als Wachleute nachts tätig sein möchten.

    • @Age Krüger:

      "Ich muss meinen Arsch immer in Bewegung halten, damit die Kohle stimmt."

       

      Mein Mitleid.

      Wie sagte "Lisa Simpson", die Deutschen haben ein Wort für die Mischung aus Verachtung und Mitleid?!

       

      Menschen die damit "angeben" "keine Zeit" zu haben, sich mit "Malochertum" schmücken.....

      Meist resultierend aus Minderwertigkeitskomplexen aufgrund fehlender wirklich erfüllender Arbeit, welche aber eine höhere akademische Qualifikation erfodert.

       

      Meine Empfehlung an Age Krüger:

       

      Weniger arbeiten - mehr leben - Die Kunst des Müßiggangs:

      http://www.mdr.de/tv/musse100.html

       

      Das Video: https://www.youtube.com/watch?v=kazLxiXE3zw

      • @Tobias Claren:

        Warum ist da wohl das "leider" durchgestrichen und ich erwähne ausdrücklich, dass ich erfreulicherweise nur die Version von DJ Koze aka Adolf Noize kenne. Könnte das daran liegen, dass ich den dümmlichen Spruch des Sängers Gabriel, der seinen Arsch über Jahre nur in Bewegung hielt, um an Alkohol zu kommen, damit als Schwachsinn brandmarken wollte?

        ( https://www.youtube.com/watch?v=NmPqqAs04dM )

        Zu dem Filmchen:

        Ganz nett, aber mir sind die Betrachtungen von Stefan Grigat zu Arbeit lieber sind. ( http://lebenimfalschen.blogsport.de/2014/08/09/die-arbeit-nieder-stephan-grigat/ )

         

        Mir gefällt aber bei ihm auch nicht die fahrlässige Verwendung des Begriffes "Arbeit". Ich bleibe lieber bei einer marxistischen Interpretation des Begriffes und definiere als Arbeit als das, was ich tun müsste, wenn ich nur durch Arbeit mein Leben aufrecht erhalten könnte. Da ich nur in sozialen Bereichen meistens tätig war, habe ich eigentlich nie arbeiten müssen, da dies keine Arbeit in diesem Sinne ist.

         

        Allerdings war es vor der Wiedervereinigung wesentlich leichter selbstbestimmte Tätigkeiten zu finden, die auch so entlohnt wurden, dass man eben nicht "arbeiten" musste. Und das hat eben was damit zu tun, dass eine bestimmte Produktivität pro Kopf nötig ist, um auch diese Bereiche der "Arbeit" zu finanzieren. Das ist jetzt volkswirtschaftlich sehr vereinfachend beschrieben, aber dafür hoffentlich nachvollziehbar.

         

        Darf ich Sie btw so verstehen, dass sie das klasse finden würden, wenn viele Menschen weniger einer einer Lohntätigkeit nachgehen würden und dafür mehr Bürgerwehren bilden würden?

    • @Age Krüger:

      Eisenhüttenstadt hat keine Polizeihoheit, die liegt beim Land Brandenburg. Wie viele Polizisten für die Stadt und ihre Umgebung zuständig sind, wird in Potsdam entschieden.

       

      Aber auch der Stadtstaat Berlin kann "nicht annähernd Personalkosten für Polizei" aufbringen: Neben den 44,4 Mio € für die vom Bund finanzierten hauptstadtbedingten Aufgaben fallen dieses Jahr weitere ~650 Mio € Personalkosten für die Berliner Polizei an, viel weniger, als der Länderfinanzausgleich in die Landeskasse spült. Sollte I.M.n. also die Polizei in Berlin ganz abgeschafft werden?

      • @Jan Engelstädter:

        Deshalb schrieb ich ja auch, dass eine politische Forderung sinnvoll sei, die Polizeihoheit an die Kommunen abzugeben und ihnen dafür die Möglichkeiten zu geben, Steuern zu erheben.

         

        Wenn ich in Berlin bin, sehe ich auch nur völlig verarmte Unternehmen, die alle zwei Tage sich einen neuen Riesenpalast dahin stellen und mit ihren Baustellen die Straßen blockieren. Wenn die Berliner diese Unternehmen und Bundesministerien und -abgeordneten dort haben wollen, dann sollen sie entweder selber dafür blechen oder diese eben blechen lassen. Die konkurrierende Gesetzgebung muss völlig umgestellt werden.

    • @Age Krüger:

      Platter gehts nich.

      Was "Ihr Solibeitrag" macht, das hat die Linke bei einer Anfrage 2011 auch interessiert. Hierzu schrieb man...

       

      http://www.morgenpost.de/politik/article1866633/Soli-brachte-200-Milliarden-Euro-in-Bundeskasse.html

       

      sowie

       

      http://www.sueddeutsche.de/politik/solidaritaetszuschlag-einfach-kompliziert-1.1727600

       

      Kurz, der Solibeitrag dient seit Jahren u.a. dazu, bundesweite Haushaltslöcher zu stopfen. Ich kann Sie also beruhigen, vielleicht auch irgendwo enttäuschen, wenn ich sage, dass Sie den Eisenhüttenstädtern mit Gewissheit nicht mal ein Ersatzrad finanziert haben.

      Was Sie danach über den Luxus, in diesen Regionen schreiben, klingt ziemlich verachtend. Das sagt viel über Sie aus.

      • @friedjoch:

        Aber jetzt zu den anderen Sachen:

        Der Solidaritätszuschlag ist nichts anderes als eine Steuererhöhung gewesen. Das ist korrekt, aber er wurde von H.Kohl ausschließlich in dem Zusammenhang genannt, dass man damit die "Kosten der Einheit" tragen solle. Solange dieser Quatsch noch existiert und nicht in den normalen Einkommenssteuerbetrag aufgenommen wird, darf sich kein Ossi wundern, wenn ihm das noch Ewigkeiten um die Ohren gehauen wird. Unerklärlich für mich daher, die Forderungen von einigen ostdeutschen Landesverbänden diverser Parteien, diesen Beitrag als solches zu erhalten und nicht zu integrieren in die normale Einkommenssteuer.

         

        Ausschlaggebend aber ist, dass sich durch die DDR der Lebensstandard der Westdeutschen erheblich gesenkt hat. Am deutlichsten wird dies bei der sozialen Sicherung und den Löhnen.

         

        Desweiteren habe ich neulich in einer anderen Debatte über die Finanzierung von Migration darauf hingewiesen, dass der Lebensstandard bzw. die Produktivität von fast allen Nachbarländern der BRD deutlich höher ist als die der BRD. Dann wird einem sofort gesagt: Ja, die hatten ja auch keine Wiedervereinigung.

        • @Age Krüger:

          Und jetzt noch dazu:

          "Was Sie danach über den Luxus, in diesen Regionen schreiben, klingt ziemlich verachtend. Das sagt viel über Sie aus."

           

          Kann sein. Aber ich halte es schon für einen Vorteil in einer Region leben zu können, wo ich nur ein paar Minuten fahren muss, um z.B. an Zigaretten zu gelangen, die über 100$ preiswerter sind als die, die normale Bürger der BRD rauchen dürfen. Von den übrigen Waren, die ebenfalls in Polen wesentlich billiger sind, ganz zu schweigen. Ich lebe auch in einer Grenzregion, müsste aber jenseits der Grenze wesentlich mehr für Zigaretten und andere Waren bezahlen wie hier. Dafür kann ich da auch ganz andere Rauchwaren kaufen, die ich in der BRD nicht in dieser Qualität so einfach erhalte. Und dieser Luxus ist es mir auch wert, hier zu leben. Hier werden höchstens mal die Fahrräder sozialisiert, werden aber auch meistens zurückgebracht nach Gebrauch.

        • @Age Krüger:

          Ihr Lebensstandard hat sich durch die DDR erheblich gesenkt?

           

          Es ist kaum zu glauben, dass Sie in dieser Welt ernsthaft über Ihren LEBENSSTANDARD jammern und das dazu noch der Wiedervereinigung anrechnen.

           

          Aber gut, die Gedanken sind frei.

           

          Warum baut man die Mauer dann nicht einfach wieder auf, so wie es Die Partei vorschlägt? Ich vermute mal, dass die Ossis mehrheitlich auf Coca Cola verzichten können, wenns wieder Arbeit und junge Leute im Land gäbe.

          • @friedjoch:

            Meine Stimme hat DIE PARTEI in diesem Punkte, aber ich glaube nicht, dass sie das ernst machen wird.

             

            Dafür ist es jetzt auch zu spät. Es hätte vom ersten Moment an eine völlig andere Form stattfinden müssen, zwei völlig unterschiedliche Systeme mit völlig unterschiedlich geprägten Menschen aneinanderzuführen. Rückgängig ist das nicht zu machen. Es müssen neue Ansätze her wie eben mehr Regionalisierung, mehr Unabhängigkeiten in den einzelnen Bundesländern, Kreisen und Gemeinden. Eine Forderung, die leider aus wohl nationalistischem Großkotz in Deutschland schlecht angesehen ist.

            • @Age Krüger:

              Mehr regionale Unabhängigkeit funktioniert nicht in einer Welt, wo jeder mit jedem in Konkurrenz stehen soll und quasi den Hof vom anderen einfach aufkaufen könnte.

              Also entweder man expandiert und schafft Abhängigkeiten und freut sich dann, das die Zigarretten nebenan noch billiger sind, oder man hält eben seinen Arsch in Bewegung, dann stimmt zwar nicht die Kohle aber die Energiebilanz.

    • D
      D.J.
      @Age Krüger:

      "Etwas unappetitlich wird es allerdings, wenn diejenigen, die sich von meinem Solibeitrag und den Kürzungen, die ich als West-BRDler erleben musste seit 1990 sich Autos kaufen und sich dann wundern, dass andere sich genauso bereichern wollen."

       

      Manchmal schreiben Sie Vernünftiges, manchmal sind Sie ein richtig unangenehmer Mensch.

      • G
        Guest
        @D.J.:

        Nun mal langsam!

        "Vernünftig" wäre es, wenn Age mal näher erklärte, was er dsbzgl."erlebte".

        Was fallt Ihr denn gleich so ausfallend über ihn her?

        • D
          D.J.
          @Guest:

          Wir Zonis (bzw. ich als ehem. Zoni) zahlen ebenso den Soli.

          Wir Zonis haben auch schon vor 1989 das eine oder andere Auto gesehen.

          Und fließend Wasser.

          • @D.J.:

            Okay, fangen wir hiermit mal an:

            Das mag sein, dass es auch in der DDR Autos gab. Dennoch hat die Öffnung der Grenze es bewirkt, dass die Verkehrstoten in der DDR von 1441 im Jahr 1988 um 100% stiegen auf 3140 im Jahr 1990 dann. Einen wirklich geschulten Umgang mit einem Industriegut wie einem Auto kann ich daraus nicht erkennen.

            • @Age Krüger:

              Dann wäre der Anstieg der Verkehrstoten immer noch geringer gewesen als der PS-Zuwachs von 89 auf 90 - der "Trabant" hatte ja nur 26.

              An dessen Stelle plötzlich ein "richtiges" Auto, in dem man sich nicht bei 105 km/h (von der Geräuschkulisse her) wie in einem Eisenwalzwerk vorkommt - da muß man sich halt erst dran gewöhnen.

  • Also mir scheint das so, als würde die Bürgerwehr-Gruppe sich schon bemühen, das Problem sachlich und differenziert angehen wollen und Hetze gegen irgendwelche Menschen zu unterbinden. Zumindest stellt der Artikel das so dar.

  • Wieder so ein Tag, an dem ich mich schäme Deutscher zu sein.

    • D
      D.J.
      @vic:

      Ich mag keine Phrasen. Vor allem keine überheblichen.

    • @vic:

      warum?

    • @vic:

      Tja ja, Menschen , die es nicht zu schätzen wissen wenn man sie bestiehlt, sind wirklich eine Schande.

      Ich nehme an, dass Ihre Haustür auch sperrangel weit offen steht, wenn sie in Urlaub fahren.

  • Ein durchaus nützliches engagement finde ich. Diese jungen Männer stärken offenbar das Sicherheitsgefühl, was schon mal positiv ist. Ob sie tatsächlich Diebe abschrecken, kann man wohl erst über einen längeren Zeitraum feststellen. Ganz anders dagegen die Aktionen von linkssozialisierten jungen Männern, die in Berlin und anderswo Trafostationen in Brand setzen, Autos anzünden oder Brandsätze auf Menschen werfen.

    • @Guillaume:

      Naja, was soll um 10 vor 3 schon rumkommen? Also...

       

      Linksozialisierte Frauen und Männer, die studieren gehen, die Kultur auf die Beine stellen (nein keine schützenumzüge oder onkelzcoverkonzerte), die das System verändern wollen UND können welches Leute wie Sie so frustiert hat (ohne dass Sie das reflektieren können)... und ja, ab und zu brennt mal ein Auto, und somit haben auch Sie was davon, nämlich als empörter Fingerzeiger am Seitenrand.

    • @Guillaume:

      Oder die Aktionen rechtssozialisierten junger Männer, die in Zwickau und anderswo Asylanten aus fahrenden Zügen werfen, wahllos türkische Gemüsehändler mit schallgedämpften Pistolen erschießen oder Rohrbomben in Nürnberger Gaststätten legen.

      • @Milch:

        Oder die staatssolzialisierten Menschen, die gefesselte Menschen in Polizeizellen verbrennen lassen...

  • Es funktioniert wie in den USA: Der Staat wird kaputt gespart, und die Menschen werden als Reaktion darauf rechtsradikal.

     

    Ein weiteres gesellschaftliches Muster das hier anklingt: Durch starke Reglementierung wird der Staat dysfunktional und unattraktiv. Die Bürgerwehr hat sich hier gegen eine Sicherheitspartnerschaft mit der Stadt entschieden, weil das zu viel Bürokratie mit sich bringt.

  • Kommentar entfernt. Bitte beachten Sie unsere Netiquette.
    • @tazzen:

      Kann ich nur zu hundert Prozent zustimmen.

    • @tazzen:

      Dass Sie scheinbar nicht begreifen, dass die Leere aus der Bürgerwehren entstehen zum einen systemgemacht ist und diese ominösen Bürgerwehren zum zweiten bald dankend für weiteren Stellenabbau bei der Polizei sorgen werden, DAS...ist Verleugnung.

      • @friedjoch:

        Ich verstehe Ihre Sätze gar nicht.

        • @tazzen:

          Vielleicht habe ich Sie falsch verstanden. Also bitte nochmal kurz, wie sehen SIE die Verhältnisse, die 'politisch korrekt' geleugnet werden?

    • @tazzen:

      Die Taz mit ihrem angeblich politisch korrekten Profil und der „Leugnung der Wahrheit“ (ihrer Wahrheit, nicht einer objektiv messbaren), sei also mitschuldig an diesen Verhältnissen? Glauben sie den Schmarren allen Ernstes?

      Aber gut, wer auf eine angeblich politisch korrekte Meinungsdiktatur schimpft und meint, die ominöse Wahrheit für sich gepachtet zu haben, ist eben selten an wirklichem Diskurs über Probleme oder demokratischer Diskussionskultur interessiert…

      Gerade für sie lesenswert: http://www.bzw-weiterdenken.de/2014/09/political-correctness-geschichte-einer-konstruktion/

      • @Manuel: Kommentar entfernt. Bitte beachten Sie unsere Netiquette.
        • @tazzen:

          Da sie mich haben mutwillig missverstehen wollen, bedarf es keiner erneuten inhaltlichen Auseinandersetzung mit ihrer kurzen Wortmeldung. Ich denke, sie wissen selbst am Besten, dass meine Beschreibung nicht auf die taz, sondern auf sie und Ihresgleichen, nämlich diejenigen, die von einer political correctness Diktatur und Gutmenschentum parlieren und so eine wirkliche Auseinandersetzung ohne zu nichts führender Polemik nicht befördern, sondern behindern, am besten zutrifft. Schönen, sonnigen Nachmittag noch.

  • Ist das jetzt schlimm? Jedem Berliner dürfte im Schnitt schon mal etwas geklaut worden sein, an dem er hing, häufig zB Fahrräder. Ich habe kein Problem damit, wenn sich Leute zusammentun, die sich damit nicht einfach abfinden wollen und sich dabei sehr korrekt verhalten: keine Selbstjustiz, sondern die Polizei wird gerufen und Rassisten fliegen raus. Was soll daran schlecht sein?

  • "Seiner Meinung nach müsse da mehr passieren. Was das sein könnte, darüber schweigt er"

     

    Mir tun junge Menschen leid, die nichts besseres mit ihrer Zeit anzufangen wissen als ne Bürgerwehr aufzumachen. Echt unkultiviert.

    • @friedjoch:

      "Mir tun junge Menschen leid, die nichts besseres mit ihrer Zeit anzufangen wissen als ne Bürgerwehr aufzumachen. Echt unkultiviert."

       

      Tja, manche "verschwenden" ihre Zeit eben mit der Idee, die eigene Umgebung schützen zu wollen. Sind schon echt erbärmlich, die Menschen, die sich darüber beschweren, wenn ihnen etwas geklaut und ihnen dann nicht geholfen wird.

      • @John Farson:

        Was wäre den angebracht als Zeitvertreib für Sie: Sich irgendwelche Schwarten reinziehen, Sport, Radfahren, Bergsteigen, Meditation, Dehnübungen, gemeinsames Kochen, Bilder malen, seine Wohnung renovieren? Ich halte Selbstverantwortung für richtig, so lange hier nicht rassistisch und gewalttätig rumgefummelt wird. Wieso muss alles der Staat machen? Bei uns sind zB Freitagabend oft Besoffene unterwegs, und da geht man denen eher aus dem Weg, zumindest den jungen Nationalgesinnten, es sei denn es gäbe einen Schutz.

        • @Gabriel Renoir:

          "Verschwenden" war in Anführungsstriche gesetzt, weil ich die Aktionen der Bürgerwehr keinesfalls für Zeitverschwendung hielt. Im Gegensatz zu Friedjoch. Das nennt Ironie.

      • @John Farson:

        Populismus?