Bürgermeisterin über Anti-Kohle-Protest: „Das kann ich nicht gutheißen“
Im Braunkohlerevier der Lausitz wird am Wochenende protestiert: Kohle-Bagger sollen gestoppt werden. Die Bürgermeisterin von Welzow verurteilt den Aufruf.
taz: Frau Zuchold, Sie sind Bürgermeisterin von Welzow in der Region des Lausitzer Braunkohlereviers. Seit Montag läuft in der Lausitz eine Protestwoche gegen Braunkohle. Die Initiative „Ende Gelände“ ruft zu zivilem Ungehorsam auf. Wie stehen Sie zu dem Protest?
Birgit Zuchold: All die Aktionen zu denen die Initiative „Ende Gelände“ aufruft, kann ich nicht gutheißen. Ich stehe für einen friedlichen Dialog. Hier fehlt die Bereitschaft zum Dialog und dazu, sich gegenseitig zuzuhören. Im Bergbau blicken wir auf eine 150-jährige Tradition zurück. Man muss die Sorgen und Nöte der im Bergbau beschäftigten Menschen respektieren und die Menschen mitnehmen.
Der Protest richtet sich doch aber nicht gegen die Menschen vor Ort, sondern gegen die Kohleindustrie und die Wirtschaftslobby.
Für mich ist das keine Frage von Gut gegen Böse, sondern eine Frage danach, wie der Umbruch geschafft werden kann. Die Debatten sollten sachlich geführt werden.
Wer sollte die Debatte sachlich führen?
Nicht die Kohle-Befürworter und die Kohle-Gegner sollten in einen Dialog treten, sondern hier sind in erster Linie Energieexperten gefordert. Die Grundversorgung der Menschen mit sicherer und bezahlbarer Energie muss gewährleistet werden.
49, ist Bürgermeisterin (SPD) von Welzow - "der Stadt am Tagebau", so der Slogan der Stadtverwaltung. Seit ihrem Amtsbeginn 2009 beschäftigt sie sich mit dem Umsiedlungsprozess tausender Menschen, die dem Tagebau weichen mussten.
Welche Rolle spielt der Verein „Pro Lausitzer Braunkohle e.V.“?
Der Verein hat die Interessenlagen der Kommunen gebündelt. Insbesondere im Hinblick auf die Entwicklung neuer Strukturen in der Lausitz.
Und der Verein begrüßt den geplanten Vattenfall-Verkauf. Der Konzern möchte seine Braunkohle-Sparte an den tschechischen Investor EPH verkaufen. Wie stehen Sie zu dem Verkauf?
Ich stehe dem Verkauf offen gegenüber. Die Situation vor dem geplanten Verkauf der Kraftwerksparte war sehr angespannt. Ich plädiere dafür, dass sich die neuen Eigentümer schnellstmöglich Gedanken machen, in welcher Form die Tagebaue weitergeführt werden. Damit die Menschen in der Region Klarheit über ihre Zukunft erhalten. Wir haben den Umsiedlungsprozess seit über sieben Jahren mitgestaltet.
Ende Gelände ist einem Bündnis von Menschen aus der Anti-Atom- und der Anti-Kohle-Bewegung. Unter dem Motto „Kohle stoppen – Klima schützen“ ruft das Bündnis zu einer Aktion zivilen Ungehorsams im Braunkohlerevier der Lausitz auf. Das Protestcamp soll vom 13. bis 16. Mai stattfinden. Geplant ist, die Tagebaue von Vattenfall zu betreten und dort Bagger und andere technische Infrastruktur zu blockieren. Mehr als 2.000 Menschen aus ganz Europa werden erwartet. Aus zwölf Ländern sind 25 Busse angemeldet. Eine Demonstration wird am Pfingstsamstag um 13 Uhr unter dem Motto „Keine Zukunft mit der Kohle“ von Welzow nach Proschim führen.
Haben Sie größeres Vertrauen in den tschechischen Konzern EPH als in Vattenfall?
Ich kenne den voraussichtlichen Käufer EPH bisher nicht.
Bei dem Protestcamps im Lausitzer Braunkohlerevier werden bei der Demonstration am Samstag mehr als 2.000 Menschen erwartet. Wie viele PolizistInnen werden vor Ort im Einsatz sein?
Zum Ablauf der Demonstration kann ich aktuell nichts sagen. Es fällt unter das Versammlungsrecht. Wir haben keine offiziellen Informationen.
Mit dem Kohleausstieg gehen Arbeitsplätze bei Ihnen in der Region verloren. Welche alternativen Jobs könnten entstehen? In welche Bereiche sollte die Region investieren?
Das ist eine schwierige Frage. Die Ideen für eine Strukturentwicklung in der Region müssen von unten heraus geboren werden. Fest steht allerdings auch, dass eine Unterstützung von Bund und Land notwendig sein wird, um den Prozess zu schaffen.
Bekommen Sie diese Unterstützung von Bund und Land?
Wir hoffen, dass wir nicht nur Gehör sondern auch finanzielle Unterstützung bekommen. Es braucht konkrete Maßnahmen und Projekte, um wirtschaftliche Perspektiven für die Menschen hier in der Region zu schaffen. Im Bergbau arbeiten viele gut bezahlte Menschen, die nicht abwandern wollen.
Wie sehen solche konkreten Maßnahmen aus?
Es müssen Wirtschaftsstrukturen entwickelt werden. Seitens der brandenburgischen und sächsischen Bürgermeister und Landräte arbeiten wir an einem Perspektivplan Lausitz mit Vorschlägen zur Infrastruktur, zukunftsfähigen Energiebranche und Forschungsthemen.
Das klingt eher abstrakt..
…konkret geht es für mich darum festzustellen, wann der Kohleausstieg machbar sein wird. In welchem Jahr können wir auf Kohle verzichten? Es geht hier um zwei Themen. Das eine Thema ist der Protest gegen Kohle. Das andere Thema ist der Strukturwandel in der Region.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anbrechender Wahlkampf
Eine Extraportion demokratischer Optimismus, bitte!
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei