Bürgergeld-Kampagne der CDU: Die Welt von Friedrich Merz steht Kopf
Die Behauptung des Kanzlers, der Staat finanziere Bürgergeld-Empfänger:innen teure Wohnungen, stimmt nicht. Das glatte Gegenteil ist der Fall.

Dabei ist das längst der Fall. Die Jobcenter übernehmen die Kosten für Unterkunft und Heizung nur in „angemessener Höhe“, die je nach Bundesland und Kommune variieren. In Berlin sind das derzeit 426 Euro kalt für einen Ein-Personen-Haushalt, 714 Euro bei vier Personen.
Bundesweit erstatteten die Jobcenter im vergangenen Jahr durchschnittlich 334.000 Haushalten im Bürgergeld nicht die vollen Kosten für die Warmmiete. Das entspricht einem Anteil von 12,6 Prozent. In Berlin waren 19.300 Bedarfsgemeinschaften betroffen (9,2 Prozent).
Das geht aus der Antwort auf eine Anfrage der Linken-Bundestagsfraktion hervor, die von der Abgeordneten Katalin Gennburg und dem wohnungspolitischen Sprecher der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, Niklas Schenker, für Berlin ausgewertet wurde.
Berlin ist Spitzenreiterin bei Wohnkostenlücke
Mit durchschnittlich 180 Euro ist die Wohnkostenlücke bei den betroffenen Berliner Bürgergeld-Empfänger:innen dabei so groß wie nirgendwo sonst in Deutschland. Sie müssen demnach mehr als 23 Prozent der tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung selbst finanzieren, aus Ersparnissen oder, wahrscheinlicher, aus dem Regelsatz von derzeit 563 Euro, der für eine Person das Existenzminimum sichern soll. Für einen kleinen Teil von 2.100 Haushalten war nicht die Miethöhe das Problem, sondern die Ausgaben für die Heizung.
Katalin Gennburg sagte, Berlin sei „traurige Spitzenreiterin bei der Höhe der Wohnkostenlücke“. Die dramatische Situation sei darauf zurückzuführen, dass in der Stadt „die Mieten in den letzten Jahren überdurchschnittlich erhöht wurden“.
Noch im Vorjahr betrug die Lücke, die selbst zu finanzieren ist, 158 Euro. Viele Betroffene bleiben auch nach vorherigen Aufforderungen der Jobcenter, ihre Mieten zu senken, in ihren überteuerten Wohnungen, weil ihnen günstigere Alternativen fehlen.
Die höchsten Wohnkostenlücken gibt es demnach auch in besonders teuren Bezirken: 226 Euro in Treptow-Köpenick und 199 Euro Pankow. Prozentual am häufigsten betroffen waren Empfänger:innen der Jobcenter Spandau und Friedrichshain-Kreuzberg mit je 13 Prozent.
Am meisten selbst dazuzahlen mussten im vergangenen Jahr Berliner Bedarfsgemeinschaften mit Kindern. Bei 6.400 Haushalten wurden die tatsächlichen Kosten durch die Jobcenter nicht voll übernommen. Durchschnittlich mussten diese 191 Euro im Monat aus der eigenen Tasche finanzieren. Annähernd so groß ist die Lücke auch bei betroffenen Alleinerziehenden.
Linke fordert mehr Unterstützung vom Bund
Der Abgeordnete Schenker fordert, die „Ausführungsvorschrift Wohnen“, in der die angemessenen Kosten geregelt werden, anzupassen, „damit niemand mehr zwischen der Miete und genug zu essen im Kühlschrank entscheiden muss“. Dafür brauche es mehr Unterstützung durch den Bund.
Gleichzeitig dürften „die immer weiter steigenden Mieten nicht dauerhaft mit staatlichem Geld subventioniert“ werden. Schenkers Lösung: Ein Mietenstopp für die landeseigenen Wohnungskonzerne und einen bundesweiten Mietendeckel.
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